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Bundesverwaltungsgericht: Diesel-Fahrverbote zulässig - Diesel-Fahrverbote: Der Weg ist frei

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Das Bundesverwaltungsgericht hält Diesel-Fahrverbote für grundsätzlich zulässig. Es müsse dabei jedoch Verhältnismäßigkeit herrschen und Übergangsregeln geben.

Mitglieder der Umwelt- und Naturschutzorganisation Robin Wood demonstrieren am 11.01.2018 an der B14 am Neckartor in Stuttgart Mitglieder der Umwelt- und Naturschutzorganisation Robin Wood demonstrieren am 11.01.2018 an der B14 am Neckartor in Stuttgart Quelle: dpa / Picture Alliance

Leipzig - Das Bundesverwaltungsgericht hält Diesel-Fahrverbote in Städten nach geltendem Recht für grundsätzlich zulässig. Nach Ansicht der Richter muss die Bundesregierung also keine neuen rechtlichen Grundlagen für Diesel-Fahrverbote schaffen, damit Kommunen sie verhängen können.

Die beklagten Städte Düsseldorf und Stuttgart müssten aber ihre Luftreinhaltepläne auf Verhältnismäßigkeit prüfen, urteilte das Gericht in Leipzig am Dienstag. Ausnahmeregeln, etwa für Handwerker, müsse es ebenso geben wie Übergangsfristen. Daher seien in Stuttgart Fahrverbote nicht vor dem 1. September 2018 möglich.

Einen Ausgleich für finanzielle Verluste von Diesel-Besitzern wird es jedoch nicht geben. "Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen", führte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher aus. Die zuständigen Landesbehörden hätten es in der Hand, einen "Flickenteppich" zu verhindern.

Klage der "Deutschen Umwelthilfe"

Am vergangenen Donnerstag hatte das Bundesverwaltungsgericht in einem rund vierstündigen "Rechtsgespräch" zunächst erörtert, ob Fahrverbote verhältnismäßig wären oder zu Lasten von Diesel-Fahrern gingen, die dafür nichts könnten. Zudem wurde beleuchtet, ob Verbote überhaupt kontrollierbar wären. Eine Gerichtsentscheidung wurde daher vertagt.

Konkret wurde in Leipzig über eine Revision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf verhandelt. Diese hatten die Behörden nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) verpflichtet, Luftreinhaltepläne zu verschärfen, damit Schadstoffgrenzwerte möglichst schnell eingehalten werden.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revisionen der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf "überwiegend" zurück. Sowohl EU-Recht als auch Bundesrecht verpflichteten dazu, durch geeignete Maßnahmen den Zeitraum einer Überschreitung von Schadstoffgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.

Stuttgart: Euro 4 zuerst?

Das Bundesrecht lässt zonen- wie streckenbezogene Fahrverbote speziell für Diesel eigentlich nicht zu. Mit Blick auf die Verpflichtung nach EU-Recht zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte ergebe sich, dass nationales Recht "unangewendet" bleiben müsse, wenn dies die volle Wirksamkeit des Unionsrechts erfordert.

Für Stuttgart urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten zu prüfen sei, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge betreffe - etwa bis zur Abgasnorm Euro 4. Um die Verhältnismäßigkeit herzustellen, dürften Euro-5-Fahrzeuge nicht vor dem 1. September 2019 mit Verkehrsverboten belegt werden.

Wer wäre wo betroffen? Das bleibt offen

Luftmessstation in München an der Landshuter Allee Luftmessstation in München an der Landshuter Allee Quelle: dpa / Picture Alliance Wer wäre von Fahrverboten betroffen? Klar ist, dass Benziner mit Stickoxiden keine Probleme haben. Denkbar wäre, in bestimmten Straßen keine Diesel mehr zuzulassen - oder nur solche, die der neuen EU-Abgasnorm Euro 6d entsprechen. Das wäre allerdings kaum zu kontrollieren, wenn es keine Kennzeichnung, etwa eine "blaue Plakette", gäbe. Die bisherigen Umweltzonen mit den roten, gelben und grünen Plaketten zur Feinstaubreduzierung sehen Ausnahmen vor - etwa für Traktoren, Krankenwagen oder Oldtimer.

Wo es Fahrverbote geben könnte, ist ebenfalls unklar. Fahrverbote bleiben trotz des Grundsatzurteils von Stadt zu Stadt eine Einzelfallentscheidung. Die Rede ist bei der Bundesregierung von "streckenbezogenen" Beschränkungen in Gebieten, in denen Grenzwerte überschritten werden. Das könnten also einzelne Straßen oder Straßenabschnitte sein. Umweltschützer kritisieren, dass dann vor allem um die Messstellen herum die Luft sauberer werden könnte. Dann hätte Deutschland vielleicht kein Problem mehr mit der EU, den Stadtbewohnern wäre aber nicht geholfen. Allerdings sind die Messstellen nicht willkürlich verteilt, sondern nach festen Regeln, damit sie möglichst repräsentative Ergebnisse liefern.

Messstellen in München, Stuttgart und Köln wiesen die schlechtesten Stickoxidwerte 2017 aus. Zu den 37 Städten, deren Grenzwertüberschreitung für das vergangene Jahr schon jetzt sicher ist, gehören aber auch kleinere Städte - etwa Reutlingen, Heilbronn, Darmstadt, Limburg an der Lahn oder Tübingen. Die Werte hat das Umweltbundesamt veröffentlicht.

Die Luft wird sauberer

Insgesamt ist die Luft sauberer geworden. Das liegt an der zunehmenden Verbreitung neuerer Diesel, an Luftreinhaltemaßnahmen der Städte - und auch am insgesamt sinkenden Dieselabsatz. An vielen Messstationen sind die Stickoxidwerte 2017 deutlich niedriger ausgefallen als 2016, wie das Umweltbundesamt auflistet. Nur: Es reicht eben noch nicht. Schätzungen zufolge dürften 70 Kommunen weiterhin zu hohe Werte haben, noch liegen nicht alle Daten vor.

Experten des Umweltbundesamts haben viele Studien zur Gefahr von Stickoxiden ausgewertet. Trotz einer nach eigenen Angaben sehr vorsichtigen Rechnung kam heraus: Mindestens 6.000 Menschen im Jahr sterben in Deutschland vorzeitig alleine an Herz-Kreislauf-Krankheiten, die von Stickoxid ausgelöst werden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass auch Schlaganfälle, Lungenerkrankungen wie Asthma oder COPD sowie Diabetes durch Stickoxide ausgelöst oder verschlimmert werden können.

Bundesregierung will Verbote verhindern

Die Bundesregierung will Diesel-Fahrverbote in Städten auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abwenden. Es sei "das ganz klare Ziel, Fahrverbote zu vermeiden. Das ist auch machbar mit der Vielfalt der Maßnahmen, die wir vorgeschlagen haben", sagte der geschäftsführende Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) am Dienstag in Berlin. Er verwies unter anderem auf ein gestartetes Programm von einer Milliarde Euro zur Förderung kommunaler Maßnahmen.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte, ihr Ziel bleibe, dass Fahrverbote möglichst nie in Kraft treten müssten, weil die Luft auf anderem Weg sauber zu bekommen sei. Es gebe hierfür jetzt noch einen Zeitraum, der mit "beherzten Maßnahmen" genutzt werden müsse. Die Autohersteller als "Verursacher des Problems" dürften dabei nicht aus der Verantwortung entlassen werden, sagte Hendricks. Gebraucht würden auch technische Nachrüstungen, "die so viel bringen, dass der Stickoxid-Ausstoß deutlich sinkt, und man damit weiter in die Innenstädte fahren kann". Der Druck dafür sei jetzt größer geworden.

 

(dpa/bmt)

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