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Reaktionen auf hohen Stickstoff-Ausstoß moderner Diesel - Der Diesel stinkt, aber er lebt

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Der Diesel steht unter Feuer: Die Umweltministerin fordert die Industrie zur freiwilligen Umrüstung auf, die EU will mehr Reformen, Berlin blockiert. Der aktuelle Stand.

Umweltministerin Barbara Hendricks fordert die Autoindustrie zum Handeln auf, sie sollen Diesel auf eigene Kosten umrüsten Umweltministerin Barbara Hendricks fordert die Autoindustrie zum Handeln auf, sie sollen Diesel auf eigene Kosten umrüsten Quelle: dpa / picture alliance

Berlin - Kaum eine Woche, ja kaum ein Tag, vergeht ohne schlechte Nachrichten für den Diesel. Gestern legte das Umweltbundesamt Messdaten vor, nach denen Selbstzünder auf der Straße noch schmutziger sind, als gedacht. Laut einem aktuellen Bericht des Ministeriums stößt die gesamte deutsche Diesel-Flotte etwa ein Drittel mehr Stickoxide aus, als bislang offiziell angenommen.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks fordert anlässlich dieser Zahlen die Autoindustrie zum Handeln auf. Die Anbieter sollten ihre Pkw auf eigene Kosten nachrüsten und so die Emissionen um mindestens die Hälfte senken, forderte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin: "Die Lösungen müssen von den Herstellern kommen."

"Alle Vorschläge, die ich unterbreitet habe, um den Kommunen Lösungswege an die Hand zu geben, wurden abgelehnt", sagte Hendricks mit Blick auf eine "Blaue Plakette" für relativ saubere Autos. Nun müsse Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Industrie stärker in die Pflicht nehmen.

Von der Problematik wussten alle in der Branche

Die vom UBA veröffentlichten Zahlen überraschen nicht jeden. Branchen-Experte Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen sagt, dass das Bundesamt keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse geliefert habe. "Von der Problematik wussten ja alle in der Branche", betonte der Experte mit Blick auf Abweichungen beim gemessenen Abgasausstoß auf dem Prüfstand und unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr.

Den Diesel für tot erklären? Das finden Experten wie Willi Diez übertrieben, doch die EU drängt zu schärferen Sanktionen und weitergehenden Reformen Den Diesel für tot erklären? Das finden Experten wie Willi Diez übertrieben, doch die EU drängt zu schärferen Sanktionen und weitergehenden Reformen Quelle: dpa / picture alliance Und er glaubt weiter an die Zukunft des Diesels. "Ich würde nicht so weit gehen, den Diesel jetzt für tot zu erklären", sagte Diez der "Heilbronner Stimme" (Mittwoch). "Bei der CO2-Thematik hat der Diesel nach wie vor Verbrauchsvorteile". Da sie weniger Sprit verbrauchten, stoßen Diesel auch weniger CO2 aus.

Neues Messverfahren geplant

Allerdings stoßen selbst Diesel, die der strengsten Abgasnorm Euro 6 entsprechen, den UBA-Daten zufolge auf der Straße im Schnitt 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus - der Grenzwert fürs Labor liegt bei nur 80 Milligramm. Bei Diesel-Pkw der Normen Euro 5 und Euro 4 sind die Unterschiede zwischen Labor- und Alltagswerten ebenfalls groß.

Da Stickoxide (NOx) unter anderem den Atemwegen und dem Herz-Kreislauf-System schaden können, müssen die realen Werte sinken. Ab Herbst werden in der EU deshalb schrittweise Abgasmessungen eingeführt, die den Ausstoß auf der Straße überprüfen, nicht nur im Labor.

Bundesregierung blockiert weitere Reform

Weitergehende Reformen der Abgastests und schärfere Sanktionen für Hersteller würde die EU gerne durchsetzen. Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge blockiert vor allem die Bundesregierung derartige Maßnahmen.

Es geht zum Beispiel um die Frage, ob die EU-Behörde auch selbst stichprobenhaft den Abgasausstoß von bereits zugelassenen Modellen erneut überprüfen darf. Die Bundesregierung habe dazu noch keine abgestimmte Position, sagte Hendricks am Dienstag. Das Bundesverkehrsministerium äußerte sich auf Anfrage nicht dazu.

Diplomaten in Brüssel bestätigten, dass Deutschland ebenso wie eine ganze Reihe osteuropäischer Staaten die Reformvorschläge in ihrer aktuellen Form eher ablehnt. Je nach Positionierung anderer größerer EU-Länder könnte eine neutrale oder ablehnende Haltung Berlins Diskussionen über die Reform der Typzulassung aufhalten.

Die Pläne sehen unter anderem eine gegenseitige Überprüfung der nationalen Zulassungsstellen vor, um eine zu große Nähe zur Autoindustrie zu vermeiden. Das lehnt die Bundesregierung laut Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen vom März ab - sie favorisiert eine "unabhängige Qualitätsüberprüfung". Unentschieden war Berlin in der Frage, ob Autobauer, die gegen EU-Regeln verstoßen, Sanktionen von bis zu 30.000 Euro je Fahrzeug fürchten müssen.

Quelle: dpa

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