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Classic Driving News

Der geheime Mini-Ferrari im Fahrbericht

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Das ASA 1000 GT-Coupé trägt Silber, italienisch Argento. Sein 97-PS-Vierzylinder brüllt im Dialekt von Maranello - wie ein geheimer Mini-Ferrari. Motor Klassik gab dem einzigen hier zugelassenen ASA 1000 GT noch einmal die Sporen.

Das raue Schnorcheln aus den Trocken-Luftfiltern des ASA 1000 GT droht zu ersticken, sobald sich die Drosselklappen der beiden 40er-Doppelvergaser von Weber auch nur einen Hauch zu weit öffnen. "Vorsichtig mit dem Gaspedal", sagt Besitzer Volker Weber, "lieber noch ein bisschen einfach so vor sich hinlaufen lassen. Oder gleich richtig zutreten, damit die Beschleunigerpumpen einen vollen Strahl fördern."

Davon wird abgesehen. Schließlich sind wir weder im Fahrerlager von Monza noch trägt der ASA 1000 GT eine Startnummer. Besser das sanfte Versprechen eines warmlaufenden Sportmotors genießen, das Blap, Blap, Blap- Blap-Blap der Zündungen und den dumpfen Mündungsschall der Auspuffanlage, die zweiflutig vom Fächerkrümmer bis nach hinten durchführt. Später dann doch kurze Gasstöße, aber die Uhren für Öl- und Wassertemperatur signalisieren auch bereits Leben in den Zeigern. 

Der brüllende Liter giert nach Drehzahl

Der Einliter-Vierzylinder des ASA 1000 GT, so souffliert das spontane Hochdrehen, besitzt offenbar nur wenig Schwungmasse. Sanft wie bei einem Neuwagen, nicht wie einem 40-jährigen, trennt die Einscheibenkupplung - präzise rastet der kurze Schalthebel in der Gasse für den ersten der vier Gänge. Sein Holzknauf sprießt aus der Wölbung des Mitteltunnels fast bis auf die Höhe des schmalen Nardi-Lenkrads. Bei ungefähr 2.000/min wird eingekuppelt, wobei sich die linke Kniescheibe geschmeidig in das schmale Vieleck zwischen Blinkerhebel, Tür und Volant einfädelt.

Fahrer, die es auf mehr als 1,75 Meter Größe bringen, sollten nicht zu steif ausfallen, wenn sie ein ASA 1000 GT-Coupé wirklich korrekt anlegen möchten. Der brüllende Liter vorn unter der Alu-Haube giert nach Drehzahl. Nichts ist es da etwa mit einem gelassenen Punch aus der Tiefe des Hubraums. Dies liegt zunächst natürlich daran, dass sich bei einem Bohrung-Hub-Verhältnis von 69 x 69 Millimetern nicht mehr als 1.032 Kubikzentimeter an Arbeitsvolumen einstellen.

ASA 1000 GT hat vier Getriebestufen plus zwei weitere

Warmgefahren peitscht die obenliegende Nockenwelle den mechanisch angetriebenen Zeiger des Drehzahlmessers bis zur rot unterlegten 7.000/min-Markierung auf dem Jaeger-Instrument. Bei diesem Wert liegen dann laut Diagramm exakt 96,6 PS an, was den ASA 1000 GT zum strammen Maxen unter den kleinen Straßensportwagen der 60er Jahre stempelt. Selbst die Renn-1000er von Abarth kamen nur auf 10 bis 15 zusätzliche Pferdestärken - trotz größerer Kanäle, schlotigerer Vergaser und höherer Verdichtung. Kurz, der Motor verfügt über den herben Charme eines willigen Bonsai-Berserkers aus der frühen Neuzeit des Automobilbaus. Ein geräuschloses Hochschalten erfordert bereits gut angewärmtes Getriebeöl. Andernfalls kratzt der Gangwechsel wie Caruso auf Schellack, jedenfalls so lange sich der Fahrer durch die vier mechanisch zu wechselnden Fahrstufen arbeitet. 

Als technische Zugabe stehen im ASA 1000 GT jedoch zwei weitere Getriebestufen zur Verfügung, die mit dem schlanken Hebel rechts hinter dem filigranen Holzlenkrad elektrohydraulisch aktiviert werden: ein Overdrive Marke Laycock-de-Normanville, der den dritten und vierten Gang verlängert. Auf der Landstraße ist der ASA in seinem Element. Die Zahnstangenlenkung erweist sich als mechanischer Zügel, der das kleine Sportcoupé zielgenau und ohne allzu großen Kraftaufwand selbst durch Wechselkurven aller erdenklichen Radien führt. Bauartbedingt untersteuert der ASA in zu rasch angegangenen Kurven, um dann allerdings - provoziert von einem herzhaften Gasstoß - das Heck unter Last zur Kurvenaußenseite hinzuschwenken.

Dem ASA 1000 GT fehlt jeder Hang zur Hinterlist

Die Reaktionen des ASA 1000 GT bleiben dabei aber gut kontrollierbar. Daraus resultiert die beruhigende Einsicht, dass dem ASA jener Hang zur Hinterlist fehlt, den Fahrwerke der 60er Jahre mitunter an den Tag zu legen pflegen. Einzig und allein die Sitze könnten etwas konsequenter auf eine sportliche Gangart abgestimmt sein. Das mit Kunstleder bezogene Gestühl erreicht mit der Oberkante der Lehne noch nicht einmal die Schulterblätter; dazu fehlt jede seitlich abstützende Kontur, sodass ein zügiger ASA-Trip zur Halteübung am Lenkrad ausartet. Wirklich sportliche Naturen greifen daher auf einen Schalensitz im Design der 60er Jahre zurück.

Damit erschöpft sich aber auch schon die Kritik an der technischen Mitgift des silbernen ASA 1000 GT. Wieselflink und mit dem kernig-selbstbewussten Spruch des drehfreudigen Vierzylinders unter der Fronthaube sammelt der ASA jede Menge Pluspunkte in Sachen Fahrvergnügen. Nicht einmal die Bremsen bleiben hinter den Ansprüchen zurück, die der moderne Verkehr an ein 182 km/h schnelles Auto Baujahr 1965 heute stellt. Die vier Girling-Scheiben sprechen frühzeitig und progressiv an, wobei zwar ein ganz exakter Druckpunkt am Pedal fehlt, was jedoch seine Ursache im serienmäßigen Bremskraftverstärker hat. Selbst bei sportlichem Einsatz sei Fading unbekannt, teilt Besitzer Weber mit.

Einsteiger-Ferrari unter fremder Flagge

Wie der Hamburger zu dem einzigen in Deutschland zugelassenen ASA kam? "Ich habe ein Unikat gesucht", sagt Weber, "ein Auto, mit dem ich wegen seiner Seltenheit zum Beispiel an jeder Rallye teilnehmen könnte." Ein sportliches Coupé sollte es sein, damit der Porsche 356 in Webers Garage einen artgemäßen Nachbarn bekäme. Als sich der Vorbesitzer des Mille GT vor drei Jahren zum Auswandern entschloss, ging Webers Wunsch in Erfüllung. Das Schicksal einer raren Art wurde den zwischen 1962 und 1967 nur etwa 110 Mal gebauten ASA 1000 GT bereits mit in die Wiege gelegt. Ende 1959 entschloss sich kein Geringerer als Enzo Ferrari selbst, einen kleinen Vierzylinder aufzulegen und damit sozusagen einen Einsteiger-Ferrari zu befeuern. Dieser sollte allerdings unter fremder Flagge und anderem Namen gebaut werden.

Girling-Bremsen, Overdrive-Getriebe und starre Hinterachse

Ferraris Motoren-Genie Gioacchino Colombo entwarf einen 850er mit obenliegender Nockenwelle, der bis zum schwarzen Schrumpflack-Ventildeckel wie ein Drittel des 250-GT-Zwöfzylinders wirkte und in einem Fiat 1200-Chassis erprobt wurde. Die noch von Pininfarina gezeichnete Karosserie erinnerte ebenfalls stark an einen Westentaschen-250-GT, doch seltsamerweise trug sie als Markenemblem ein Maschinengewehr und einen einsamen Stern auf der Motorhaube. 1960 drohte das Projekt zu versanden und tauchte erst 1961 auf dem Turiner Salon wieder auf - als Mille GT mit einer Bertone-Karosserie des jungen Designers Giorgetto Giugiaro. Die Karosserie bestand aus einem Stahlblech-Aluminium-Aufbau auf einem Rohrrahmen, den der Ferrari-Cheftechniker Giotto Bizzarini entworfen hatte - er stellte eine verkürzte Variante des berühmten GTO-Rahmens dar. 

Girling-Bremsen, das Overdrive-Getriebe und die starre Hinterachse lieferte die britische Rootes- Gruppe zu - Ähnlichkeiten mit Aggregaten aus dem Sunbeam Alpine erschienen nicht rein zufällig. 1962 taten sich die Rennfahrer Gerino Gerini, Lorenzo Bandini und Giancarlo Baghetti mit dem Techniker Bizzarini in der Firma ASA (Autocostruzioni Società per Azioni) zusammen. Die Finanziers Oronzio und Niccolo de Nora richteten in der Mailänder Via San Faustino ein kleines Montagewerk ein. Doch es dauerte noch bis Ende des Jahres 1964, bevor die ersten Serien- ASA in Kundenhände kamen. Bereits 1967 glitt der kleine Sportwagen mit dem segelförmigen Markenzeichen in die Pleite. Je nach Quelle wurden insgesamt nur 75 (Automobile Quarterly) bis 120 (Dino, von J.-P. Gabriel) Exemplare des ASA 1000 GT gefertigt, sieben oder acht Spider eingeschlossen. Nur rund 30 ASA laufen noch, weltweit. "Ah", sagt da der Liebhaber des wirklich Außergewöhnlichen.

 

Quelle: Motor Klassik

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