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Deutschlandweit erste "intelligente" Brücke in Betrieb - Den Daten eine Brücke bauen

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Das "Digitale Testfeld Autobahn" ist um eine Attraktion reicher. Eine Brücke bei Nürnberg kann messen, zählen, wiegen und weiß sogar, wie lange sie noch hält.

Intelligente Autobahnbrücke bei Nürnberg: Jede Fahrt über die Dehnungsfuge generiert Daten, mit denen die Brücke unter anderem ihren eigenen Zustand ermittelt Intelligente Autobahnbrücke bei Nürnberg: Jede Fahrt über die Dehnungsfuge generiert Daten, mit denen die Brücke unter anderem ihren eigenen Zustand ermittelt Quelle: dpa/picture-alliance

Nürnberg - Sie misst, sie zählt, sie wiegt - und ganz nebenbei fahren auch noch Autos und Lastwagen drüber. Im Osten Nürnbergs steht die erste sogenannte "intelligente" Autobahnbrücke Deutschlands. In ihrem Inneren steht Sebastian Böning und schaut auf einen Computer-Bildschirm. Rote und blaue Linien bewegen sich in Zacken über den Bildschirm. Plötzlich schlagen die Kurven weit nach oben und unten aus. Gleichzeitig ist ein lautes Donnern zu hören. "Das war ein Lastwagen", erklärt der Bauingenieur.

Das rund elf Millionen Euro teure Bauwerk steht dort wo sich die Autobahnen 3 und 9 begegnen. Die Brücke gehört zum sogenannten Digitalen Testfeld Autobahn des Bundesverkehrsministeriums. Worum sich bislang Menschen kümmerten, soll nun das Bauwerk selbst liefern: Informationen über den Verkehr, ihren eigenen Zustand und auch über ihre wahrscheinliche Rest-Lebensdauer. Dafür wurden dutzende Sensoren eingebaut. Die Brücke ist damit sozusagen Waage, Verkehrszähler und Thermometer zugleich. Seit Mitte Oktober ist sie in Betrieb.

Der Bauingenieur Ingmar Stade sitzt vor einem Sensor, der im Inneren der ersten "intelligenten" Autobahnbrücke die Beschleunigung in den Spanngliedern der Brücke misst Der Bauingenieur Ingmar Stade sitzt vor einem Sensor, der im Inneren der ersten "intelligenten" Autobahnbrücke die Beschleunigung in den Spanngliedern der Brücke misst Quelle: dpa/picture-alliance

Erste intelligente Autobahnbrücke ab "Geburt"

Das System sei zwar schon mehrfach in Brücken eingebaut worden, sagt die Ingenieurin Ursula Freundt - doch meist erst im Nachhinein. "Soweit ich weiß, ist das weltweit die erste Brücke, bei der es schon zur Geburt eingebaut wurde. Wir erfahren damit von Anfang an, wie der Zustand des Bauwerks ist." Forscher, Ingenieure und Politiker erhoffen sich damit mehr und vor allem frühere Erkenntnisse zu den Veränderungen und Belastungen, denen Brücken unterliegen sowie zu ihrem Zustand.

Denn bislang werden Schäden meist erst entdeckt, wenn sie schon offensichtlich sind. Bei den turnusmäßigen Bauwerksüberprüfungen - alle paar Jahre - können die Experten eben nur äußerliche Defekte sehen. "Man sieht dabei aber nicht, wie es der Brücke innen geht. In den Beton reinschauen können wir ja nicht", sagt Freundt.

An deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gibt es mehr als 39.000 Brücken. Rund 13 Prozent der Brückenfläche ist nach Angaben der Bundesregierung in "nicht ausreichendem" oder sogar "ungenügendem" Zustand. Viele dieser Überwege entstanden in den 1960er- bis 80er-Jahren. Die jahrzehntelange Dauerbelastung mit tonnenschweren Sattelschleppern hat Spuren hinterlassen. "Damals war auch noch nicht vorherzusehen, wie sich der Verkehr einmal entwickelt", sagt Böning.

Die intelligente Brücke hat rund elf Millionen Euro gekostet, sie gehört zum sogenannten Digitalen Testfeld Autobahn des Bundesverkehrsministeriums Die intelligente Brücke hat rund elf Millionen Euro gekostet, sie gehört zum sogenannten Digitalen Testfeld Autobahn des Bundesverkehrsministeriums Quelle: dpa/picture-alliance

Zahlreiche Sensoren im Beton

Außerdem herrschte früher eher das Bau-Prinzip "leicht und preiswert". Auch der Vorgänger der modernen Nürnberger Autobahnbrücke wurde mit einer Art von Stahl gebaut, der anfällig für Materialermüdung ist. Da niemand wusste, wie lang das Bauwerk noch hält, musste der 156 Meter lange "intelligente" Neubau her.

Und der hat es in sich: Im Beton, an zwei Brückenlagern sowie an der sogenannten Dehnfuge sind zahlreiche Sensoren eingebaut. Eine solche Fuge hat jede Brücke - denn durch Temperatur und Belastung bewegt sich das Bauwerk und dafür muss Platz sein. Rund 40 Sensoren sind allein hier angeschlossen. Sie erkennen auf beiden Spuren die Fahrzeuge, die darüber rollen, und messen deren Geschwindigkeit, Achszahl und Gewicht.

Angeschlossen sind sie an einen Rechner im Innern der Brücke, der die Daten digitalisiert und speichert. Noch müssen die Informationen dort abgeholt werden. "Bis zum Ende des Jahres wollen wir eine Internetverbindung haben, um extern auf die Daten zugreifen zu können", sagt Christiane Butz von der Maurer AG.

Intelligente Autobahnbrücke bei Nürnberg: Jede Fahrt über die Dehnungsfuge generiert Daten, mit denen die Brücke unter anderem ihren eigenen Zustand ermittelt Intelligente Autobahnbrücke bei Nürnberg: Jede Fahrt über die Dehnungsfuge generiert Daten, mit denen die Brücke unter anderem ihren eigenen Zustand ermittelt Quelle: dpa/picture-alliance

Auswirkungen des Klimas auf die Brücke

Auch an zwei Lagern auf einem Pfeiler, auf denen die Brücke aufliegt, wird gemessen: Und zwar die Lasten sowie Verdrehungen und Verschiebungen. Neben der Firma Maurer und dem Ingenieurbüro Freundt sind auch die Universität der Bundeswehr in München sowie die Uni Lübeck für die Forschung an der Brücke verantwortlich.

Die Wissenschaftler aus Lübeck wollen unter anderem ein drahtloses Überwachungssystem entwickeln. Zudem beobachten sie die Auswirkungen des Klimas auf die Brücke und die Entwicklung von Mikro-Rissen im Bauwerk. "Durch die verschiedenen Systeme, die in der Brücke verbaut sind, können wir uns bei den Ergebnissen ergänzen", sagt Butz.

Fünf Jahre soll das Projekt nun laufen. Die Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden, sollen helfen, "die Ära der digitalen Infrastruktur einzuleiten" - oder einfach, künftig noch bessere Brücken zu bauen.

 

Quelle: dpa

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