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Motorkultur

Am Straßenrand: Mercedes 450 SEL Crayford

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Das man beim Schlendern über den Parkplatz des Berliner Meilenwerks auf interessante Fahrzeuge stößt ist kein Geheimnis. Das man aber manchmal wirklich zweimal hinschauen muss, kommt in der Regel nicht so oft vor. An einem dieser kühlen Herbstage entdeckte ich diese, an sich völlig normale, alte S-Klasse der W116er Baureihe, nur die Dachreling störte das "normale Erscheinungsbild". Eine Dachreling bei einer S-Tonne? Da stimmt doch was nicht... also Karre abstellen, ranschleichen und dem Wagen etwas mehr Aufmerksamkeit schenken und siehe da, es handelt sich um einen der äußerst seltenen...

Kombiumbauten der britischen Karosserieschmiede Crayford Auto Developments Ltd. Die Firma Crayford wurde 1962 von David McMullan und Jeffrey Smith gegründet und hat als erstes Projekt einem Mini (später ca. 800) das Dach abgesägt und Cabrios in Kleinserie hergestellt. In den 70ern und 80ern machte sich das Unternehmen auch mit diversen anderen Cabrioumbauten einen Namen. So entstanden beispielsweise u.a. Cabriovarianten auf Basis des VW Scirocco I (Crayford Tempest), des Audi 100, des Opel Commodore, Rekord und Manta um nur einige zu nennen. Interessanterweise erfolgten die Umbauten der deutschen Hersteller (Opel und co) durch die in Köln beheimatete Karosserieschmiede Karl Deutsch für Crayford.

Die Kombiumbauten betreffen nicht nur Mercedes der Baureihen W116 (S-Klasse) und W115 (/8), sondern auch Audi 100 und Triumph TR-7, sowie des Rover P6.

Was also in der heutigen Zeit der sauteure Audi RS6 ist, war zu der damaligen Zeit der Mercedes 450 SEL Crayford! Einen größeren und komfortableren Kombi gab es praktisch nicht, die dicken Stationwagons der amerikanischen Hersteller mal ausgenommen. Die Autos wurden im Grunde ab der B-Säule neu aufgebaut und laut Gerüchteküche sollen die Heckklappen vom Ford Granada entnommen und angepasst sein. Man darf auch nicht den Aufwand vergessen der im Innenraum betrieben wurde. Die Sitze sind umklappbar und die Qualität entsprach der Serienreife. Mercedes übernahm sogar die komplette Garantie für Crayford-Umbauten. Nur wenige Fahrzeuge haben es überhaupt auf die Straße geschafft, da nur auf Bestellung produziert wurde und die Umbaukosten für die damalige Zeit utopisch waren. Zum Vergleich: Der Umbau des hier gezeigten 450 SEL Crayford Estate (vorgestellt auf der London Motor Show) kostete 1976 satte 16,550 Pfund (ca. 50.000 DM - Für alle Checkerkids: Die Deutsche Mark war unsere Währung vor dem Euro...), während ein Ferrari 308 mit gerade mal 11.251 Pfund zu Buche schlug. Es ist einer von nur einer handvoll weltweit, die mittlerweile oft aus den USA zu Restaurationszwecken nach Deutschland kommen.

 

Mitte der achtziger Jahre gab Crayford sämtliche Umbau-Aktivitäten auf. Das Unternehmen existiert weiterhin und widmet sich dem Bau von ATVs, Booten und Spezialfahrzeugen für besondere Zwecke (für Rettungsdienste, Feuerwehr und dergleichen). Letztendlich stellt sich für mich nicht die Frage ob Audi RS6 oder Mercedes 450 SEL Estate, denn eine Sofia Loren kann nicht falsch gelegen haben, als sie sich ihren W116 Estate bestellte.

 

 

Quelle: Motoraver Magazin

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