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Kommt der Dieselhybrid ?

Themenstarteram 12. Juli 2007 um 13:13

Quelle: heise Autos

Kommt der Dieselhybrid?

Neue Brennverfahren machen den Dieselmotor auch im Hybridantrieb attraktiv

Noch vor wenigen Jahren standen europäische Automobilhersteller Hybridfahrzeugen skeptisch gegenüber, das Kosten-Nutzen-Verhältnis wurde angezweifelt. Und heute? Außer Hybridfahrzeugen mit Ottomotor befassen sich Entwickler ernsthaft mit dem noch teureren Dieselhybrid. Im Gespräch mit heise Autos erläutert Wilfried Nietschke, IAV GmbH, warum der Dieselhybrid dennoch eine Antwort auf japanische Hybridfahrzeuge sein könnte.

Wir wollen nicht ungerecht sein: In Deutschland und Österreich wurden bereits Hybridfahrzeuge entwickelt, als dieser Begriff längst noch nicht zum allgemeinen Wortschatz gehörte. Bereits 1896 meldete Ferdinand Porsche ein Patent für ein Hybridfahrzeug an, das mit elektrischen Radnabenmotoren ausgestattet war. Der „Lohner-Porsche“ war ein serieller Hybrid, bei dem der Verbrennungsmotor zum Laden der Batterie diente, die wiederum die Elektromotoren versorgte. In den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts fuhren bereits Hybridbusse auf deutschen Straßen, und seit 1989 testete Audi die Hybridtechnik im Audi duo, einem Audi 100 mit Dieselhybrid.

Europäische Hybridfahrzeuge werden kommen

Dennoch, seit dem Markterfolg des Toyota Prius sind die europäischen Hersteller etwas in die Bredouille geraten. Wurde zunächst noch „geschicktes Marketing“ für Toyotas Erfolg mit Hybridfahrzeugen verantwortlich gemacht, sind die Kritiker heute von der Realität überholt worden. Auch europäische Hersteller werden bald Hybridfahrzeuge anbieten, die Frage ist nur wann und wie. Auf der IAA 2007 darf man wohl mit der Vorstellung einiger seriennaher Modelle rechnen – auch aus Deutschland.

Selten hat sich eine Technikdebatte derart schnell verlagert: Noch vor wenigen Jahren wurden in Europa und vor allem Deutschland die Vorteile des Dieselmotors gegenüber dem Hybrid gepriesen; der Hybrid habe ohnehin nur in der Stadt Verbrauchsvorteile, sei zu teuer und nur über Bezuschussung zu verkaufen. Natürlich ist das Hybridfahrzeug bei Konstantfahrt im Nachteil, denn wo nicht gebremst wird, lässt sich keine Energie für den elektrischen Antrieb zurückgewinnen.

Nur: Konstantfahrt ist eher die Ausnahme als die Regel, besonders im Stop-and-Go-Verkehr hilft der Hybrid durchaus, Kraftstoff zu sparen und Emissionen zu senken. Zudem werden neue Techniken wie Lithium-Ionen-Batterien oder neue Regel- und Getriebekonzepte die Effizienz des Hybrids weiter erhöhen.

Trotz hoher Kosten – der Dieselhybrid wird kommen

Eine neue Entwicklung kommt aus einer vor drei bis vier Jahren noch unerwarteten Ecke: Als Peugeot und Citroen 2006 ankündigten, einen Dieselhybrid auf den Markt zu bringen, waren die Reaktionen zunächst verhalten. Der berechtigte Einwand: Ein Dieselmotor ist doch schon teuer genug, wer will denn einen Dieselhybrid bezahlen?

Auf dem diesjährigen Wiener Motorensymposium sagte Kurt Blumenröder, Geschäftsführer der „Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr“ (IAV), die Kombination von Dieselmotor und Hybrid sei nicht etwa ein Widerspruch, sondern eine sinnvolle Alternative, die neue Impulse für den europäischen Markt liefern und die Akzeptanz des Diesels in Nordamerika unterstützen könnte. Als wesentliche Merkmale eines geeigneten Dieselmotors nannte er unter anderem Downsizing und ein spezielles Brennverfahren.

Homogenisierung soll Diesel-Emissionen reduzieren

Der Dieselmotor leidet bisher unter einer prinzipbedingten Problematik: Im Vergleich zum Ottomotor arbeitet er mit Luftüberschuss und mit höheren Temperaturen, sodass die Stickoxidemissionen (NOx) deutlich höher liegen als beim Ottomotor. Zudem stoßen selbst moderne Dieselmotoren Rußpartikel aus. Motorenentwickler suchen deshalb nach Verbrennungsverfahren, bei denen weniger Stickoxide und Partikel entstehen. Ziel ist eine Homogenisierung der Gemischbildung, also eine gleichmäßige Verteilung von Luft und Kraftstoff im Brennraum, bei der die Bildung von Stickoxiden und Partikeln stark reduziert würde.

Unter der Abkürzung HCCI (Homogene Kompressionszündung) ist unter Entwicklern seit einigen Jahren ein Konzept in der Diskussion, bei dem ein Motor – aus heutiger Sicht – bis etwa 2000 U/min mit einer gleichmäßigen Gemischverteilung und weniger Luftüberschuss betrieben wird. Die Emissionen würden dadurch sinken, die Abgasnachbehandlung würde wesentlich einfacher und damit auch billiger.

Der Dieselhybrid muss bezahlbar sein

HCCI könnte einen Weg aus dem Dilemma weisen, dem Dieselmotoren-Entwickler heute ausgesetzt sind: Denn die Abgasnachbehandlung, seien es Rußfilter, NOx-Speicherkatalysator oder die Harnstoff-Lösung AdBlue, machen den ohnehin nicht billigen Dieselmotor noch teurer. Bereits Euro 5 bereitet den Motorenentwicklern Schwierigkeiten, zumal durch Abgasreinigung nicht nur die Kosten steigen, sondern auch der Verbrauch.

Bei künftigen Emissionsvorschriften könnten die Kosten zur Abgasnachbehandlung derart in die Höhe schnellen, dass sich die Zuhilfenahme von Elektroantrieben, also die Hybridisierung des Diesels, sehr wohl lohnt, wenn das den Weg zum Einsatz des HCCI-Verfahrens mit verringerten Emissionen ebnet. Die Kosten relativieren sich auch dadurch, dass ja die klassischen Vorteile einer Hybridisierung – Rekuperation, reiner Elektrofahrbetrieb ohne Emission auf kurzen Strecken – ebenfalls gegeben sind.

Bei genauerer Betrachtung wird also verständlich, warum sich Hersteller und Entwickler trotz der hohen Kosten, die ein Dieselhybrid auf den ersten Blick verursacht, mit dieser Idee befassen. Wie also könnte so ein Dieselhybrid aussehen und wäre er tatsächlich bezahlbar? Wir stellten diese Fragen Wilfried Nietschke, Mitglied der Geschäftleitung der IAV GmbH.

„Der Dieselhybrid könnte die europäische Antwort auf japanische Hybridfahrzeuge sein ...“

Herr Nietschke, woran ist der Dieselhybrid bisher gescheitert?

Nietschke: Aus meiner Sicht ist er bisher vor allem an der Kostenfrage gescheitert. Außerdem war der Markt dafür noch nicht reif. Es gab ja schon einmal einen Dieselhybrid, den Audi Duo, aber die Akzeptanz für den Hybrid ist erst durch den „Hybrid-Hype“ in den USA gestiegen, sodass erst jetzt auch der Dieselhybrid wieder ins Spiel kommt.

Was sind die prinzipiellen Unterschiede zwischen Diesel- und Ottohybrid?

Nietschke: Der Dieselmotor wird nicht wie der Ottomotor mit konstantem Luft-Kraftstoff-Verhältnis betrieben, sodass je nach Lastzustand vor allem die Stickoxid- und Rußemissionen stark variieren. Besonders viele Emissionen treten normalerweise in den dynamischen Betriebszuständen auf, also zum Beispiel unter hoher Last. In Verbindung mit einem Elektromotor kann man den Dieselmotor genau in diesen Situationen unterstützen, sodass auch seine Emissionen sinken. Man könnte auch sagen, der Elektromotor zieht den Verbrennungsmotor aus den kritischen Bereichen.

Der Ottohybrid galt bisher als sinnvolle Kombination, weil der Elektromotor „von unten“ zieht und der Benziner vor allem bei höheren Drehzahlen. Beim Dieselmotor ist dieser Vorteil doch geringer, weil er seine Stärken ebenfalls im unteren Drehzahlbereich hat …

Nietschke: Das ist im Prinzip richtig, allerdings ist beim Dieselhybrid ein starkes Downsizing des Dieselmotors möglich, also weniger Zylinder oder weniger Hubraum. Und da der Elektromotor beim „Turboloch“ aushilft, sind auch weniger aufwändige Turbolader möglich. Auf diese Weise kann ein Dieselmotor in Verbindung mit einem Hybrid deutlich kostengünstiger gebaut werden. Man könnte etwas vereinfacht sagen, dass man auf diese Weise dem Dieselmotor ein ähnliches Drehmoment-Verhalten wie einem Benziner anerzieht.

Ist es richtig, dass der Dieselhybrid besonders vom HCCI-Brennverfahren profitieren würde?

Nietschke: Die HCCI-Betriebsart findet nur in bestimmte Lastbereichen des Motors statt. Dabei werden sowohl NOx- als auch Rußemissionen deutlich vermindert, weil das Luft-Kraftstoffgemisch weitgehend homogen ist. Durch die Unterstützung des Elektromotors und eine geschickte Auslegung des Automatikgetriebes ist es im Hybrid einfacher, die emissionsgünstigen Drehzahl- und Lastbereiche zu nutzen. Die Abgasnachbehandlung wird dadurch wesentlich einfacher – das ist der besondere Reiz des Dieselhybrids mit HCCI.

Würde diese „Homogenisierung“ nicht bedeuten, dass beim Dieselhybrid Leistung oder Effizienz verloren geht?

Nietschke: Das würde es tatsächlich bedeuten. Aus diesem Grund wäre auch das Regelkonzept für das Zusammenspiel von Elektro- und Verbrennungsmotor beim Dieselhybrid völlig anders und komplexer als beim Ottohybrid. Homogenisierung würde zunächst auch zu einem geringen Mehrverbrauch des Dieselmotors führen. Andererseits eröffnet gerade HCCI Potenziale, die den Hybrid ergänzen können, um den Verbrauch zu minimieren und neue Abgasgesetzgebungen einhalten zu können.

Welche Automobilhersteller arbeiten bereits am Dieselhybrid?

Nietschke: Ich glaube, dass sich alle europäischen Automobilhersteller ernsthafte Gedanken über den Dieselhybrid machen. Das Interesse an die Technik ist innerhalb kurzer Zeit sicherlich deutlich gestiegen. In diesem Zusammenhang kann man auch das 1-Liter-Auto erwähnen, das nicht anderes war als ein Dieselhybrid mit einem Einzylindermotor.

Wie hoch wären denn aus Kundensicht die Mehrkosten für einen Dieselhybrid?

Nietschke: Die genauen Mehrkosten kennen wir noch nicht. Aber wie gesagt: Beim Dieselhybrid kann der Dieselmotor kostengünstiger ausgelegt werden, sodass zumindest ein Teil der Mehrkosten kompensiert wird. Bei teureren, großen Fahrzeugen wäre der Mehrpreis natürlich leichter zu verkraften, die eigentliche Herausforderung sind aber Volumenmodelle, wo Mehrkosten dem Kunden mehr wehtun. Dennoch: Für Flottenverbräuche unter 130 g/km führt wohl kaum ein Weg am Dieselhybrid vorbei.

Im Moment haben die Japaner in der Hybridtechnik noch einen großen Vorsprung …

Nietschke: Meine These ist: Wenn man jemand überholen will, darf man nicht in seine Fußstapfen treten, sondern muss einen Schritt zu Seite gehen und etwas Neues machen. In diesem Sinne könnte der Dieselhybrid die europäische Antwort sein.

Wann können wir mit den ersten Dieselhybrid-Serienfahrzeugen rechnen?

Nietschke: Wir rechnen damit in Europa etwa 2012, vielleicht auch ein bis zwei Jahre früher.

(ggo/heise Autos)