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Kommentar: Kaufprämie für Elektroautos beschlossen - Die Elektro-Prämie zwischen Strohfeuer und Signalwirkung

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Die E-Auto-Förderung bringt der Technik nicht den Durchbruch und hilft der Umwelt kaum - aber es gab schon schlechtere Symbolpolitik, findet MT-Redakteur Björn Tolksdorf.

Er fährt mit gutem Beispiel voran: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat sich mit seiner Prämie durchgesetzt Er fährt mit gutem Beispiel voran: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat sich mit seiner Prämie durchgesetzt Quelle: dpa/Picture Alliance

Ein Kommentar von Björn Tolksdorf

Hast Du ein Problem, bewirf es mit Geld. So hält es der Ex-Nationaltorhüter Tim Wiese, der 2015 vor einem Friseursalon falsch parkte und dann einer Politesse das Bußgeld vor die Füße schleuderte. So halten es auch viele Unternehmen, wenn sie „investieren“.

Investieren will nun auch die Bundesregierung: in den Absatz von Elektroautos. Zum Unmut des Finanzministers. Wolfgang Schäuble lebt lieber nach dem Sprichwort „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“ anstatt mit Geld zu werfen. 1,2 Milliarden Euro macht er nun dennoch locker, beziehungsweise: 600 Millionen, denn die Hälfte der Subvention steuert die Autoindustrie bei.

Bei einer Fördersumme von 4.000 Euro pro Elektroauto oder 3.000 Euro pro Plug-in-Hybridfahrzeug reicht die Summe für 300.000 bis 400.000 Anträge, dann ist Schluss. „Wenn Sie eine [Prämie] wollen, kaufen Sie schnell“, empfiehlt Wolfgang Schäuble.

Welches Problem genau bewirft die Regierung hier mit Geld? Es geht um die Umwelt, die Industrie, um Gesichtsverlust und um Ordnungspolitk. Allerdings: Ordnungspolitisch mag man dem Finanzminister kaum widersprechen, der bisher die Auffassung vertrat, das Verkaufen von Autos sei Aufgabe des Autohandels und nicht der Bundesregierung.

Industrie- oder Umweltpolitik?

Ladesäule in Norwegens Hauptstadt Oslo: Die Bundesregierung will 15.000 zusätzliche Ladepunkte fördern Ladesäule in Norwegens Hauptstadt Oslo: Die Bundesregierung will 15.000 zusätzliche Ladepunkte fördern Quelle: Motor-Talk

Die Regierung steht allerdings im Wort, und zwar bei sich selbst. 2009 hatte Deutschland sich das Ziel gesetzt: Im Jahre 2020 soll eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Bisher sind es rund 28.000 Elektroautos, und die Zeit rennt – anders als der Absatz stromgetriebener Fahrzeuge.

Für wichtig hält die Bundesregierung die Elektromobilität aus zwei Gründen: Industriepolitisch kann Deutschland nur dann eine große Auto-Nation bleiben, wenn deutsche Autohersteller ihre Entwicklungen auf dem heimischen Markt verkaufen können. Der Rückstand bei der Elektromobilität gegenüber Frankreich oder Norwegen, vor allem aber Kalifornien und China, ist nicht wegzudiskutieren. Und: In Deutschland hängen mehr als 800.000 Jobs direkt an der Autoindustrie.

Umweltpolitisch ist die Gleichung simpler: CO2 ist schädlich für das Klima, und Elektroautos haben keinen Auspuff (wohl aber im Hintergrund einen Kraftwerksschlot) und produzieren (dort, wo sie fahren) weder CO2 noch andere Schadstoffe.

Zu Recht kritisieren Umweltverbände: Wer den Verkauf von Elektroautos fördert, der löst nicht das Problem von zu viel Verkehr in den Städten. Und er fördert eine Technologie, kein Umweltziel. Zu den verbrauchs- und schadstoffärmsten Autos am Markt gehören Vollhybride wie der Toyota Prius oder Kleinwagen mit Gasantrieb – für sie gibt es keine Förderung.

Strohfeuer mit Signalwirkung

Bleibt die europäische Komponente. Die deutsche Kaufprämie folgt den zwei anderen großen Märkten Großbritannien und Frankreich. In Großbritannien gibt es bis zu 6.600 Euro, in Frankreich sind es sogar 10.000 Euro – wenn dafür ein alter Diesel von der Straße verschwindet. Ähnliche Förderbedingungen in den größten EU-Märkten erleichtern der Industrie den Vertrieb und erlauben nettere Preise.

Bosch-Chef Volkmar Denner sieht in der Elektroprämie nur ein Strohfeuer Bosch-Chef Volkmar Denner sieht in der Elektroprämie nur ein Strohfeuer Quelle: dpa/Picture Alliance Das hilft dem Absatz – aber bedeutet es auch den Einstieg in den Ausstieg aus der Spritverbrennung? Experten der Universität Braunschweig bezweifeln das. Sie rechnen mit maximal 47.000 zusätzlichen Elektroautos durch die Prämie. Auch Bosch-Chef Volkmar Denner sagt: Solche Mittel entfachten am Markt keine nachhaltige Nachfrage, sondern nur ein kurzfristiges Strohfeuer.

So ein Strohfeuer wäre ja schon mal was. Es würde aber voraussetzen, dass sich das Elektroauto – mit der Förderung – für Autofahrer rechnet. Die meisten Elektroautos wären pro Kilometer weiterhin vier bis zehn Cent teurer als ein konventionelles Fahrzeug, rechnet der ADAC vor.

Zweiter Minuspunkt: Das Gesamtpaket stimmt nur für eine begrenzte Personengruppe. Wer als Pendler nicht am eigenen Grundstück oder am Arbeitsplatz laden kann, für den bleibt das Elektroauto eine komplizierte Liebhaberei. 15.000 neue Ladepunkte werden da wenig helfen, zumal in der Fläche. Wer weitere Strecken fährt, braucht reichweitenbedingt ohnehin ein andere Auto.

Das Betreuungsgeld war teurer

Hinzu kommt: Der deutsche Autobestand erneuert sich nur langsam. Sechs Jahre beträgt die durchschnittliche Haltedauer, neun Jahre das Durchschnittsalter unserer Fahrzeuge. Die weitaus meisten Pkw befinden sich in Privatbesitz – aber nur wenige Privatkäufer leisten sich Neuwagen. Es ist daher klug, die Prämie ohne Abstriche für gewerbliche Autokäufer zu öffnen.

Zumindest im Flottenbereich könnte das Strohfeuer daher abbrennen, wenn die Hersteller attraktive Finanzierungsmodelle entwickeln. Der Umweltnutzen wäre gering, aber die erhoffte Signalwirkung ist damit möglich. Am Ende musste sich die Koalition einigen. 600 Millionen Euro für die Autoindustrie, das mag Schäuble nicht gefallen – aber es gab in seiner Amtszeit höhere Preise für politischen Zusammenhalt. Das Betreuungsgeld, ein Sonderwunsch der Regionalpartei CSU, sollte 900 Millionen pro Jahr kosten.

Alles Wichtige zur E-Auto-Prämie lest Ihr hier: 4.000 Euro Kaufprämie für E-Autos

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