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DFB-Busfahrer Wolfgang Hochfellner - Der Busfahrer der Weltmeister

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Wolfgang Hochfellner transportiert diesen Sommer die wertvollste Fracht Deutschlands: die Fußballnationalmannschaft. Der 61-Jährige ist der Busfahrer des DFB.

Die vordere Bustür öffnet sich mit einem leisen Zischen. Der Anzug sitzt, das Kinn ist frisch rasiert. Lächelnd lädt mich Wolfgang Hochfellner hinein in „seinen“ Mercedes Travego. „Platz ist ja da, wir nehmen den Tisch hier hinten“, sagt der 61-Jährige. Dort, wo sonst Philipp Lahm, Manuel Neuer, Mats Hummels und Per Mertesacker Karten zocken.

Theoretisch passen 59 Leute in den 13-Meter-Bus, faktisch ist die DFB-Version nur mit 36 Sportsitzen bestuhlt. Den müden Kickerbeinen zuliebe. Hochfellner redet wie ein Herbergsvater: „Die Jungs müssen sich bei mir wohlfühlen."

So nah bei den Fußballstars zu sein, das ist für viele Männer ein Traumjob. „Auch für mich, das kann ich nicht bestreiten.“ Seit seinem 39. Lebensjahr chauffiert der Limburger die wertvollsten Beine der Nation.

20 Jahre davor machte er als sehr junger Mann mit einer Ausnahmeregelung den Busführerschein. Damals, um Touristen durch Europa zu kutschieren. Es folgten Heirat, Kinder und als er deren drei hatte, wurden die wochenlangen Touren zur Familienbelastung. Hochfellner suchte einen neuen Job. In einer Lokalzeitung suchte der DFB Mitarbeiter in der Poststelle.

Das Vorstellungsgespräch beim damaligen Präsidenten Hermann Neuberger erscheint aus heutiger Perspektive wie aus einer längst vergangenen Welt. „Neuberger hat mich damals direkt gefragt, ob ich notfalls den Bus fahren kann. Ich wollte den Job, da habe ich sofort Ja gesagt.“

Berti Vogts wollte mich behalten

Die erste Zeit sortiert er die Post, erledigt Botengänge. Zwei Jahre später sitzt er auf dem Weg zum Länderspiel in Prag das erste Mal als Beifahrer im Bus. „Die Rückfahrt konnte der damalige Fahrer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr übernehmen, da bin ich eingesprungen. Die Buslizenz hatte ich noch.“

Nach der Rückkehr spricht sich schnell rum, dass die Stelle des Chef-Chauffeurs neu zu besetzen ist. Ein paar Hundert Bewerbungen gehen in der Frankfurter Zentrale ein. „Der damalige Nationaltrainer Berti Vogts wollte mich, warum weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich hatte wohl Glück“, sagt Hochfellner.

Seitdem fährt er die A-Mannschaft, manchmal auch den Präsidenten, die Trainer und VIPs. „Die ersten vier, fünf Fahrten war ich nervös. Ich durfte ja die Stars fahren. Mittlerweile nehme ich das fast gar nicht mehr wahr, wer bei mir hinten sitzt. Die Jungs sind bei mir völlig normal, ohne Starallüren, richtig nette Kerle“, sagt er.

Stammplätze wie bei Jogi vergibt er nicht. Aber einige haben ihre Lieblingsplätze. „Miro und Per sitzen gerne in der letzten Reihen. Die Trainer immer in der ersten Reihe. An den Tischen hier sitzen Philipp, Mats, Manuel und Thomas Müller.

Ich werde nie so gut Fußball spielen wie die Jungs – aber es wird auch keiner von denen so sicher Bus fahren wie ich.

Seit 2007 ist Hochfellner zudem Leiter des DFB-Fuhrparks mit 85 Firmenwagen. Er organisiert die Busse für alle DFB-Mannschaften und, fast wichtiger, plant die Schreibstunden. Also die Momenten, in denen alle Spieler in einer Reihe sitzen und alles unterschreiben, von Postern über Bälle oder Autogrammkarten.

„Ich helfe immer mit, egal was kommt. Wenn kein Spiel ist, helfe ich dem Zeugwart oder besorge den Jungs, was sie dringend brauchen. Ich bin zwar Busfahrer, aber auch Betreuer. Wir sind eine große Mannschaft.“ Das Verhältnis zu den Spielern sei kameradschaftlich, manchmal freundschaftlich. „Viele Spieler kenne ich jetzt schon seit Jahren.“

Das fing mit Klinsmanns „Team hinter dem Team“ an. Seitdem gehören die Betreuer zur Mannschaft. Die jungen Stars haben laut Hochfellner eine gute Kinderstube genossen, seien höflich und sagen Bitte und Danke. „Die heutigen Spieler haben was in der Birne. Das merkt man sofort.“ Nein, einen Lieblingsspieler oder – verein hat er nicht. Hochfellner mag alle Spieler.

Keine Punkte in Flensburg

Bei fünf großen Turnieren war er bislang im Einsatz. Rund 40.000 Kilometer fährt er pro Jahr im Bus, dazu ein paar tausend mit seinem eigenen Pkw. Anders als der Bundestrainer hat der Bundesbusfahrer aber keine Punkte in Flensburg.

Als Arbeitsgerät dient ihm ein Mercedes Travego mit OEM 470, ein Sechszylinder-Diesel mit 10,6 Liter Hubraum und 428 PS sowie 2.100 Newtonmeter Drehmoment. Der Bus ist vollgestopft mit allen Sicherheitssystemen, die Mercedes derzeit anbietet: Bremsassistent, ESP, Spurhalteassistent, Kollisionswarner und aktive Geschwindigkeitsregelanlage. Damit die wertvollste Fracht Deutschlands auch sicher ankommt.

Welche der vielen Touren die beste war? Ohne zögern antwortet der Busfahrer: 2006 nach dem WM-Spiel um Platz drei in Stuttgart, die Heimfahrt, vom Stadion ins Hotel. „Da konnten wir nur Schritt fahren, statt zehn Minuten brauchten wir knapp eine Stunde. So viele Menschen haben uns gefeiert. Aus den Lautsprechern dröhnte deutscher Schlager, die Spieler haben ins Mikrofon gesungen,“ schwärmt Hochfellner.

Das Sommermärchen 2006 – auch ein Märchen für Hochfellner

Überhaupt die WM in Deutschland – ein Sommermärchen auch für ihn. Einen bleibenden Eindruck hat die Dankbarkeit der Spieler bei ihm hinterlassen. „Direkt nach dem Spiel sind wir mit allen Spielern auf den Rasen, das Stadion wurde abgedunkelt, ein Feuerwerk ist hochgegangen und die Spieler sind an uns Betreuern vorbei gelaufen und haben sich vor uns aus Dankbarkeit verneigt – und wir vor ihnen. Das war ein tolles Gefühl“. Auch wenn damals der ganz große Wurf nicht gelungen sei.

Das soll dieses Jahr anders werden. „Wir können den vierten Stern holen, die Jungs haben das Potenzial. Dazu benötigen wir etwas Glück, denn ohne dieses schafft es keine Mannschaft. Für mich wird das erste Spiel entscheidend. Wenn wir Portugal schlagen, gut ins Turnier rein kommen, dann könnte es klappen. Es wäre ein Traum.“

Seinen eigenen Traum(job) wird er noch ein paar Jahre ausüben. „Wenn die Nationalmannschaft im DFB-Bus sitzt, sitze nur ich hinterm Lenkrad. Das ist der Wunsch der sportlichen Leitung.“ Die einzige Ausnahme sind Auslandsspiele. Da mietet er ab und zu ein Busunternehmen mit einem Fahrer an, sitzt aber direkt neben diesem. Das war bei der WM in Südafrika so und wird bei der WM in Brasilien so sein. „Vor Ort haben wir immer eine Polizeieskorte, und der einheimische Fahrer kennt sich in den Städten und auf den Straßen besser aus als ich.“

Update: Die National-Elf hat einen neuen Mannschaftsbus. Lest hier mehr zum Mercedes-Benz Travego M als DFB-Bus.

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