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Fiat streicht Milliarden-Investition - "Fabrik Italien" ist gestorben

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Fiat zieht Investitionszusagen in Höhe von 20 Milliarden zurück: Dicke Luft zwischen dem Staat, dem Konzern und den Gewerkschaften. Und: Ein Tal der Tränen für Italiens marode Wirtschaft.

Marchionne, Jeep Grand Cherokee Marchionne, Jeep Grand Cherokee Fiats Vorstandschef Chef Sergio Marchionne hat es nicht leicht – oder geht nie den leichten Weg? Erst füllte er mit einer kuriosen Rabatt-Debatte das Sommerloch, jetzt ist er der Buhmann Italiens. Der Grund: Fiat hat dieser Tage ein Investitionsprogramm kassiert. Der europäische Markt schwächelt, deshalb wird Fiat in Italien deutlich weniger investieren als geplant.

Das ist nachvollziehbar – mit einem zehnprozentigen Minus gegenüber 2011 steht Fiat zwar besser da als viele Konkurrenten, aber: Ohne die US-Tochter Chrysler würde Italiens einziger Automobilkonzern 2012 ein gewaltiges Minus einfahren. Klar, dass Marchionne da lieber in den USA und im Wachstumsmarkt China investiert.

20 Milliarden Tarifargumente

Der Punto muss noch bis 2014 durchhalten Der Punto muss noch bis 2014 durchhalten Das Problem: Für Italien war Fiats Investitionsprogramm ein Symbol der Hoffnung. "Fabbrica Italia" ("Fabrik Italien") sah, zwischen 2010 und 2014, Investitionen von 20 Milliarden Euro in die italienische Automobilproduktion vor. Marchionne sprach damals von Italien als dem strategischen Zentrum für Produktion, Investitionen und Export.

Balsam für die Seele des industriellen Italien – im Land arbeiten nur noch etwa 170.200 Menschen in der Automobilindustrie. Für Marchionne aber nicht nur Balsam, sondern auch harte Währung: Die Aussicht auf üppige Fiat-Investitionen half, den italienischen Gewerkschaften so manches Zugeständnis abzutrotzen. Die fühlen sich nun verraten: Noch im März 2011 trugen sie einen für sie ungünstigen Tarifvertrag mit, in Erwartung von "Fabbrica Italia".

Nach wie vor ist Fiat der größte private Arbeitgeber in Italien – und bereute die Investitionszusage schnell. Bereits im Oktober 2011 beschloss Fiat, den Begriff "Fabbrica Italia" nicht mehr zu verwenden. Jetzt, ein Jahr später, der endgültige Rückzug: "Seit der Ankündigung von Fabbrica Italia haben sich die Dinge grundlegend verändert“, ließ Fiat mitteilen. Ein multinationales Unternehmen müsse seine Entscheidungen rational treffen.

Und überhaupt hat man das mit den 20 Milliarden scheinbar nicht so richtig wörtlich gemeint: Der Plan sei vor allem dazu gedacht gewesen, die Belegschaft zu motivieren.

Fiat-Werk Mirafiori Fiat-Werk Mirafiori

Verliert Italien die Hoffnung?

Damit ist das Symbol der Hoffnung zerfallen – für all die, die im Krisenland am Mittelmeer auf einen warmen Regen aus Modernisierung, Jobs und Wachstumsimpulsen gehofft hatten. Italiens Bruttoinlandsprodukt fällt seit Jahresbeginn kontinuierlich, für 2013 werden 13 Prozent Arbeitslosigkeit erwartet. Die Gewerkschaft Fiom-Cgil fordert deshalb einen nationalen Krisengipfel. Andernfalls könne das System implodieren, sagt der Gewerkschaftsführer Maurizio Landini.

Nein, Sergio Marchionne hat es wirklich nicht leicht. Die Einschnitte sind tief: Kein neuer Punto vor 2014. Keine Investitionen in die Fiat- und Jeep-Produktion in Mirafiori. Stattdessen: Eine neue Fabrik in China. Die Interessen des zum Wachsen verurteilten Fiat-Konzerns und der kränkelnden italienischen Volkswirtschaft passen zurzeit einfach nicht zusammen.

Quelle: Financial Times Deutschland

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