Ein Jahr BMW i3 im Selbstversuch. Wo liegen die Stärken und vor allem die Schwächen des bayerischen Stromers? Unser Autor Michael Specht wagte das (teure) Experiment.
Von MT-Reporter Michael Specht Hamburg - Bei den Marketing-Strategen laufe ich unter „Early Adopters“. Das sind Kunden, die neue Produkte ausprobieren, bevor es die Masse tut. Der BMW i3 ist so ein Produkt. Ein Elektroauto mit Carbon-Karosserie, rostfrei und ultramodern in der Konzeption. Kein Benzin, kein Diesel, kein Altöl, kein Keilriemen, kein Auspuff, nichts schmutzt, nichts stinkt, nichts lärmt. Leasing-Raten wie ein Siebener-BMWDiesem Hightech-Charme war ich erlegen, und kaufte im März 2014 einen i3. Leasing war indiskutabel, die monatlichen Raten lagen mit fast 800 Euro auf dem Niveau einer Siebener-Limousine. Nicht gerade ein Türöffner zur Elektromobilität. Dennoch: Rund 2.500 i3 stromern durch Deutschland. Der Basispreis liegt bei 34.950 Euro. Mit den wichtigsten, weil nötigen Extras, sind, wie in meinem Fall, schnell 45.000 Euro zusammen. Vom Staat gibt es keinen Anreiz. Null. Nicht mal einen kostenlosen Parkplatz in der City. Quelle: Michael Specht Warum also ein Elektroauto kaufen? Mit Rationalität und Vernunft ist dies nicht zu begründen. Bei mir ist es schlicht die Freude am Fahren. Klingt abgedroschen und ist zudem BMWs traditioneller Slogan. Aber er trifft den Kern. Kein Kompaktwagen macht in Verbindung mit einem guten Umweltgewissen mehr Fahrspaß. Die fast lautlose und gleichmäßige Beschleunigung sind ein Genuss. Hinzu kommen eine gute Übersicht, ein reduziertes Cockpit und das großzügige Raumgefühl, weil keine Mittelkonsole Fahrer und Beifahrer trennt. Man kann in engen Parklücken notfalls auf der rechten Seite aussteigen. Der Akku bleibt die AchillesferseAlso alles bestens? Nicht ganz. Auch ein i3 hat Schwächen: Die Batterie, bekanntermaßen die Achillesferse eines jeden Elektroautos. Im Carbon-BMW stecken 96 Lithium-Ionen-Zellen. Der gesamte Akku wiegt 230 Kilogramm, hat eine Kapazität von 22 kWh. Genutzt werden davon 18,8 kWh. Dies soll verhindern, dass man die Batterie ganz leer fährt. Die Zellen würden leiden. BMW verspricht unter Alltagsbedingungen eine Reichweite bis zu 160 Kilometer, nach Norm 190 Kilometer. Dies entspricht einem Stromverbrauch von 12,9 kWh pro 100 Kilometer. Quelle: Michael Specht Wer jetzt zu rechnen anfängt und herausfinden will, wie das Ganze mit der Reichweite zusammenhängt, verzweifelt. Die Lösung: Bei Elektroautos zählt der Verbrauch ab Steckdose. Wie bitte? Richtig gelesen: ab Steckdose. Lädt man die leere Batterie komplett auf, zeigt der Stromzähler nicht 18,8, sondern 24,5 kWh an. So etwas nennt sich Ladeverlust. Jetzt passt es: 24,5 durch 12,9 teilen und mit 100 multiplizieren. Macht 190 Kilometer. Real nicht zu schaffen. Es sei denn, man legt sich gedanklich ein rohes Ei unters Fahrpedal, schleicht über Landstraßen, dass selbst Sonntagsausflügler genervt sind. Meine Alltags-Reichweite pendelt zwischen 120 und 130 Kilometer ein, und auch das klappt nur bei milden Temperaturen. Heizen kostet viel ReichweiteGespannt war ich auf den Winter. E-Autos mögen keine Kälte. Im meinem Freundeskreis wurden bereits Witze gemacht. Was haben ein Käfer-Fahrer und ein i3-Besitzer gemeinsam? Sie frieren. Nun, ganz so ist es nicht. Der Käfer-Fahrer friert, weil seine Heizung einfach grottenschlecht ist. Der i3-Fahrer dagegen friert nur, wenn er Strom sparen will – oder sparen muss. Beispielsweise, um noch den Weg nach Hause zu schaffen. Warme Luft für den Innenraum liefert eine Zusatzheizung. Im i3 hat sie eine Power von 5,5 Kilowatt. Würde man so eine Stunde lang fahren, wäre aber fast ein Drittel der gesamten nutzbaren Batteriekapazität futsch. Die Reichweite nähme drastisch ab. Mit Heizung blieben oft nur 90 bis 95 Kilometer. Eine Distanz, die gutes Planen voraussetzt und keine Nachlässigkeit in Sachen Laden mehr erlaubt. Heißt: Besser jeden Abend an die Steckdose. Zur Sicherheit habe ich mir eine Decke ins Auto gelegt. Die kalte Jahreszeit zeigt auch, dass die reinen Fahrkosten nicht unter denen eines Benziners oder Diesels liegen. 100 Kilometer kosten rund 7,20 Euro Strom. Dafür gibt es momentan rund sechs Liter Diesel, der Verbrauch einer sparsamen Mittelklasse-Limousine. Vorheizen per Handy. Klappt prima, aber....Quelle: Michael Specht Gut gemeint von BMW: Hängt der i3 am Ladekabel, kann er bequem über die App „i Remote“ per Handy klimatisiert werden. Das funktioniert zuverlässig. Im Winter heizt das System das Interieur zur eingestellten Abfahrtszeit – Start 15 Minuten vorher – auf 22 Grad Celsius hoch. Was die meisten i3-Besitzer wohl nicht wissen: Der Strom fürs Vorheizen kommt nicht aus dem Netz sondern aus der Batterie. Etwa zehn Kilometer Reichweite sind somit schon vor Fahrtantritt futsch. Die Vorwärmung über den Netzstrom funktioniert nur mit der rund 1.500 Euro (inkl. Montage) teuren Ladestation BMW i „Wallbox“. Wie viel mich das zwölfmonatige Abenteuer i3 abschließend kostet, zeigt der Blick in die Bilanz. Verbraucht hat der i3 laut der i-Remote-App auf dem Handy durchschnittlich 13,4 kWh je 100 Kilometer. Der Ladestrom schlägt mit geschätzten 16 kWh/100 km zu buche. Bei einer Fahrleistung von 13.000 Kilometern und den 27 Cent/kWh Stromkosten ergibt dies 562 Euro. Günstiger lässt sich individuelle Mobilität schwerlich umsetzen, schon gar nicht mit einem 170-PS-Auto. Hinzu kommen null Euro für Werkstatt und Service. Der i3 rollt nahezu verschleißfrei, benötigt vermutlich erst bei über 100.000 Kilometer den ersten Satz Bremsbeläge. Wer vorausschauend unterwegs ist, braucht die Fußbremse fast gar nicht zu treten. Im Schubbetrieb verzögert stets der E-Motor stark genug – und lädt obendrein die Batterie auf. Konventionelles Auto? Nie wiederWas den Spaß momentan trübt, dürfte der Restwert sein. Laut BMW läge er für meinen i3 bei 28.000 Euro. Kleiner Elektroschock – und die teure Erfahrung eines „Early Adopters“. Aber ich werde weiter stromern. Aus Überzeugung, weil ich glaube, dass dies trotz der Akkunachteile die künftige Art der automobilen Fortbewegung ist. |