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Neue Studien: Verluste aus Pkw-Maut? - "Schäuble muss nachrechnen"

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Lohnt der Aufwand oder lohnt er nicht? Wie viel die Pkw-Maut am Ende einbringt, bleibt heftig umstritten. Zwei Analysen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Wo geht es zur Maut? Besonders geradlinig veräluft der Weg nicht. Eine neue Studie prophezeit dem Staat Verluste. Die SPD fordert: Schäuble muss nachrechnen Wo geht es zur Maut? Besonders geradlinig veräluft der Weg nicht. Eine neue Studie prophezeit dem Staat Verluste. Die SPD fordert: Schäuble muss nachrechnen Quelle: dpa/picture-alliance

Berlin - Lohnt sich die von der CSU durchgesetzte Pkw-Maut überhaupt oder droht dem deutschen Staat ein Minusgeschäft? Letzteres phrophezeit eine neue Studie, die der ADAC in Auftrag gegeben hatte.

Angesichts der Systemkosten entstehe bereits im laufenden Betrieb ein Defizit von 71 Millionen Euro, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Berechnung des renommierten Verkehrswissenschaftlers Ralf Ratzenberger. Zeitgleich legte das Bundesverkehrsministerium ein neues Gutachten vor. Demnach könnten die Maut-Einnahmen sogar um bis zu 25 Prozent höher ausfallen als prognostiziert.

Ressortchef Alexander Dobrindt (CSU) verspricht, dass unter dem Strich mehr als 500 Millionen Euro für Straßen-Investitionen übrig bleiben sollen. Nur: Kann er das noch? Nach den Verhandlungen mit der EU-Kommission muss Dobrindt Autofahrern einen Nachlass gewähren, deren Auto die Euro-6-Schadstoffnorm erfüllt. Da praktisch nur noch solche Autos neu zugelassen werden, steigt deren Anteil stetig an. Damit steigt auch das Defizit.

Das Bundeskabinett hatte die Änderungen Ende Januar auf den Weg gebracht. Demnach rechnet die Regierung durch die Euro-6-Regelung mit jährlich 100 Millionen Euro zusätzlichen Kosten. Starten soll die Maut 2019.

Unterdeckung schon 2019

In Ratzenbergers Studie heißt es, nach Abzug der Entlastung bei der Kfz-Steuer blieben vom Maut-Aufkommen 139 Millionen Euro übrig. Dies sei weniger als die Systemkosten von jährlich rund 211 Millionen Euro. "Somit weist bereits der laufende Betrieb ein Defizit in Höhe von 71 Millionen Euro auf", schreibt der Verkehrswissenschaftler.

Das ist aber nicht alles. Der bürokratische Aufwand führt zu hohen Einführungskosten, die vom Ministerium in einer früheren Prognose auf 380 Millionen Euro beziffert worden seien. Lege man dies auf fünf Jahre um, ergebe sich für das angepeilte Startjahr der Maut 2019 insgesamt eine "Unterdeckung" von 147 Millionen Euro.

Ratzenberger geht außerdem von weniger mautpflichtigen Pkws aus dem Ausland auf deutschen Autobahnen aus - nämlich nur von 7,8 Millionen pro Jahr, während die Ministeriumsprognose 19,2 Millionen ansetzt. Insgesamt seien von Pkws aus dem Ausland Brutto-Einnahmen von nur 276 Millionen Euro statt der kalkulierten 878 Millionen Euro zu erwarten.

Minister: Maut sorgt für Gerechtigkeit

Dobrindt verteidigte seine Einnahmeprognose als "solide und konservativ gerechnet" und griff den ADAC an. "Mit seiner Anti-Maut-Polemik vertritt der ADAC nicht die Interessen der Autofahrer in Deutschland." Die Maut sorge erstmals für Gerechtigkeit auf deutschen Straßen. Der Wechsel zu einer stärkeren Nutzerfinanzierung sichere langfristig die Finanzierung der Infrastruktur, sagte Dobrindt.

Das Gutachten für das Ministerium kommt zu dem Schluss, die Prognose weise "die Tendenz auf, die Mauteinnahmen zwischen 10 Prozent und 25 Prozent zu unterschätzen." Gutachter Wolfgang Schulz verweist auf einen größeren Anteil von Diesel-Autos, die mehr Maut kosten sollen als Benziner.

Zudem würden die zugrundeliegenden Annahmen stets konservativ gehalten. Hinzu komme ein Sicherheitsabschlag bei den Brutto-Einnahmen von Pkw aus dem Ausland von pauschal fünf Prozent. Schulz war vom Ministerium beauftragt worden, die Plausibilität der Prognose zu überprüfen.

Hat das Gesetz noch eine Chance?

Ob die Änderungen an der Maut es noch vor der Bundestagswahl im Herbst durch den Bundestag schaffen, erscheint fraglich. Die Regierungspartei SPD verlangt zuerst Klarheit über den finanziellen Nutzen der Maut: "Das Gutachten-Wirrwarr muss ein Ende haben", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sören Bartol. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble müsse nachrechnen, ob das Vorhaben wirklich zusätzliche Einnahmen bringe. "Die CSU-Maut darf nicht zum Selbstzweck werden."

Die Opposition hat die Maut ohnehin abgelehnt und sieht sich bestätigt: "Die Studie des ADAC stützt meine Befürchtung, dass die Maut nicht nur ein politisches, sondern auch ein ökonomisches Desaster ist", sagte der Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens. Auch die Grünen fordern, das Vorhaben aufzugeben. Die Studie zeige erneut, das Projekt von Verkehrsminister Alexander Dobrindt "ein millionenteures Zuschussgeschäft für Staat und Steuerzahler werde", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Wenn schon Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kein Machtwort gegen den "Maut-Irrsinn" spreche, müsste die SPD die Maut in Bundesrat und Bundestag stoppen.

Hintergrund: Das steht im Maut-Kompromiss zwischen Dobrindt und der EU

Quelle: dpa

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