Elektroantrieb - Spitzen- und Dauerleistung erklärt
Die größte Unsicherheit (neben der Lebensdauer des Akkus) herrscht über die Leistungsfähigkeit eines E-Antriebs. Die Hersteller geben scheinbar aberwitzige Leistungen an und enttäuschen dann mit der Maximalgeschwindigkeit.
Das liegt daran, das bei einem E-Antrieb Dauer- und Spitzenleistung nicht gleich sind wie beim Verbrenner. Hier konnte man sich drauf verlassen, wenn 130PS drauf stehen, kann er diese auch dauernd liefern. Beim E-Antrieb ist das anders. Ein E-Motor der für eine Dauerleistung von 50PS ausgelegt ist, kann kurzzeitig durchaus 250PS liefern. Es ist alles eine Frage der thermischen Reserven und des Kühlsystems, letztendlich geht es darum, die Wicklungen nicht zu heiß werden zu lassen.
Unterschiedlicher Temperaturbereich beim E-Motor und Verbrenner:
Während es einem E-Motor ziemlich egal ist, welche Temperatur er hat, braucht ein Verbrenner im Vergleich dazu nahezu konstante Temperaturen damit Schmierung und Lagerung (Toleranzen!) optimal sind. Das Kühlsystem beim Verbrenner ist darauf ausgelegt die maximale Verlustleistung wegzubringen, ohne dabei eine nennenswerte Temperaturerhöhung zuzulassen. Anders beim Elektromotor, hier darf die Temperatur in den Wicklungen auf bis zu 200°C steigen, bevor es kritisch wird. Das Kühlsystem muß also nicht auf Leistungsspitzen ausgelegt werden, sondern nur auf die zu erwartende durchschnittliche Leistung, die Dauerleistung. Eine Leistungsanforderung darüber hinaus, muß daher zeitlich begrenzt werden.
Temperaturverhalten eines E-Motors:
Im ersten Diagramm sieht man 3 Kurven. Sie zeigen den Temperaturverlauf bei halben, vollem und doppeltem Dauerdrehmoment (die Verluste gehen quadratisch mit dem Drehmoment!). Es zeigt sich bei halben Drehmoment erreicht der Motor bei weitem nicht seine kritische Temperatur. Mit dem Dauerdrehmoment wird die kritische Temperatur genau erreicht. Beim doppelten Motormoment (z.b. beim Beschleunigen) dauert es nur 100sec, bis die Wicklungen zu heiß werden und das Drehmoment reduziert werden muß. Die Endtemperatur (würde man nicht reduzieren) wäre übrigens bei etwa 520°C.
Im zweiten Diagramm sieht man die maximale Zeitdauer, mit der man ein Vielfaches (in %) der Dauerleistung abrufen kann, bis der Motor überhitzt. Links 100% Dauerleistung (klar, kann man unendlich lange), rechts 1000%, also 10-fache Dauerleistung, die nach nur 3.6sec zur Überhitzung führt.
Das Ganze am Beispiel des Audi E-Tron
Audi gibt an Dauerleistung 136PS, maximale Leistung 408PS (also 300% Dauerleistung) für 10sec, danach 360PS (265%) für 60sec. Im Diagramm findet man nun bei 300% eine Zeit von 42sec, bei 265% eine Zeit von 55sec. Wie passt das zusammen? Nun in den ersten 10sec erhitzt sich der Motor nicht auf die kritische Temperatur, die Leistung wird vorher reduziert. Die 55sec für 360PS passt hingegen fast genau.
Anhand dieser Kurve sieht man aber auch, das der E-Tron nicht nur diese 3 Leistungstufen kann, sondern durchaus auch für 5min 180PS, was für Steigungen reichen dürfte.
Fazit
Es ist beim E-Antrieb überhaupt nicht leicht vorherzusagen, wie sich das Fahrzeug fährt und ob man in die Leistungsbegrenzung kommt. Man muß es schlicht ausprobieren und wird, sofern der Hersteller keinen allzugroßen Schmus gebaut hat, überrascht sein, wie selten man in die Temperaturbegrenzung kommt. Deutschland ist zugegebenermaßen ein spezieller Fall, aber auch hier gibt es quasi nur die Möglichkeit den Antrieb auf der Autobahn mit hohen Geschwindigkeiten in die Begrenzung zu treiben.
Ich möchte noch hinzufügen, das diese Erklärung stark vereinfacht wurde. So besteht der E-Antrieb ja nicht nur aus dem Motor, sondern auch dem Wechselrichter und dem Akku. Alle haben ein sehr ähnliches Verhalten, nur mit unterschiedlichen Zeitkonstanten. Diese 3 Komponenten spielen nun zusammen und die Begrenzungen können je nach Lastsituation durch Motor, Wechselrichter und Akku verursacht werden.
21 Antworten
Ich denke diese "Tuning" wäre ja eh nur für gewisse Fahrzeuge interessant, wie eben Tesla Kunden, die auch über das nötige Kleingeld verfügen. Ansonsten hätt ich gedacht, das die Kühlung des äußeren stillstehenden Teils ja eigentlich noch eher möglich sein sollte. Du kennst dich in dem Bereich ja besser aus als ich, aber gerade Kupfer ist ja ein super Wärmeleiter, da sollte doch was machbar sein.
Kolben werden z.B. i.d.R. mit Öl via anspritzen gekühlt, sowas könnte doch gehen.
Beim Tuning geht es ja auch oftmals gar nicht drum, ob man etwas real nachher nutzen kann (geschweige denn einen technischen Vorteil erzielt, wenn man manche Tuningopfer sieht), sondern das man es hat.
Kupfer ja, aber zwischen Wicklung und Kühlmantel liegt der dicke Eisenkern, der leitet Wärme sehr schlecht.
Grüße,
Zeph
Mal schauen was da kommt. Es gibt ja bereits Tuning Buden die auch für E-Autos aktiv sind, wie z.B. Brabus, aber das beschränkt sich derzeit meine ich noch aufs optische.
Sicher das der Motor überhitzt und nicht der Akku? Gibt es Quellen zu den Diagrammen?
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Ziemlich sicher. Schon allein wegen der zu erhitzenden Masse. Der Akku hat 600kg, der Motor vielleicht 50kg. Und die Quelle der Diagramme bin ich. Selbst gerechnet. Und bevor jetzt kommt: "Alles erfunden! Ha! Er hat keine Quellen!" Nein, hab' ich nicht. Hat keiner. Diese Kurven sind gut gehütete Geheimnisse. Ich kann's nur anhand der Motordaten und meinem Wissen als Elektronikentwickler so gut wie möglich rekonstruieren. Dürfte aber nicht weit von der Wirklichkeit entfernt sein.
Außerdem sollen sie ja nur das Prinzip der Leistungsreduktion und Abgabedauer in Bezug auf die Erwärmung zeigen. Und das tun sie ganz gut.
Woher meine Erfahrung? Genau solche Kurven habe ich für ein von mir entwickeltes Produkt berechnen müssen. Allerdings hatte ich da Trafos statt E-Motoren. Nur, die verhalten sich thermisch genau gleich. Da ging's auch um die Frage, wie lange kann ich den Trafo mit 150% Leistung fahren, bevor er abbrennt.
Grüße,
Zeph
Ok. Ich dachte das die Recht gut gekühlt wären (Wasserkühlung) und die Verlustleistung beim Elektromotor ja nur einige KW beträgt man das ja gut wegkühlen kann.
Das stimmt schon. Aber du kommst mit dem Wasser nicht direkt an die Wicklungen. Du kannst nur den Stator kühlen, in dem die Wicklungen liegen. Der Stator ist aber aus Trafoblech, das schon mal kein sonderlich guter Wärmeleiter ist, zusätzlich liegen die Wicklungen nicht gut am Stator an, was wiederum den Wärmeübergang behindert. Kurz, du bekommst die Hitze nicht gut ins Wasser, da ist dann trotz >90% Wirkungsgrad schnell Ende Gelände.
Denk' mal nach, ein E-Antrieb mit 150kW (~200PS) hat dann im Motor eine Abwärme von 15kW, das ist schon soviel wie ein typischer Hausanschluss hat. Und das in einer recht kleinen Maschine (~50cm lang, 30cm Durchmesser). Das bringt man nicht so ohne weiteres raus.
Wichtig ist die durchschnittliche Leistung rauszubringen. Und die liegt irgendwo zwischen 1-2kW. Das ist ohne grobe Probleme möglich.
Grüße,
Zeph