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Helsinki macht es vor...

Themenstarteram 18. Februar 2020 um 12:48

Hier

https://www.n-tv.de/.../...r-und-Fussgaenger-Null-article21582694.html

mal eine erfreuliche Meldung aus Finnland.

Zufällig war ich Anfang des Monats in Helsinki und spontan (obwohl ich die Statistik da noch nicht kannte) begeistert von der lässigen Entspanntheit in der finnischen Hauptstadt. Ich hatte nicht zu hoffen gewagt so ein cooles Flair (obwohl es mit minus 5 Grad für Finnland mild war ;)) in einer europäischen Hauptstadt an einem Freitag (7.2.) zu erleben. Wirklich Klasse...

In Deutschland herrscht in jeder Großstadt die nur halb so groß ist wie Helsinki garantiert 10 x soviel Stress, Hektik und Staus. Klar nur 5,5 Mio. Einwohner auf der Fläche Deutschlands sind im Vergleich zu über 80 Mio. ein gewaltiger Unterschied. Aber Helsinki ist mit über 600.000 Einwohner trotzdem auch eine nach deutschen Maßstäben mittlere Großstadt wie Dortmund, Düsseldorf oder Dresden. Pendler aus dem Umland wird es dort auch geben. Von der hier üblichen Hektik dort aber keine Spur. Fand ich beeindruckend und eine tolle Erfahrung...

Auch sonst alles sehr adrett: Graffiti-Schmierereien gegen Null, viele relativ neue Großwohnanlagen an der östlichen Stadtgrenze aber trotzdem alles sehr ordentlich und aufgeräumt, kein Müll an den Straßen obwohl Filialen mit dem großen gelben M natürlich auch vorhanden waren. Vom Hafen im Stadtteil Vuosaari bis in die City waren es ca. zwanzig Kilometer vorbei an diversen Industriegebieten und eben neuen großen Wohnanlagen. Da fiel der Unterschied was den optischen Zustand betrifft zu entsprechenden Gegenden hierzulande sofort positiv auf.

Die Skandinavier haben es einfach drauf: Beste Bildung, top IT-vernetzt, offenbar ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein und ein anscheinend lockeres entspanntes Miteinander...

Vielleicht ist es hier in Mitteleuropa doch einfach viel zu eng?!

Beste Antwort im Thema
am 29. Februar 2020 um 5:26

Guten morgen,

ob es den hiesigen Gepflogenheiten entspricht, als neuer Forenteilnehmer gleich hier voll mit einzusteigen, weiß ich nicht. Ich mache es mal und freue mich auf Eure Reaktionen.

Der Hauptunterschied zwischen Finnland und Skandinavien zu Deutschland ist, dass man dort angstfrei leben kann.

Die in D grassierende Angst um den Job und die platzende Hausfinanzierung bei Jobverlust kennt man dort so gut wie nicht.

Man geht im Berufsleben viel, viel fairer miteinander um. Meist arbeiten auch Eltern kleinerer Kinder beide. Und beide verdienen gut, auch in Teilzeit. Junge Mütter mit Führungsposition in Teilzeit sind absolut nicht selten anzutreffen.

Ein Jobverlust ist somit nicht nach 3 Monaten der wirtschaftliche Supergau für die ganze Familie inklusive lebenslanges Stigma.

Des Weiteren sind die Gesellschaften da oben sehr homogen. Man teilt die Kultur, ist sich einig. Das schafft Frieden.

Finnland ist zudem insgesamt ein gesundes Pflaster, da man von jedem Punkt in den Städten aus binnen 30 Minuten in der Natur ist. Die Menschen sind viel draußen und schaffen durch Wandern, Fischen, Segeln einen Ausgleich.

Kein Vergleich zu dem menschenunwürdigen Leben im Ruhrgebiet, Südniedersachsen oder Rhein-Main-Gebiet, wo die Menschen in ihren betonkisten sitzen und zu jeden Schulferien umgehend die Autobahnen zuparken, auf der Suche nach einem besseren Leben in südlichen Urlaubsländern für 6 Wochen im Jahr (von 52!).

Das Interessante dabei ist, dass der Mindset der Nordics sich nicht so sehr von dem der Deutschen unterscheidet. Wir könnten dorthin kommen, wenn wir die nötigen gesellschaftlichen Veränderungen einleiten wollten.

In einigen Ecken Deutschlands funktioniert das ja auch. Man blicke an die Nord- und Ostseeküsten sowie in die ländlichen Regionen Bayerns.

Auch München war bis vor 20 Jahren ähnlich entspannt. Bis die Immobilienpreise explodierten und nur noch einheitliche Ingenieurs-Karriereristen zu BMW zuwanderten.

Einhergehend mit den wirtschaftlichen Nöten, die ein Reihenhaus für 1 Mio. Eur und der BMW SUV so mit sich bringen geht es in Deutschland zur Zeit sehr viel um Abgrenzung nach unten durch Statussymbole.

Dafür arbeitet man sich halbtot.

Entweder hat man keinen Job oder muss 150% geben.

Dabei alimentieren 30% der Bevölkerung mit wertschöpfendem Job die anderen 70%.

Klar dass das nicht gesund ist und v.a. Vertreter der 30% das Leben im Norden als angenehm empfinden.

Ich bin auch gerne da oben, arbeite dort auch viel. Sehr angenehm.

Die beiden wichtigsten Punkte die in D angepackt werden müssten, um entspannter und somit besser leben zu können, sind eine Humanisierung der Arbeitswelt hin zu einer für alle Beteiligten vernünftigen Work-Life-Balance und die massive Verringerung der staatlichen Transferleistungen.

Das anzupacken traut sich jedoch niemand.

Grüße,

ZK

129 weitere Antworten
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Zitat:

@Gurkengraeber schrieb am 29. Februar 2020 um 10:53:55 Uhr:

Ja genau, das Tempolimit ist die Wurzel allen Übels. So ein Unsinn. Geht in Abschnitten mit TL nicht entspannter zu. Kommt einzig auf die Verkehrsdichte an.

Unsinn ist es erst, wenn man a) über jedes Stöckchen springt, was einem vorgelegt wird und b) nicht den Zusammenhang von Tempolimit, Verkehrsdichte und Geschwindigkeit erkennt.

So wie, ganz wichtig, c) Ironie!

Können wir mal wieder zum Thema zurück, als dämliche Vergleiche anzustellen?

Ich finde es bemerkenswert, wie Helsiniki das geschafft hat! Ich wohne in Hamburg und kann mir das nicht mal ansatzweise vorstellen, wie man hier die Zahl auf null bringen könnte. Dazu bräuchte man eine Verkehrsrevolution. Unvorstellbar in einer Stadt, in der das Auto die absolute Nummer 1 ist in der Priorisierung.

Hier wird demnächst eine wichtige Verkehrsachse umgebaut, nämlich die berühmte Elbchausee. Die Straße hat keinen Radweg, zum großen Teil nicht mal gepflasterte Gehwege, geschweige denn Gehwege auf beiden Seiten! Das Befahren mit dem Rad auf den Schotterpisten ist jedoch erlaubt. Denn auf der Straße zu fahren ist lebensmüde.

Bei der Planung wurde der Bürger großspurig mit eingebunden, aber ich habe schon gelesen, dass am Ende wohl doch kein Radweg kommen wird. So viel zu den Bevorzugungen. Wenn man wirklich eine Verkehrswende einleiten will, dann muss man den Autos den Platz weg nehmen und den anderen Verkehrteilnehmern geben!

Hamburg hat doch gerade massiv rot-grün gewählt, da passiert wohl noch Einiges. Womöglich starten aus Fuhlsbüttel bald wieder Heißluftballons;)

Zitat:

@Emsland666 schrieb am 29. Februar 2020 um 13:00:28 Uhr:

Hamburg hat doch gerade massiv rot-grün gewählt, da passiert wohl noch Einiges. Womöglich starten aus Fuhlsbüttel bald wieder Heißluftballons;)

Wiedergewählt!

Und ja, es tut sich einiges in HH.

So rüstet die HPA ihre Flotte um. Zum Teil werden die Boote in Zukunft mit Gas bzw. elektrisch betrieben.

Der HVV wird vergrößert, um die Pendler nach HH früher in Bus und Bahn zu bekommen.

Elbchaussee bekommt, wo es möglich ist, sogar beidseitig Fahrradwege.

3 von vielen kleinen Aktionen die hier in Angriff genommen werden.

Hat HH keinen Radentscheid?

am 29. Februar 2020 um 14:48

Zitat:

@der_Nordmann schrieb am 29. Februar 2020 um 11:27:23 Uhr:

Zitat:

@Gurkengraeber schrieb am 29. Februar 2020 um 10:53:55 Uhr:

Ja genau, das Tempolimit ist die Wurzel allen Übels. So ein Unsinn. Geht in Abschnitten mit TL nicht entspannter zu. Kommt einzig auf die Verkehrsdichte an.

Unsinn ist es erst, wenn man a) über jedes Stöckchen springt, was einem vorgelegt wird und b) nicht den Zusammenhang von Tempolimit, Verkehrsdichte und Geschwindigkeit erkennt.

So wie, ganz wichtig, c) Ironie!

Das Tempolimit ist bei unserer Verkehrsdichte doch gar nicht relevant. Mit Geschwindigkeit hatte ich eigentlich gemeint, dass sich Leute weit über dem Tempolimit bewegen - im Ort 70 und auf der Landstraße 130 sind ja keine Seltenheit. Die Autobahn ist am unsichersten bei Baustellen und nicht auf den wenigen dreispurigen Stücken, wo man 200 km/h fahren kann.

So sieht es aus.

Zitat:

@BeeKlasse schrieb am 29. Februar 2020 um 15:10:35 Uhr:

Hat HH keinen Radentscheid?

Über was für ein Rad sollten sie dort eine Entscheidung treffen? :confused:

Zitat:

Über was für ein Rad sollten sie dort eine Entscheidung treffen? :confused:

Ich vergesse das immer, das hier ja Autoland ist und man "Rad" nur vom Hörensagen kennt.

Radentscheide nehmen Deutschlandweit dem MIV (Motorisierter Individualverkehr) seine Spuren weg und geben sie anderen Verkehrsteilnehmern. https://www.adfc.de/artikel/radentscheide-in-deutschland-1/

Gerade auch am https://www.radentscheid-frankfurt.de geht das jetzt ganz ordentlich los. Da werden große, für das Auto vierspurige Straßen zu zweispurigen. Das geht so weit, dass dem Auto nur noch eine Spur mit 3.25 m zugebilligt wird und der komplette Rest gehört dann den Rädern.

Und bevor jemand Schnapp-Atmung bekommt: Nein, es entstehen nur zu Beginn ein paar Staus, aber die Pendler merken schnell, dass diese Straße morgens und abends keine Alternative mehr ist und suchen sich entweder einen anderen Weg oder eine andere Zeit oder ein anderes Verkehrsmittel (z. B. Rad oder ÖPNV)

Alle möglichen Metropolen und Großstädte geben jetzt in dieser Richtung Gas und auch Hamburg hat seinen Radentscheid, wie ich gerade sehe. https://radentscheid-hamburg.de

Genau das ist die Krux: noch mehr Straßen ziehen noch mehr Autos an. Das ist eine alte Binsenweisheit. Und genau so ist es umgekehrt: bietest du Alternativen an und nimmst gleichzeitig den Autos den Platz weg, geschieht plötzlich etwas Ungeheuerliches: weniger Autos, mehr Radfahrer, mehr ÖPNV, mehr zufriedene und gesündere Menschen.

Anders läßt sich das Problem wohl kaum in den Griff bekommen.

Zitat:

Das Tempolimit ist bei unserer Verkehrsdichte doch gar nicht relevant.

...

Die Autobahn ist am unsichersten bei Baustellen und nicht auf den wenigen dreispurigen Stücken, wo man 200 km/h fahren kann.

Wenn man in einem Wertesystem unterwegs ist, in welchem Physik und Erfahrung und Logik und Realität und Statistik ausgeblendet werden, stimmen solche Sätze.

In der realen Welt gilt allerdings, nicht ganz unerwartet, so etwas: https://de.statista.com/.../...undesautobahnen-mit-und-ohne-tempolimit

Glaube, irgendwo vorn im Thread steht, dass Helsinki Limits von 30 oder 40 innerorts verhängt hat.

Autobahntempo ist in Städten weniger interessant, für „Vision Zero“ bewegen wir uns am anderen Ende des Spektrums.

Am besten nur noch Zuhause im Bett liegen.

Keine Unfälle im Straßenverkehr, keine Unfälle im Haushalt, keine Arbeitsunfälle mehr.

Ach was wäre ein Leben ohne Unfälle doch für ein schönes Leben.

Zitat:

@Drahkke schrieb am 29. Februar 2020 um 20:08:38 Uhr:

Anders läßt sich das Problem wohl kaum in den Griff bekommen.

Ja, aber leider hat sich die Verkehrpolitik vom Bürger so weit weg bewegt, dass eine radikale Umorientierung wohl nur mit den Grünen zu machen ist.

Die Autolobby ist einfach zu stark. Sieht man ja an der Tempolimitdiskussion: obwohl sich eine Mehrheit der Bürger sich für ein Tempolimit auf Autobahnen aussprechen, passiert seitens der Politik gar nichts.

Oder: jeder Bewohner einer (Groß-)Stadt würde sich wünschen, dass der Verkehr in der Stadt sicherer wird und weniger Autos die Staßen verstopfen würden. Und was ist passiert in den letzten Jahren? Zumindest in Hamburg fast gar nichts. Stattdessen werden so irrsinnige Projekte wie Busbeschleunigungen entgegen aller Bedenken durch gezogen. Inkl. der ganzen Staus und Geschäfte, die dadruch Pleite gegangen sind. Die ganzen hunderten Millionen EUROS wären mal besser in den Ausbau besserer Radwege geflossen. Stattdessen werden Striche auf die Fahrbahn gepinselt.