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Blog vonzosis

Sun Sep 16 16:25:10 CEST 2012    |    zosis    |    Kommentare (7)    |   Stichworte: 1200, Baujahr, Camping, Käfer, Mittelmeer, Wohnmobile, Wohnmobilumbau

kaefer 1200 Export
Kaefer 1200 Export

Mein erstes Auto: Soweit ich mich erinnere, ein hellblauer 1967er Käfer, 1200 Export mit 34 PS. Leider existieren keine Originalfotos mehr.

 

Nachdem ich meinen Führerschein im Januar 1976 kurz nach meinem 18ten gemacht hatte, zersemmelte ich eine Woche später den Ford Taunus Kombi meiner Eltern. Bei Blitz-Eis mal eben auf das Dach gelegt. Totalschaden. Ein typischer Discounfall. Mit sechs Personen bei fünf Sitzen im Auto war der Wagen auch noch überladen. Sie sagten noch, es könnte glatt werden.  Wir natürlich über Land in die Dorfdisse. Wir hatten ein Riesenglück und sind auf einer Allee durch zwei Bäume auf einem Feld gelandet. Klar, ich konnte noch gar nicht richtig fahren und hatte überhaupt kein Gefühl für die Glätte. Außer dem erneut gebrochenem Bein von Heiner, meinem damaligen besten Kumpel, hatten wir Riesendusel und keine weiteren Personenschäden zu beklagen. Bevor die Polizei und der Krankenwagen kam, konnte ich glücklicherweise einen Passagier in einem haltenden Auto unterbringen. So kam ich um eine Anzeige.

 

Danach, und um ihr neues Auto zu schonen, haben mir meine Eltern einen Käfer für 900 Mark gekauft. Den parkte ich eine Woche später auch gleich in einem Vorgarten. Eine Hundekurve im Wohngebiet war der Grund. Zum Glück blieb es ohne weitere Schäden am Vorgarten und am Auto. Dann waren die Unfälle glücklicherweise erst mal für lange, lange Zeit zu ende.

 

Der Käfer war bereits damals eine Legende. Millionenfach verkauft. Ich war tatsächlich vorher niemals in einem Käfer gefahren. Meine Erwartungshaltung war entsprechend groß.

 

Die Realität sah allerdings anders aus. Der 67er Käfer war eine einzige Katastrophe. Hoher Verbrauch, unsicheres Fahrwerk, schlechte Lüftung, schlechte Bremsen, im Winter sah man nichts weil alles beschlagen oder zugeforen war, katastrophale Scheibenwischer, 6 Volt und funzeliger Licht, ohne Benzinuhr und wenn man vergaß, nach dem Tanken den Benzinhebel zurück zu stellen, blieb man ohne Benzin liegen. Ein unglaubliches Auto, aber Deutschlands Liebling. Ich fand ihn damals OK. Na klar, war ja auch mein erstes Auto.

 

Nun hatte er auch ein paar nette Features. Am besten gefiel mir der Fußschalter für die Scheibenwaschanlage. Drauf trampeln und schon schoss Wasser auf die Scheibe. Das Wasser schoss aber nur, wenn im Reservereifen genug Luftdruck war. Da war der Wasserbehälter nämlich direkt angeschlossen. Pech nur, wenn man eine Reifenpanne hatte und der Reservereifen inzwischen platt war.

Dazu die kleinen, dreieckigen, vorderen Seitenscheiben, mit denen man unglaublich viel Wind in den Innenraum bekam. Und natürlich die doppelte Export Stoßstange. Für mich ein Meilenstein im Automobildesign.

 

Da der Wagen recht Bieder war, habe ich die Tür-Innenverkleidungen mit Paisley Stoff verkleidet. Ich gehörte schließlich zur Hippie Generation mit allem Drum und Dran. Lange Haare und bunte Klamotten inklusive (meine bunte Jacke war Legendär). Von außen zierte bereits ein roter Marienkäfer die Fahrertür. Da änderte ich nichts. Das kam erst mit den nächsten Wagen. Und natürlich die obligatorischen Lammfell Schonbezüge um Vordersitze und Lenkrad sowie eine Radio-Kassetten-Kombination mit Autoreverse. Clarion, wenn ich nicht irre. Und dicke Boxen.

 

Ich war damals in der Schlosserlehre und verdiente 240 Mark im Monat. Davon konnte man gut im Hotel Mama Leben.

 

Dann kam der Sommer. Urlaub stand an. Wohin? Nach Südfrankreich schlug Heiner vor, der seine Krücken inzwischen wieder abgelegt hatte. Ich dachte er macht einen Witz. Ich war vorher nie weiter weg im Urlaub. Meine Eltern hatten ein Tante Emma Laden (daher der Kombi) und standen alleine im Geschäft. Da wurde kein Familienurlaub gemacht. OK, ich war mal vier Tage mit meinem Vater auf Norderney. Zwei Mal ein paar Tage mit ihm in der Ostzone in Sonneborn, bei Verwandtschaft. Und das Hi-Light: Zur Tulpenblüte in Holland auf einem Sonntag mit der ganzen Familie. Obligatorisch waren nur die Sommer-Sonntage am Weserstrand in Kleinensiel, da wo heute das AKW steht. Ich kann mich noch gut an die Schwimmautos und die Sonnenbrände erinnern. Auch die kalten Kotelettes und Kartoffelsalat mit Sand in den Zähnen.

 

Aber Südfrankreich, da kann man doch gleich zum Mond fliegen waren meine Gedanken. Die Vorstellung war völlig absurd für mich. Doch er überzeugte mich schnell. Er besorgte ein Zwei-Mann Baumwollzelt. So klein, dass man nur liegen konnte. Zum Sitzen war es schon zu klein. Und Schlafsäcke hatten wir sowieso. Mir kam die Idee im Auto zu schlafen.

 

Ich baute die Rückenlehne und die Sitzbank aus und installierte drei, mit Klavierband verbundene Spanplatten. Die Unterste schraubte ich dort fest, wo vorher die Rückbank war. Als Schlosser baute ich mir ein kleines steckbares Set, dass auf der Mitteltunnel mittels einer Flügelschraube fixiert wurde. Im Mitteltunnel installierte ich dazu eine M10 Annietmutter. Ich habe ganz schön geschwitzt, wie ich das Riesenloch dafür bohrte. Ich wusste ja nicht was darunter war. Eine damalige Freundin (Sabine), hatte mir zwei Feder-Matratzen geschenkt, die wir auf ihrem Dachboden fanden. Ideal, man konnte sie in alle Formen buffen. Keine Ahnung was der Tüv zu dem Umbau gesagt hätte.

 

Wenn wir unterwegs waren, haben hinten oft Leute gelegen. Es waren halt die 70er. Sicherheitsgurte? Airbag? Knautschzone? Pustekuchen...

 

Zum Umbau brauchte ich nur die Sitze nach vorne aus den Schienen schieben, beim Käfer ging das ohne Probleme, und mit der Rückseite nach unten auf den Karosserieboden legen. Die Sitzfläche verschwand im Fußbereich unter dem Armaturenbrett. Das Set in einer Minute zusammen Stecken, die Spanplatten klappen und die Matratzen buffen. Fertig. Der Umbau war in drei Minuten vollzogen. Einzig das Gepäck war immer ein Problem. Wo sollte man es lassen? Eine schematische Darstellung ist in den angehängten Bildern.

 

Unglaublich, aber die Liegefläche war Topfeben und Riesengroß. Sie hat den gesamten Innenraum ausgefüllt. Ich schätze mal 1,80m (Beifahrerseite) mal 1,30m. Auf der Fahrerseite war das Lenkrad und deshalb für die Füße etwas enger. Wenn man im Wagen lag, konnte man wunderbar romantisch aus dem Heckfenster in die Sterne schauen. Was ich mit so einigen Mädels genoss (auch mit Sabine)...

 

Zwar war nach einer Nacht der gesamte Innenraum komplett nass, durch die Ausdünstungen und mangels Belüftung. Und jeder konnte uns durch die Fenster im Auto schlafen sehen. Aber gestört hat uns das nicht.

 

Wer einmal Käfer fuhr, kennt den vorderen Kofferraum. Da war meine Küche untergebracht. Haube hoch, und den Spirituskocher darunter angeheizt. So war die Küche überdacht. Mein Kocher hatte leider ein kleines Leck. Nach Zehn Minuten stand immer alles in Flammen und musste gelöscht werden. Aber Miracoli ging immer. Und ich kann mich auch noch gruselig an "Sonnen Bassermann" erinnern. Die Dosen, aus unserem Tante Emma Laden, die mir meine Mutter gütigerweise aus dem Laden mitgab. Da kannst essen und wirst nicht so richtig satt. Serbisches Reisfleisch oder irgend son Mist... Aber es hielt uns am Leben.

 

Wir bei Regen los. In Amsterdam halt gemacht um noch einen "gewissen" Reiseproviant zu kaufen. Natürlich abgezockt worden und mit jeder Menge schwarzen Kamelmist Richtung Frankreich gestartet.

 

Autobahn Gebühren gab es damals schon. Die wollten wir uns natürlich sparen. Also fuhren wir Landstraße. 1975 gab es noch die berüchtigten, dreispurigen Landstraßen in Frankreich. Das war eine Spur in jede Richtung. Und eine Spur in der Mitte für beide Richtungen zum überholen. Reines Kamikaze. Immer schauen, ob grade keiner in der Mitte von vorne kommt und dann raus zum überholen. Im Dunkeln war es einfacher. Sah man zwei Sätze Rückleuchten nebeneinander, konnte man hinterher und "Gefahrlos" überholen. Zum Glück war das bei meinem 34PS Käfer nicht wirklich oft notwendig. Ich schätze, diese Straßen haben sich irgendwann selber abgeschafft. Wahrscheinlich starben einfach die Nutzer aus. Jedenfalls hab ich diese Art Straßen seit vielen Jahren nicht mehr gesehen in Frankreich.

 

Drei Tage waren wir unterwegs. Im der Route National entlang. Den obligatorische Shell Atlas immer auf den Knien. Zwischenübernachtungen auf kleinen Camping Municipal.

 

Bei einem rollten wir abends um 10 auf den Rasen. Da kein Offizieller mehr vor Ort war, bauten wir das Auto um und schliefen. Am nächsten Morgen kam der Campingwart und schaute uns beim Rückbau zu. Er fand das System so genial, dass er keine Campinggebühr haben wollte. Uns kam das natürlich super entgegen.

 

Endlich am Mittelmeer. Wir kamen, worum auch immer, dann irgendwo in St. Aygulf raus. Natürlich waren alle Campings ausgebucht. Im nahen Hinterland fanden wir dann doch noch einen Platz.

 

Verkehrstechnisch war die Cote d'Azur damals durchaus noch in Ordnung. Staus hielten sich in Grenzen. Damals fuhren auch nur wenige deutsche Autos rum. Immer wenn wir jemanden mit deutschem Kennzeichen sahen, blinkten und hupten wir fröhlich. Was die wohl gedacht haben?

 

Er waren drei tolle, wolkenfreie und heiße Wochen. Unsere vier Cassetten (Genesis/Lamb lies, 2x Rare Earth und Eric Burdon) dudelten unaufhörlich im Autoreverse. Wir lernten Französinnen kennen (Küsschen, Küsschen), tauchten im klaren Mittelmeer und entdeckten das Baguette. Ich hatte eine kurze aber heiße Liaison mit Francoise einer hübschen Belgierin. Wir konnten uns leider nicht unterhalten aber das war damals egal. Kurz: Wir entdeckten eine unglaubliche neue Welt.

 

Die Rückfahrt war ohne Probleme. 50 km vor zuhause fing es an zu regnen.

 

Viele andere nette Begebenheiten folgten. Meist bei Kurztrips in die Umgebung, wie Dröhnfahrten ins Ipweger Moor, Wochenendtrips nach Bad Zwischenahn (die Mädels da waren echt heiß) oder anderen Kuhdörfern (in der Provinz bin ich der Prinz).

 

Nach einem Jahr, wurde der Wagen durch die Polizei Zwangs-Stillgelegt. Ein Schweller war abgefallen und die Karosserie war komplett durchgerostet. So ging er auf den Schrott und wurde durch einen zweiten, weißen Käfer ersetzt.


Sun Sep 16 16:54:03 CEST 2012    |    mr. mountain

Sehr schöner Bericht, der Zeitgeist ist förmlich greifbar.

Wer hätte damals wohl gedacht, dass die Unmengen Käfer mal zu Rarität werden.

Sun Sep 16 18:25:32 CEST 2012    |    Batterietester133659

Tolle Geschichte, andere Schlafen in Kombis und ihr habt euch in einen Käfer reingequetscht, wirklich schön zu lesen.

Sun Sep 16 18:34:06 CEST 2012    |    Turboschlumpf48396

Habs mit Genuß und Wehmut (*seufz*) gelesen, ein wunderschöner und witziger Bericht.

Meine Hippiemarkenzeichen waren damals u.a. eine 35 cm Schlaghose in schwarz mit rotem Insert, sowie ein weißer Mini Cooper mit einem riesigen Che Guevara Konterfei quer über die Motorhaube.

Mit diesem Mini gings 1975 mit ausgebautem Beifahrersitz, ausgekleidetem Fußraum und Luftmatratze samt Schlafsack alleine für fünf Wochen nach Griechenland...

Solche Abenteuer sind so heute einfach undenkbar und wären bei der nächsten Verkehrskontrolle beendet oder spätestens nachts auf einem AB-Parkplatz oder in den Bosnischen Bergen.

Sun Sep 16 20:56:09 CEST 2012    |    Andi2011

Moin,

 

danke für diesen erstklassigen Lesespass, ich habe jeden Satz genossen, einfach wunderbar!

Ein Stammleser mehr hast du auf jeden Fall:)

 

Grüße

Andi

Sun Sep 16 21:00:54 CEST 2012    |    Trackback

Kommentiert auf: Andi2011 Mein C MAX MK2:

 

Reality Check Club - Die Off Topic Tropic Bar

 

[...] jetzt mal wieder gewinnen kann...

 

Hab hier noch einen Lesetipp für meine Barbesucher von der Blogseite klick, wirklich klasse geschrieben:)

[...]

 

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Mon Sep 17 21:46:46 CEST 2012    |    Scenic II

Schöner Bericht. Dafür vielen Dank.

 

Wird mal wieder Zeit, dass ich Rare Earth auflege.......

Fri Nov 23 16:38:40 CET 2012    |    Kurvenräuber18079

Ganz toller Bericht.

Hatte ähnliches in Schweden erlebt. 1966 im Ovali.Bundeswehrzweimannzelt war unser Hotel. Teilweise auf Bauernhöfe genächtigt.Ganz wild war die Fahrerei.<die hatten damals noch Linksverkehr. Die Schwedenmädels und Mittsommernacht, inklu Mücken, waren ein tolles Erlebnis. Wenn man harten Alcohol hatte, war man König. Es taten sich ganz andere Welten auf.

Man muss eben jung sein um sowas anzugehen.Aber das ist lange her.

Gruss

Rudi

Deine Antwort auf "Mein erstes Auto: Im Käfer Wohnmobilumbau nach Südfrankreich"