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Fahrt im 500-PS-Dragster - … dann drücken 500 PS Deinen Kopf nach hinten

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Was ist dran, am Kult-Sport Dragster-Rennen? Wir haben es ausprobiert und sind 402 Meter in knapp zehn Sekunden gefahren. Unsere Erlebnisse lest Ihr hier.

500 PS auf 680 Kilogramm Leergewicht: Eine Fahrt im Baby-Dragster 500 PS auf 680 Kilogramm Leergewicht: Eine Fahrt im Baby-Dragster Quelle: moparmedia

Las Vegas – Amis können doofe deutsche Sätze so wunderbar cool klingen lassen. Sagt eine Frau zu Dir: "Du siehst aus wie eine 4", dann fällt die Kinnlade erstmal runter. Sagt Dragster-Profi und Fahrlehrer Doug Foley: „You look a number four kinda guy" und zeigt auf die letzten beiden Autos, dann schwingen die Mundwinkel der Nummer 4 gen Öhrchen.

Acht Dragster parken in Zweierreihen neben der Beschleunigungsstrecke am Las Vegas Speedway. Ich sehe so aus, als könnte mir die Nummer vier, ganz hinten links, passen. Ein Dragster für große Jungs. Sitz, Lenkrad, Pedale, nichts davon lässt sich verstellen. Entweder er passt, oder ich passe.

Foley sieht aus wie David Hasselhoff in Blond. Eben hat er mir das Nötigste für die Fahrt im Dragster erklärt. 20 Minuten für ein paar 100 Yards. Welche Handzeichen „Burn-out!“ und „Visier zu!“ bedeuten, wie die Ampel funktioniert, bis wohin ich fahren darf und dass ich auf keinen Fall das Lenkrad verreißen soll. Auf gar keinen Fall.

MOTOR-TALK Redakteur Constantin Bergander im Fahrschul-Dragster MOTOR-TALK Redakteur Constantin Bergander im Fahrschul-Dragster Quelle: moparmedia

Nacktes Blech und 500 PS

„Dragsters are easy to drive“, fasst Foley zusammen. Einfach zu fahren, aha. Gut, es geht ja nur geradeaus. „I’ve run 328 miles down that runway but I wouldn’t ride a rollercoster“, scherzt mein Lehrer. In eine Achterbahn würde er nicht einsteigen, aber auf dem Dragstrip war er schon fast 530 km/h schnell. So schnell fährt nur die Königsklasse mit 10.000 PS.

Mein Dragster ist ein Einstiegsmodell. Ohne Wheelie-Bar, Heckspoiler, Bremsfallschirm und Kompressor. Ein 6,6-Liter-Vergaser-V8 hinter der Fahrerkabine leistet 500 PS. Ziemlich mager, verglichen mit der Profi-Klasse. Ganz schön viel für 680 Kilogramm Leergewicht: Er beschleunigt in 2,5 Sekunden aus dem Stand auf 60 Meilen pro Stunde (96 km/h) – etwa so schnell wie ein Bugatti Veyron.

Ich stelle beide Füße auf die "Sitzfläche" und lasse mich auf den Boden plumpsen. Elegant kann man in einen Dragster nicht einsteigen. Mein Helm versinkt im Cockpit. Ein Dragster für sehr große Jungs. Dicke Stahlrohre sollen mich beschützen, falls das mit dem Lenkrad schief geht. Foley zurrt den Fünfpunkt-Gurt fest, hilft mir in die Handschuhe und startet den V8.

Wie ein großer Dragster, nur schwächer und langsamer

Das ist Sparta: Nur das Nötigste ist an Bord Das ist Sparta: Nur das Nötigste ist an Bord Quelle: moparmedia Es gibt keine Polster, aber immerhin Platz. Mein Hintern rutscht über kalten Kunststoff. Ich halte ein paar Gramm Aluminium in den Händen, mit denen ich den Dragster steuern soll. „Butterfly“ nennen die Profis diese Art von Lenkrad. Die Kippschalter im Armaturenbrett darf ich nicht anfassen. Sie steuern Anlasser, Zündung, Spritpumpe und Wasserkühlung.

Meine Handschuhe riechen nach Schweiß vom Vorgänger. Hinter mir brabbelt der Motor mit ungleichmäßigem Bass aus acht kurzen Krümmer-Rohren. Foleys Team lotst mich im großen Bogen durch eine Wasserpfütze auf die Strecke. Der Chef selbst dirigiert: Er hebt beide Arme, klappt die linke Hand hoch und die rechte runter. Burnout! Ich ahme die Bewegung mit meinen Füßen nach. Die nassen Slicks an meiner Hinterachse drehen durch, eine Sekunde, zwei Sekunden, dann greifen sie wieder. Ich gehe vom Gas und lasse Nummer 4 zur Startlinie rollen.

Es ist Nacht in Las Vegas. Flutlichter erleuchten den klebrigen Asphalt. 402 Meter vor mir steht eine riesige Anzeigetafel. Sie markiert die Ziellinie. Mein Dragster kann sie in weniger als zehn Sekunden erreichen. Bis ich so lange Vollgas geben darf, muss ich Foley aber erst von meinem Können überzeugen. Zwei Probeläufe liegen zwischen mir und meinem ersten echten Viertelmeilen-Rennen. Der erste dauert vier Sekunden, der zweite kaum länger. Mein Dragster wird 130, beim zweiten Versuch 160 km/h schnell.

402 Meter in 9,51 Sekunden

Foley lotst mich ein letztes Mal an die Startlinie. Die Lichtschranke erkennt meine Vorderräder. An der Ampel, dem „Christmas Tree“, leuchten zwei gelbe Lampen auf. Foley zieht sich zurück. Mehr gelbe Lichter, dann ein grünes. Vollgas! Die Drosselklappen schwenken auf, ein Spritgemisch aus 112 und 94 Oktan nebelt in das Saugrohr. Kein Quietschen, kein Rutschen, nur Gebrüll aus acht Rohren. Die Hinterreifen greifen, mein Helm schlägt an die Lehne. Nach zwei Sekunden schaltet die Automatik in den zweiten Gang. Der V8 schiebt mich mit Gewalt über die Piste, ich korrigiere minimal nach rechts und links.

Das Lenkrad nennen Dragster-Fahrer "Butterfly" Das Lenkrad nennen Dragster-Fahrer "Butterfly" Quelle: moparmedia Ohne Dämmung, Dach und Tacho fühlt sich die Beschleunigung noch schneller an. Der Fahrtwind pfeift durch den Schlitz unter meinem Visier. Jede Bewegung zur Seite macht mich nervös, die Betonwand rechts erscheint mir zu nah. Ich bleibe auf dem Pedal, die Beschleunigung reißt bis zum Schluss nicht ab. Nach 9,51 Sekunden passiere ich die Anzeigetafel. Bei Tempo 230 nehme ich den Fuß vom Gas. Mein Dragster rollt aus.

Natürlich bin ich in meinem Leben schon schneller gefahren, auch offen. Aber ich hatte immer eine richtige Windschutzscheibe vor der Nase. Absolut klingen 230 km/h lahm. Nach 400 Metern und neuneinhalb Sekunden aber verdammt geil. Denn über Zehn-Sekunden-Autos kann ich jetzt nur noch schmunzeln.

Ein legales Ampelduell

Von außen wirken Dragster-Rennen austauschbar. Laut und schnell, ja. Aber kurzweilig. Trotzdem werden sich die meisten hier schon gefragt haben, ob der Ampelnachbar das schnellere oder langsamere Auto fährt. Vielleicht hat es sogar jemand ausprobiert. Genau darum geht es, bloß mit viel mehr Leistung und ohne Gegenverkehr.

Avatar von SerialChilla
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