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Kommentar: Pkw-Maut - Dobrindts Maut und die drei Probleme

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Dobrindts Maut-Entwurf macht vieles richtig. So richtig zufrieden kann die Politik aber erst sein, wenn wir am Ende doch draufzahlen. Ein Kommentar von Björn Tolksdorf.

Vom Sommerloch-Biergartenschlager zum Europäischen Gerichtshof: Die Pkw-Maut hat eine lange Geschichte. Einen schönen Urlaub wünscht MT-Redakteur Björn Tolksdorf Vom Sommerloch-Biergartenschlager zum Europäischen Gerichtshof: Die Pkw-Maut hat eine lange Geschichte. Einen schönen Urlaub wünscht MT-Redakteur Björn Tolksdorf Quelle: picture alliance / dpa, MOTOR-TALK

Berlin - Dionys Jobst, CSU, von 1969 bis 1998 im Bundestag, trug den inoffiziellen Titel: König des Sommerlochs. Unvergessen sein Beitrag zur Biergartensaison 1984: Eine Maut für Ausländer, denn schließlich zahlen Deutsche im Urlaub ja auch „Wegelagerergebühren“. Noch besser sein legendärer Vorschlag von 1993, Deutschland solle Mallorca kaufen. Leider soll es nur ein Witz gewesen sein.

Und die Maut? Spätestens 2013 blieb der Republik das Lachen über diesen guten, alten bayrischen Schenkelklopfer im Halse stecken. Horst Seehofer, sein inoffizieller Titel: König von Bayern, drohte und drängte die Maut in den Koalitionsvertrag. Dabei hatte die Kanzlerin versprochen: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“.

Da hatte sich Frau Merkel in König Horst getäuscht. Durch sein Bundesland verlaufen die großen Ferien-Schlagadern in den Süden, seine Wähler stehen im Stau mit niederländischen Wohnwagen und italienischen Verkehrsregel-Freigeistern. Die Maut ist Seehofers Prestige-Projekt. Er platzierte seinen besten Mann im Verkehrsministerium und gab ihm eine gut gemeinte Warnung auf den Weg: „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht“.

Die Dobrindt-Maut kann viel

Horst, König von Bayern, beim Sommer-Interview 2013: Die Maut ist sein Prestige-Projekt, Dobrindt versucht zu liefern Horst, König von Bayern, beim Sommer-Interview 2013: Die Maut ist sein Prestige-Projekt, Dobrindt versucht zu liefern Quelle: dpa/Picture Alliance Alexander Dobrindt versuchte gestern, seinen Chef glücklich zu machen. Sein Maut-Entwurf kann vieles: Den Koalitionsvertrag erfüllen, indem kein deutscher Autofahrer zusätzlich belastet wird. Die Ausländer abkassieren, die eine Plakette ab 10 Euro kaufen müssen. Die Verlagerung von Verkehr verhindern, indem alle Straßen mautpflichtig sind anstatt nur Autobahnen. Er rettet sogar die mickrige ökologische Steuerungswirkung der Kfz-Steuer.

Und doch könnte es sein, dass Dobrindts Enwurf am Ende etwas Wichtiges nicht kann: EU-rechtsfest sein. Denn alles Getrickse, alle „Öko-Klassen“ und „Gerechtigkeitslücken“ ändern eines nicht: Eine Abgabe, die alle zahlen und die den Inländern erstattet wird, ist nicht fair. Fair ist die Maut in Italien oder Spanien: Wer auf die Autobahn fährt, zahlt je Kilometer. Egal, was auf seinem Nummernschild steht oder unter seiner Motorhaube steckt.

Ein Juristen-Thriller

Nicht alles, was unfair ist, ist auch verboten. Deutschland darf sowohl eine Maut einführen als auch seine Kfz-Steuer reformieren. Spannend, zumindest für Juristen, ist die Frage: Wie bewerten die EU-Bürokraten die tag- und centgleiche Verknüpfung davon?

Der Europarechtler Volker Boehme-Neßler ist sich im Interview mit "Zeit Online" ziemlich sicher: „Alle Unionsbürger müssen gleich behandelt werden. Es ist also unzulässig, für jeden deutschen Autobesitzer einfach die Kfz-Steuer zu senken und so die Maut auszugleichen“. Ob Dobrindts Konstrukt trotzdem eine Chance habe, müsse am Ende der Europäische Gerichtshof entscheiden. Randnotiz: Österreich und die Niederlande wollen klagen, wenn Deutschland ernst macht.

Dobrindts drei Probleme

Die skandalöse Schlussfolgerung präsentiert der skandalgestählte ADAC: Straßburg könnte die Maut genehmigen, die Steuerentlastung aber kippen. Ups, auch Deutsche müssen zahlen. Die Wut der Bürger wäre Dobrindt gewiss, dafür hätte er aber einen Haufen politischer Probleme gelöst.

Erstens: sein europarechtliches Problem. Zweitens: sein Einnahmeproblem. Denn unsere Straßen brauchen zehnmal mehr Geld als die lächerlichen 600 Millionen aus der Ausländermaut. 53 Millionen deutsche Pkw mal 88 Euro Maut gleich 4,6 Milliarden – das klingt deutlich interessanter.

Das Drittens hört auf den Namen Wolfgang Schäuble. Das Dobrindt-Modell bedeutet konkret: Dem Finanzminister fehlen viele Steuermilliarden, sie fließen stattdessen in eine zweckgebundene Abgabe. Ein schlechter Finanzminister würde das schlucken, aber Schäuble?

Dobrindts drei Probleme: EU, Einnahmen, Schäuble. Er kann sie lösen, indem wir Deutsche die Maut am Ende doch zahlen. Den schwarzen Peter hätte die böse EU. Das hätte sich Dionys Jobst nicht besser ausdenken können. Schönen Urlaub.

Alle Fakten zu den Maut-Plänen gibt's hier

 

Quelle: MOTOR-TALK

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