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Rolls Royce: Coachline Painter Mark Court im Portrait - Ein Leben für die perfekte Linie

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Sein Job: eine Linie bei einem Rolls-Royce ziehen. Mark Court ist der einzige Mitarbeiter, der die Nadelstreifen an einem Rolls-Royce malen darf. Und kann.

Goodwood - Die Angst arbeitet mit. Bei jedem Auto. "Wenn ich nur daran denke, wie lang und teuer ein Rolls-Royce ist, flattern mir die Hände. Also versuche ich, erst gar nicht daran zu denken", sagt Mark Court. Trotz des Preises zwischen 240.000 und 450.000 Euro netto. In der Regel gelingt ihm das. "Ich vermale mich nicht", grinst der 55-Jährige.

Mark Court arbeitet seit 16 Jahren als Coachline Painter beim britischen Luxushersteller Rolls-Royce. Bei vielen Fahrzeugen setzt er auf Wunsch seine persönliche Note aufs Blech. Per Hand zieht er am Ende der Produktion auf dem nackten Seitenblech eine feine, dünne Lacklinie. Zwischen zwei und vier Stunden sitzt er an einem Auto, um die zwei oder drei Millimeter dünne Linie zu ziehen. Der Speziallack bleibt haften, lässt sich waschen, wachsen und polieren. Dafür aber nach dem Trocknen nicht mehr reparieren oder ausbessern. Kein anderer Hersteller betreibt solch einen Aufwand.

Die Linie ist das Finish, die Perle der Handwerkskunst in Goodwood. Nach Galvaniseur, Schreinerei und Sattlerei legt Court als letzter Mitarbeiter Hand an das Auto. "Die Linie lässt sich nicht lackieren, so fein ist die. Außerdem wollen die Kunden fühlen, dass sie aufgemalt ist, denn das zeugt von Einzigartigkeit, Luxus und Exklusivität", sagt er. Asiatische Autofans verlangen extra feine Striche innerhalb der Linie und härter abgesetzte Kanten, die noch deutlicher auf die Handarbeit hinweisen.

Ein Maler der alten Schule

Während sich Pin-Striper, zu Deutsch Linierer, auf Hot Rods und Custom-Bikes wild mit verschiedenen Pinseldicken, Mustern und Farben austoben, bleibt Mark Court konservativ wie die Marke, für die er arbeitet. Nur zwei verschieden dicke Linien bringt er an der Seite auf, je nach Modell und Wunsch des Kunden. Dafür stehen ihm 200 Farbtöne zur Wahl. "Grundsätzlich kann der Kunde alles bestellen. Er geht seine Wünsche mit einem Designer durch und wir klären, wie wir sie umsetzen", sagt er. Manchmal malt er deshalb auch Figuren, Tiere, Blumen, Initialen oder Wappen für den Innenraum.

Court ist ein Maler alter Schule. Kein Zeichner, darauf legt er Wert. Schon während der Schule malte er, absolvierte danach fünf Jahre eine Ausbildung zum Schildermaler, besuchte nebenbei eine Abendschule. Als BMW Anfang der 2000er-Jahre Rolls-Royce kaufte, fehlte für die Mannschaft im neuen Werk in Goodwood ein Coachline Painter. Court kommt aus dem Nachbarort und hatte Erfahrung im Malen – zumindest auf Blechschildern.

Für den neuen Besitzer ein Volltreffer. BMW schickte ihn nach Berlin ins Motorradwerk und ließ ihn sich an Tanks ausprobieren, was seiner jetzigen Arbeit ähnelt. Aus den geplanten sechs Wochen wurden allerdings sechs Monate, bis er die richtige Technik und das beste Werkzeug für den perfekten Strich fand. Er entwickelte für sich feine Pinsel aus Eichhörnchenborsten, die keine Haare verlieren, dazu eine spezielle Zieh- und Absetztechnik. Die ersten Versuche über ein paar Meter Länge folgten auf Rolls-Royce-Rohkarossen im BMW-Werk in Dingolfing. Mit Eröffnung des neuen Werkes in Goodwood 2002 zog Court seine erste Linie auf einem fertig lackierten Rolls-Royce.

Bei einem bis zu sechs Meter langen Auto muss sie sitzen. "Ich unterteile die Seiten in drei bis vier Abschnitte. Die Kotflügel, Türen und das Heck zeichne ich einzeln", sagt er. Und wenn er sich vermalt? "Das ist kein Problem, der Speziallack härtet erst nach drei bis vier Stunden aus, bei einem misslungenen Strich kann ich den sofort wegwischen. Aber ich vermale mich ja nicht. Ich bin Engländer, ich kann alles", grinst er.

Für seine Arbeit benötigt er eine ruhige Atmosphäre und eine noch ruhigere Hand. Zwei Mitarbeiter bereiten für ihn die Autos vor, entfetten die Oberfläche, kleben eine Hilfslinie auf, ziehen darunter eine Markierung mit einem weichen Stift und entfernen die Folie. Mit einer speziellen, extraweichen Kreide pudert Court die obere Flanke des Blechs ein. "Meine Hand muss weich drüberrutschen, darf nicht stocken. Sonst werden die Linien unsauber", sagt er. Auf Handschuhe verzichtet er, weil er damit kein Gefühl hat. "Ich muss das Blech direkt spüren, sonst habe ich keine Kontrolle über meine Finger und den Pinsel", sagt der Perfektionist.

Court rührt die Farbe kurz mit einem Härter an, tupft den Pinsel in die Farbe und immer wieder auf ein Blech, knetet damit die Farbe in die Borsten ein. Mit leichtem Schwung von links nach rechts dreht Court sich geschmeidig um die Hüfte und zieht ruhig die Linie.

Normalerweise muss sich Court beim Malen nicht bücken. Die Autos rollen bei ihm auf Schulterhöhe vorbei. Doch die Produktionsbänder werden bei unserem Besuch gerade umgebaut, weil Rolls-Royce demnächst ein SUV produziert. Für Journalisten gibt es deshalb keinen Zutritt zu seinem eigentlichen Arbeitsplatz. Für Court kein Problem, er kann auch gebückt arbeiten. Verunfallt ein Rolls-Royce und muss neu lackiert werden, reist Mark Court bis nach Dubai, um seine Linie anzubringen, meist in den Werksferien. "Das klingt verrückt, aber nur mit der Coachline ist das Auto wieder perfekt", sagt er. Zum Glück sind die seltenen Autos noch seltener in Unfälle verwickelt.

Schwierige Azubi-Suche

Zwischen 4.000 und 5.000 Fahrzeuge gingen bislang durch seine Hände. Mark Court behauptet, dass er jedes wiedererkennen würde. "Ich sehe sofort, ob eine Linie repariert wurde, ob es meine Linie ist. Die Enden sind meine persönliche Handschrift", sagt er. Autogramme eines Coachline-Painters. An seine schönsten Blechmalerei erinnert er sich: drei Phantom-Modelle zur Eröffnung des ersten Formel-1-Rennens in Abu Dhabi 2010.

Auf deren Seiten zog er eine breite Coachline in Schwarz-Weiß, wie eine Zielflagge. "Pro Auto habe ich fast zwölf Stunden benötigt", erinnert sich Court. In der Regel weiß er aber nicht, wer der Besitzer des Autos ist. "Es ist für meine Arbeit auch nicht wichtig, denn jede Linie muss perfekt sitzen", sagt er. Für ihn ist der Job ein Traumjob. "Ich arbeite für die beste Autofirma der Welt, gebe den Autos meine persönliche Note mit und kann auch noch regelmäßig verreisen. Mit meiner Arbeit schaffe ich absolute Einzelstücke. Welcher Autobauer kann das schon von sich behaupten?", sagt er. Nur bei seinem BMW 3er käme er im Traum nicht darauf, ihn mit einer Linie zu verzieren – es passt einfach nicht.

Sein Talent würde er gerne weitergeben. "Die meisten Schüler, die ich hatte, sind zu ungeduldig, können sich nicht lange am Stück konzentrieren oder haben Angst vor der Länge der Autos und deren Preis", sagt er. Um ein Auto anständig zu bemalen, braucht man ein Jahr. Um es perfekt zu bemalen, weitere vier. Auch sein Sohn hat kein Interesse an dem Job. Der 25-Jährige arbeitet zwar auch bei Rolls-Royce, aber in der Schreinerei. Allerdings hat er seinem Vater einen Holzkasten mit den speziellen Pinseln gebaut – für den perfekten Strich.

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