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Leverkuehn

200.00 km im Audi A7

Mon Feb 19 07:25:36 CET 2018    |    Leverkuehn    |    Kommentare (21)

Um es gleich vorweg zu sagen, typisch ist mein Fall nicht. Das werden, da bin ich sicher, viele Leser sagen. Hoffentlich ist er wenigstens unterhaltend für die Fans auf dieser Seite.

Es geht schon damit los, dass ich zu den ca 10% gehöre, die sich ihren neuen A7 privat gekauft haben. Mangelnder ökonomische Sachverstand war der freundlichste Vorwurf, den mir meine schwäbischen Freunde gemacht haben. Ich bin sicher, bei einem Daimler hätten sie mehr Milde walten lassen.

Die Vorfreude auf ein neues Auto ist eigentlich die schönste Zeit. Da kann man begutachten, Neues lernen, ein wenig träumen und die Ehefrau in den Wahnsinn treiben. Hat bei mit alles funktioniert, trotz grösster Anstrengungen der Audi-Händler, die Ausschüttung von Glückshormonen zu unterbinden. Da gibt es bestimmt ein geheimes Abkommen mit den Ehefrauen. Das Dilemma ist natürlich, dass ein Interessent für einen A7 aus Sicht der Verkäufers zu 90% nicht bei ihm kaufen wird, da es ja irgendwo ein Flottenabkommen für Dienstwagen gibt.

 

Auch andere Mütter haben schöne Töchter und ich eine Ehefrau mit expliziten Vorstellungen. Also wurden BMW 6er und Mercedes CLS Shooting Break ernsthaft als Alternative angeschaut. Um es klar zu sagen, die Professionalität der Beratung bei Mercedes war Welten besser, leider nicht die Bewertung meiner Ehefrau. Mit „Gelsenkirchner Barock“ auf den Lippen stieg sie aus, und weiter ging es zu BMW. „Eingeschnürt“ hauchte sie dem Verkäufer entgegen dessen Gesichtszüge daraufhin lange eine gewissere innere Anspannung zeigten.

 

Es blieb also beim A7, trotz der Händler! Und dann gab es dann doch noch ein Highlight. Nach der gefühlt hundertsten online-Konfiguration waren 2 Dinge klar:

jede Art von vernünftigem Budget ist längst überschritten.

jede Art von halbseidenem Kompromissen ist ab jetzt Verschwendung

Das heisst natürlich nicht, stumpf die ganze Liste anzukreuzen. Unvorstellbar in Schwaben zu verargumentieren, aber so Dinge wie Audi Exclusiv wurden plötzlich interessant. Und damit ein spezielles Lob an die Berater im Audi Werk in Neckarsulm. Die Beratung war erstklassig, auch aus heutiger Sicht 4 Jahre später.

 

Überhaupt das Werk in Neckarsulm. Wir hatten die Individual-Führung durch die R8 und A8 Produktion gebucht. Grossartig! Das Auto wurde gefühlte 10 min erklärt, ja ich weiss, es waren 1,5 Stunden, und dann ging es auf eigenen Rädern Richtung Heimat.

 

Erstes Problem, was für eine Riesenkarre (im Vergleich zu meinem A4)!

Zweites Problem, Automatik. Mein erstes Auto ohne Handschaltung. Ich mochte das nie, aber der Biturbo war nicht anders zu bekommen.

Drittes Problem, totale Entschleunigung. Die Automatik schaltet super soft, der Wagen ist leise und gleitet auf seinem Luftfahrwerk dahin, so dass man sich eher als Zugpassagier denn als aktiver Fahrer fühlt. Na ja, hat ja auch was!

 

Der Umstieg von einem Auto auf ein anderes ist immer eine besondere Zeit. Wa bleibt aber nach 200.000 km und ca 4,5 Jahren?

 

Fahrverhalten:

Der A7 ist ein Auto für die Langstrecke, am besten auf der Autobahn. Super Komfort, leise, schnell. Auf kurvigen Landstrassen dagegen hat mir mein A4 (3.0 TDI ABT) deutlich mehr Spass gemacht. Mit Aktivlenkung und straffer Fahrwerkseinstellung fährt er sich zwar präzise, aber er ist einfach zu breit und zu lang für richtigen Spass. Und dann ist da ja noch die Automatik plus das Turboloch. Man kann es lernen, so würde ich heute sagen. Mit Hilfe der Lenkradwippen und einem gewissen Mass an Unerschrockenheit beim frühen Gasgeben läßt sich die Lücke ausgleichen. Ist aber trotzdem Mist, sorry. Ich mag immer noch Handschaltung. Vielleicht überzeugen mich künftig Elektroturbos oder Elektroautos.

 

Komfort:

Das letzte Kreuz auf der Zubehörliste war bei der Massagefunktion. „Jetzt wird es irre“, war mein Gedanke und „Du musst jetzt bestellen“ ! Aber ein Freund aus England hatte mich überredet. Eine Superentscheidung. Ich glaube, die Komfortsitze sind das Beste am ganzen Auto. Im Sommer geniesse ich die Kühlung, der Seitenhalt ist fantastisch und ich hatte auch nach Extremstrecken nie Rückenschmerzen. Perfekt, und sauteuer!

Kleines Manko: Die Position des Schalthebels passt nicht, Er ist zu weit hinten. Egal weil Automatik? Leider nein! Wenn man von manuellem Modus wieder in Automatik gehen will oder von D auf S, muss man am Hebel ziehen. Bei der Bewegung fällt es auf, die Position stimmt nicht.

 

Zum Komfort gehören auch die vielen kleinen Helferlein, zuallererst das Navi. Es ist leicht, darüber zu schimpfen - überteuert, langsam, schlechte Anbindung an das iPhone und fast nicht nutzbare Internetverbindung. Stimmt! Es gibt aber ein paar Dinge, die wirklich gut sind. Zuallererst die google Verkehrsmeldungen und die Einbindung in die Routenplanung. Das funktioniert wirklich gut - fast wie auf den aktuellen Smartphones. Auch die Tankstellenfunktion (Preise) nutze ich. Leider kann das System mich nicht beraten, welche Tankstellen auf der aktuellen Route liegen. Für das Regenradar ist das nicht ganz so wichtig. Die Funktion nutze ich mehr, als ich das ursprünglich dachte. Gerade im Winter. Was bleibt ist eine gefühlt immer größer werdende Lücke zwischen Leistungen eines smartphones und der MMI Kiste im A7. Mein smartphone bekommt fast jede Woche updates, bei Audi soll ich für Kartenupdates nach 3 Jahren den Betrag für ein smartphone auf den Tisch legen. Interessante Strategie! Beim nächsten Auto werde ich nochmals überdenken, ob ein obszöner Preis die überschaubare Leistungsfähigkeit rechtfertigen kann.

 

Motor:

Schwierig! Einerseits ist der BiTDi ein Sahnestück. Geht ab wie Schmidts Katze, trotz 2t Gewicht. Mein Verbrauch Über 200.000 km liegt bei 7,18 l/100km. Ölverbrauch unter 1L auf 30.000 km. Das ist weniger, als viele andere BiTDi Fahrer berichten aber leicht erklärbar. Wer in Dynamik Mode fährt, entzückt nicht nur seine schlafenden Nachbarn mit speziellem Motorsound, sondern läßt sich gerne auch zu optimistischer Fahrweise verführen. Geht mir auch so. Im E-Modus ist das weg, vollständig weg. Dann wird die Fahrt im A7 zur Bahnfahrt von A nach B bei maximalem Komfort, niedriger Geschwindigkeit und geringem Verbrauch. Ein Opa-Auto, mit 347 PS laut Abt Prüfstand bei 120.000 km. Vielleicht zahlt es sich aus, dass ich all meine Autos nach alter Sitte sorgsam mit wechselnden Drehzahlen und ohne grosse Last einfahre. Bei 5.000 km kommt dann noch ein außerplanmäßiger Ölwechsel dazu. Aber keine Sorge, ab und zu lasse ich die Kuh fliegen - wenn ich keine Eile habe. Mit ganz ruhiger Musik dazu - grossartig!

 

Ja und: andererseits? Andererseits ist da das Thema mit den alternativen Fakten bei der Abgasmessung. Ich teile den Ärger und Zorn, der hier im Forum schon vielfältig zum Ausdruck gebracht wurde. Bis heute irrlichtern Vorstand und Aufsichtsrat dieses Konzerns ohne moralischen Kompass von Monat zu Monat. Die Mitarbeiter, so fürchte ich, werden die Zeche dafür zahlen.

 

Alltagstauglichkeit:

Die grosse Heckklappe mit Fusskick-Funktion ist perfekt. Der Kofferraum ist gross genug für alles, was ich bisher transportieren wollte. Die 3 zusätzlichen Passagiere haben sich nie Über Enge in Auto beklagt, ich habe sie aber auch nicht danach gefragt. Mir würde es auch hinten gefallen, wenn ich jemand anders ruhigen Gewissens mein Auto fahren lassen könnte.

Das wirkliche Problem ist die Größe des Autos. Es ist schlicht parkhausuntauglich. Natürlich fahre ich trotzdem rein. Als Quittung mehren sich auch die Beulen an den Türen. Auch auf der Langstrecke wird die Breite zunehmend ärgerlich. Ich sehe es vor meinem geistigen Auge, dieses Grinsen der Bauarbeiter, wenn sie das Schild mit max Breite 2,0 oder 2,1 m für die linke Spur aufstellen. Was soll das liebe Autoindustrie? Etwas zu breit ist völlige Verschwendung. Warum dann nicht Autos mit 2,50 m Breite? Die liegen im Wedeltest noch besser!

 

Kosten:

So ein A7 ist teuer, vor allem durch die Anschaffungskosten. Aber darüber hinaus habe ich nicht viel Grund zur Klage: 12,8 c/100 km variable Kosten, 31,3 c/100 km fixe Kosten - gesamt 44,1 c/km.

 

fixe Kosten:

Abschreibung (67%) 55.866 € 27,9 c/km

Versicherung 5.002 € 2,5 c/km

Steuern 1.912 € 1,0 c/km

 

variable Kosten:

Reparaturen 2.259 € 1,1 c/km

Inspektion 4.254 € 2,1 c/km

Reifen (60’km/set) 1.992 € 1,0 c/km

Wagenpflege 513 € 0,3 c/km

Diesel (7,18 L/100km) 16.638 € 8,3 c/km

 

 

Das Auto hat keine spezielle Wartungsversicherung. Es ging bisher einfach fast nichts kaputt. Die Reparaturen waren:

Xenonbirne rechts und links (105’ und 150’km) viel zu früh!

Bremsen mit Scheibe hinten (156’ km) war klar, die kommen zuerst beim A7

Eigenbeteiligung Windschutzscheibe nach Steinschlag

Parkrempler ausbessern

 

Und die Bremsen vorne? Sind immer noch original. Ich bringe das am Schluss, sonst hätte so mancher vielleicht aufgehört, weiterzulesen. „Wer bremst, war zu schnell“, ist der lapidare Satz meines Vaters zu Zeiten, wo er bei meinen ersten Ausfahrten mit seinem Auto schreckensbleich neben mir sass. Da ist was dran! Ich bremse viel mit der Automatik, allerdings zunächst durch einen weiten Blick nach vorne. War schon immer eine gute Idee!

 

Und das nächste Auto? Hat noch Zeit. Mein A7 ist ja gerade eingefahren. Nochmal 200.000 sollte er mir bestimmt noch Freude machen, und das relativiert die Sache mit dem Neuwagen ein wenig. Dann sehen wir weiter. Die Autowelt sieht dann sicher ganz anders aus. Vielleicht gibt es dann wieder ein Argument für Audi trotz seiner heutigen Führung. Grossartige Autos zu bauen, wie meinen A7, reicht für mich nicht aus - versprochen!

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