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Wer auffährt hat Schuld?

Themenstarteram 28. Mai 2008 um 8:54

Wenn's hinten kracht, gibt's vorne Geld! - Das war einmal!

 

Inzwischen schauen viele Gerichte genauer hin, wenn es darum geht, daß ein Autofahrer ohne ersichtlichen Grund eine Vollbremsung vollzieht.

 

Das hat das Kammergericht Berlin hat in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil vom 10. September 2007 entschieden (Az.: 22 U 224/06).

 

Der Auffahrende verlangte von dem Versicherer des Vorausfahrenden den vollständigen Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Nach Meinung des Auffahrenden war es zu dem Unfall nur gekommen, weil der Vorausfahrende ohne jeglichen Grund gebremst hatte.

 

Der Klage wurde in vollem Umfang statt gegeben, denn die Richter sahen keinen Grund für eine Vollbremsung. Der Kläger mußte nicht damit rechnen, daß der Vorausfahrende plötzlich und ohne erkennbaren Grund anhalten würde. Die Richter zeigten sich überzeugt davon, dass der Beklage den Unfall durch sein in jeder Hinsicht verkehrswidriges Verhalten alleine verursacht und in vollem Umfang für dessen Folgen einzustehen hat.

 

Ich denke, das wird viele hier interessieren und einigen auch die "Augen öffnen".

 

 

Beste Antwort im Thema

Hinter dem "Wer auffährt hat immer Schuld" verbirgt sich eine zivilrechtliche Beweistheorie, der sog. Anscheinsbeweis.

 

Weil das Auffahren typischerweise vermuten lässt, dass der Auffahrende unaufmerksam war, kann man davon ausgehen, dass er den Unfall verschuldet hat.

 

Der Beweis des ersten Anscheins spricht also gegen den Auffahrenden.

 

Dieser kann aber den Beweis erschüttern, wenn er nachweist, dass das Verschulden des Vordermannes überwiegt, zum Beispiel, wenn dieser vollkommen grundlos gebremst hat.

 

Tatsächlich ist dies aber fast unmöglich, weil es fast immer eine Verkehrssituation gibt, die dem Vordermann erlaubt zu bremsen.

 

Das Problem an der ganzen Sache ist, dass inzwischen fast jeder dritte Schlaumeier, der gepennt hat oder einfach den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat und dem Vordermann aufgefahren ist, sich versucht herauszureden und ersteinmal angibt, dass der Vordermann grundlos gebremst hat.

 

Oft geht es dabei aber nur um die Rettung der eigenen Prozente.

 

Ich persönlich finde das in hohem Maße unsympathisch, denn es führt dazu, dass der Versicherer den Schaden nicht gleich regulieren kann, sondern Ermittlungsakten, Zeugen usw. abwarten muss. Er ist ja verpflichtet, unberechtigte Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer abzuwehren.

 

Folge: die ganze Sache dauert Wochen oder Monate lang, Geschädigte sind verärgert, gehen zum Anwalt, und die Kosten steigen und steigen.

 

Meistens kommt am Ende doch eine 100%ige Haftung heraus, so dass man den Schaden voll regulieren muss und dies schon vor Wochen hätte tun können, wenn der Schuldige dies gleich zugegeben hätte.

 

Am Ende zahlen wir alle die Zeche.

 

Also: wer auf dem platten Land, rechts und links keine Menschenseele und vor allem kein drittes Auto in Sicht, keine Ampel und Kreisverkehr, dem Vordermann auffährt, weil dieser bei 100km/h mit quietschenden Reifen zum Stillstand bremst, der soll das auch so melden.

 

Wenn aber vielleicht doch ein spielendes Kind 5 Meter neben der Fahrbahn war oder eine Ampel umsprang oder oder oder, der sollte sich über seine Unaufmerksamkeit ärgern und die Verantwortung übernehmen.

Er könnte morgen schon selbst der Geschädigte sein.

Amen.

 

Gruß

Hafi

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11 Antworten
am 28. Mai 2008 um 9:07

es bleibt zwar nur EIN urteil aber aehnliches ist doch auch schon WEIT vor 9/07 entschieden worden?

vollbremsung und "ohne" grund duerfte eh selten vorkommen ?

auch wenn ich damit nicht sagen will das IMMER der auffahrende die alleinschuld hat.

Harry

am 28. Mai 2008 um 9:12

@Harry999

Doch, solche Iditoten gibt es genug.

Ich bin am frühen Abend mal hinter jemanden hergefahren, Ortausfahrt 60 Zone.

Auf einmal geht er ohne Vorwarnung voll auf die Bremse. Ich lege hinter ihm ebenfalls eine Vollbremsung hin. Noch war ich ruhig, da ich dachte, dass ihm vielleicht irgendwas vors Auto gelaufen ist. 2 Sek. später, als er sieht, dass ich mich nicht rege, macht er den Blinker rechts an. Ich dachte ich guck nicht richtig. Er wollte halten. Als ich dann an ihm vorbei gefahren bin, setzt er den Blinker links und wendet. Am liebsten hätte ich ihn aus seinem Wagen gezogen.

Themenstarteram 28. Mai 2008 um 9:21

@Harry999

Richtig, das gab es auch schon in der Vergangenheit. Nur macht es einen erheblichen Unterschied, welches Gericht ein derartiges Urteil fällt.

 

Eigentlich wollte ich hier nur aufzeigen, daß sich auch in der Rechtsprechung langsam aber sicher die Meinungen ändern. Leider werden immer noch viele berechtigte Ansprüche mit dem lapidaren Hinweise "Wer auffährt hat Schuld" von Versicherern abgewimmelt.

am 28. Mai 2008 um 9:29

Zitat:

Original geschrieben von SAT-Locator

"Wer auffährt hat Schuld" von Versicherern abgewimmelt.

das wäre auch ZU einfach (wenn auch oft so richterlich gewuerdigt).

eine teilschuld sehe ich aus meinem rechtsempfinden (was nix heisst) schon.

der post haette auch perfekt in eine kuerzlich gestellte frage, in der du auch geantwortet hast, gepasst ?

(der auffahrunfall mit 3-4 beteiligten)

Harry

Hinter dem "Wer auffährt hat immer Schuld" verbirgt sich eine zivilrechtliche Beweistheorie, der sog. Anscheinsbeweis.

 

Weil das Auffahren typischerweise vermuten lässt, dass der Auffahrende unaufmerksam war, kann man davon ausgehen, dass er den Unfall verschuldet hat.

 

Der Beweis des ersten Anscheins spricht also gegen den Auffahrenden.

 

Dieser kann aber den Beweis erschüttern, wenn er nachweist, dass das Verschulden des Vordermannes überwiegt, zum Beispiel, wenn dieser vollkommen grundlos gebremst hat.

 

Tatsächlich ist dies aber fast unmöglich, weil es fast immer eine Verkehrssituation gibt, die dem Vordermann erlaubt zu bremsen.

 

Das Problem an der ganzen Sache ist, dass inzwischen fast jeder dritte Schlaumeier, der gepennt hat oder einfach den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat und dem Vordermann aufgefahren ist, sich versucht herauszureden und ersteinmal angibt, dass der Vordermann grundlos gebremst hat.

 

Oft geht es dabei aber nur um die Rettung der eigenen Prozente.

 

Ich persönlich finde das in hohem Maße unsympathisch, denn es führt dazu, dass der Versicherer den Schaden nicht gleich regulieren kann, sondern Ermittlungsakten, Zeugen usw. abwarten muss. Er ist ja verpflichtet, unberechtigte Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer abzuwehren.

 

Folge: die ganze Sache dauert Wochen oder Monate lang, Geschädigte sind verärgert, gehen zum Anwalt, und die Kosten steigen und steigen.

 

Meistens kommt am Ende doch eine 100%ige Haftung heraus, so dass man den Schaden voll regulieren muss und dies schon vor Wochen hätte tun können, wenn der Schuldige dies gleich zugegeben hätte.

 

Am Ende zahlen wir alle die Zeche.

 

Also: wer auf dem platten Land, rechts und links keine Menschenseele und vor allem kein drittes Auto in Sicht, keine Ampel und Kreisverkehr, dem Vordermann auffährt, weil dieser bei 100km/h mit quietschenden Reifen zum Stillstand bremst, der soll das auch so melden.

 

Wenn aber vielleicht doch ein spielendes Kind 5 Meter neben der Fahrbahn war oder eine Ampel umsprang oder oder oder, der sollte sich über seine Unaufmerksamkeit ärgern und die Verantwortung übernehmen.

Er könnte morgen schon selbst der Geschädigte sein.

Amen.

 

Gruß

Hafi

am 28. Mai 2008 um 21:57

In nomine patri et filii et spiritus sancti. :D

Hallo Hafi545,

schön und richtig. Ergänzend muss für eine Mithaftung des Vordermanns dessen (Mit-)Verschulden aber nicht notwendigerweise überwiegen.

Hallo Elk_EN,

 

völlig richtig! Das hab ich nicht richtig formuliert.

Es müsste eher heißen:

 

Der Auffahrende kann den Anscheinsbeweis nur erschüttern, wenn er  einen atypischen  Hergang beweisen kann.

 

Schöne Grüße

 

Hafi

 

am 28. Mai 2008 um 22:26

Noch richtiger wäre es zu sagen, dass es für eine Mithaftung des Hintermanns genügen kann, die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes zu beweisen.

So griffig ist das im (imho guten) deutschen Recht formuliert.

:)

Gut´s Nächtle.

am 28. Mai 2008 um 22:34

Zitat:

Original geschrieben von Elk_EN

Noch richtiger wäre es zu sagen, dass es für eine Mithaftung des Hintermanns genügen kann, die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes zu beweisen.

So griffig ist das im (imho guten) deutschen Recht formuliert.

:)

Gut´s Nächtle.

wobei ja trotzdem die problematik (oft) bleibt , es eben zu beweisen ?

Harry

am 29. Mai 2008 um 7:20

Zitat:

Original geschrieben von Harry999

Zitat:

Original geschrieben von Elk_EN

Noch richtiger wäre es zu sagen, dass es für eine Mithaftung des Hintermanns genügen kann, die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes zu beweisen.

So griffig ist das im (imho guten) deutschen Recht formuliert.

:)

Gut´s Nächtle.

wobei ja trotzdem die problematik (oft) bleibt , es eben zu beweisen ?

Harry

Moin, moin.

Ja, wie ich sagte, zumindest die Möglichkeit muss bewiesen werden; die Behauptung eines atypischen Geschehensablaufes allein genügt nicht.

Oben hat sich bei mir aber ein Fehlerteufel eingeschlichen. "Mithaftung des Vordermanns" muss es lauten, nicht "Hintermanns".

am 29. Mai 2008 um 12:50

Könnte man nicht einfach sagen "wenn Ihr Scheiß gebaut habt, dann steht gefälligst auch dafür gerade"?

Ich glaube, das könnten mit ein wenig gutem Willen auch Nicht-Juristen verstehen.

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