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BMW 535i: Alles muss raus! Eisenschwein vs. 1,6 Tonnen

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Liegt es wirklich nur an der Verwandtschaft zum BMW M1-Aggregat, warum der M30-Motor zu den großartigsten Triebwerken zählt? Ein 1.620 Kilogramm schwerer BMW 535i gibt Antworten.

Alles Muss Raus! Besser gesagt: Es hatte alles raus sollen. Weg mit Rückbank, Türpappen und Klimaanlage, statt des Schiebedachs ein dünnes Blech - alles einkalkulierte Arbeiten, als die Suche nach einem neuen alten Auto folgende Parameter beinhaltete: BMW, Schaltgetriebe, Benziner, über 150 PS, maximal 3.000 Euro. Seine Zukunft: regelmäßige Ausflüge zur Nordschleife sowie sonntagnachmittägliches Driften auf bewässerten Provinz-Flugplätzen.

Die Unantastbarkeit der Youngtimer-Würde

Selbst als zwischen unzähligen, meist prolligen und porösen E36 der in schüchternem Sterlingsilber lackierte BMW 535i mit robustem M30-Sechszylinder in B35-Ausprägung auftaucht, blieb es bei dem Plan. Die Argumente dafür: manuelles Getriebe und Sonderausstattung 209 - Sperrdifferenzial mit 25 Prozent Sperrwirkung für 980 Mark. Standort: gleich um die Ecke. Der auf den Bildern erkennbare, trotz drei Vorbesitzern und über 180.000 Kilometer Laufleistung offenbar makellose Originalzustand irritierte leicht.

Beim Besichtigungstermin treten bei dem BMW 535i bestimmt genug Mängel auf, die den Umbau zum kostengünstigen Motorsport-Spielzeug rechtfertigen - taten sie nicht, abgesehen von den müden Stoßdämpfern und den steinalten TRX-Reifen auf den ab Werk unverschämt teuren Schmiede-Leichtmetallrädern. Stattdessen appellierten die rostfreie Karosserie, die voll funktionsfähige Bordelektronik sowie das nicht durch ein Bling-Bling-MP3-AUX-USB-Bluetooth-Radio ersetzte Kassettendeck Bavaria C Business an die Unantastbarkeit der Youngtimer-Würde.

Im BMW 535i begeistert der Turbinenmotor M30

Dabei hätte der Antrieb des BMW 535i sicher alle geplanten Faxen mitgemacht, denn aufgrund seiner Geschichte steckt im massiven Graugussblock weit mehr Motorsport-Erfahrung, als sein neuer Besitzer je wird sammeln können. Mitte der Siebziger ließ er sich mittels Vierventiltechnik und Turboaufladung 800 PS entlocken, um auf der Rundstrecke die Porsche 935-Flotte zu ärgern. Kurz darauf steckte das leicht modifizierte Triebwerk mit rund 50 Zusatz-PS nicht mehr in der barocken E9-Coupé-Karosse, sondern im ultramodernen BMW M1. Dessen Straßenversion mit mechanischer Kugelfischer-Einspritzung leistete 286 PS und wartet bis heute auf einen legitimen Nachfolger.

Die Karriere des M30 begann jedoch zu einer Zeit, als selbst Telefone mit Kabel noch nicht jedem Bundesbürger vergönnt waren. 1968 trat die Baureihe E3 die Nachfolge des Barockengels mit V8-Motor an, ausgerüstet mit einem Reihensechszylinder, der aus 2,5 Liter-Hubraum 150 PS schöpfte und sich vom M10-Vierzylinder ableitete. Erst im August 1992 sollte die Ära des M30 mit dem letzten gebauten BMW 535i enden. Ironie des Schicksals: Er wurde von einem Achtzylinder abgelöst.

Dazwischen tummelt sich eine Fülle von Variationen, mal mit mehr Hub und weniger Bohrung oder umgekehrt, mal mit Vergaser, dann mit Einspritzung - zunächst mechanisch, dann elektronisch. Im BMW 535i diktiert eine Bosch Motronic den Arbeitsrhythmus, ein Dreiwege-Katalysator drosselt die Leistung von zuvor 218 auf 211 PS.

Perfekt zu schaltendes Getriebe

Schwingt die Motorhaube des BMW 535i nach vorne auf, stolpert der Blick über das hervorquellende Sammelrohr, das ein wenig an eine Jagdtrophäe erinnert und überhaupt nicht mit der noch heute modernen Linie des Fünfers harmonieren will. Gut, dass der Deckel meist geschlossen bleibt. Die wahren Schmankerl stecken ohnehin viel tiefer unter dem Ansauggeweih. Dort rotiert eine siebenfach gelagerte Kurbelwelle mit je einer Lagerung pro Zylinder. Zudem bekam jedes Pleuel ein Gegengewicht, was endgültig jene gleichmäßige und leichtfüssige Leistungsentfaltung zur Folge hatte, für die Motorredakteuren bis heute nur ein Adjektiv einfällt: turbinenartig.

Einzig bei 4.000 Umdrehungen, wenn jedes der verfügbaren 305 Newtonmeter zur Arbeit angetreten ist, spürt man einen leichten Leistungsschub, der bis zum Begrenzer bei 6.200/min anhält. Die rechte Hand liegt schon bereit, um den nächsten der fünf Gänge einzulegen. Noch immer rotieren selbst in modernen Schaltgetrieben die Zahnräder vor Neid angesichts der Leichtigkeit und Präzision, mit der die Gangwechsel vonstattengehen - so leicht, wie sich Michael Schanze einst durch die Kindersendung 1, 2 oder 3 ploppte. Im letzten Gang erreicht der BMW 535i seine Endgeschwindigkeit von 237 km/h, denn Anfang der Neunziger waren BMW-Modelle vor allem dynamic und kaum efficient - und der sechste Gang spukte zusammen mit Transrapid und Allianz-Arena durch die Köpfe bayerischer Futuristen.

Der kräftige Reihensechser kann das hohe Gewicht nicht kaschieren

Ebenso leichtgängig: die Lenkung des BMW 535i. Hier täte etwas mehr Härte gut, wenngleich das müde Ansprechen aus der Mittellage weit mehr stört. Aber warum? Schließlich reift der E34 doch gerade zum Klassiker. Ja schon, doch er benimmt sich ansonsten sehr zeitgemäß. Vor allem die perfekte Sitzposition, die unmissverständlichen Instrumente und die gute Übersicht verdeutlichen, warum noch heute viele BMW E34 im Alltag genutzt werden.

M30-Varianten befinden sich allerdings nur wenige darunter, obwohl die wenig ausgefallene Motorkonstruktion als derart robust gilt, dass sie unter Fans nunmehr auf "Eisenschwein" hört. Die geringe Stückzahl sowie die Trinksitten auf Oktoberfest-Niveau lassen jedoch für viele BMW-Liebhaber den BMW 525i 24V attraktiver erscheinen, zumal ihn seine Fahrleistungen dem 3,5-Liter dicht auf das kastige Heck aufrücken lassen.

Doch nur der M30 klingt niedertourig bassig wie Nebel im Wehrseifen und hochtourig heiser wie Sonne auf der Döttinger Höhe. War der BMW 535i etwa? Ja, war er. Einmal. Dank eines neuen Fahrwerks ließ er sich von der Grünen Hölle keinen Schrecken einjagen. Sein stattliches Gewicht von über 1,6 Tonnen drückte jedoch bei jedem Einlenken und beim langen Aufstieg vom Bergwerk über Klostertal zur Hohen Acht auf das Temperament. Wacker kämpfte der Sechszylinder dagegen an, allerdings mit überschaubarem Erfolg. Nach einigen Runden war klar: Alles muss raus. Eigentlich.

 

Quelle: Motor Klassik

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