Ford Focus RS (2016-2018): Tracktest, Racing Rookie, Gebrauchte

Nachwuchsförderung im Focus RS

Sven Förster

verfasst am Mon Dec 10 12:19:54 CET 2018

Ein Teenager überlässt uns einen geborgten Kompakten. Ödes Carsharing? Eher der Wahnsinn, im positivsten Sinn: Tracktest im Ford Focus RS für Österreichs Jugend.

Auf einmal war er ein Drifter: Die ersten beiden Generationen des Ford Focus RS kamen mit Frontantrieb, Auflage drei treibt alle Räder an. Und Hunderte österreichische Nachwuchspiloten um. Wir fuhren das Exemplar für die Fahrer-Sichtung "Racing Rookie"
Quelle: ÖAMTC / Ford

Teesdorf - Wie sehr ein Hersteller wirklich an sein Sportmodell glaubt? Sieht man daran, welcher Personengruppe er es überantwortet. Jugendliche ohne Titel-Sammlung haben selten Chancen auf gezeitete Runden in begehrten Kompaktsportlern. Heute bietet sich im Fahrtechnikzentrum Teesdorf eine: Ford Österreich lässt Fahrer im Alter zwischen 16 und 21-Jahren in einem Focus RS antreten. Gegeneinander, gegen die Uhr. Mit 350 PS und Allradantrieb. Aber nicht zwingend mit Motorsport-Vorerfahrung. Bei der Talentsuche „Racing Rookie“ von Ford, dem ÖAMTC und einem lokalen Auto-Magazin ist ein Slalom im RS wesentlicher Bestandteil der Wertung. Daneben wird Kart und Fiesta gefahren.

im Ford Focus Mk.3 RS sorgt ein aufgeladener 2,3-Liter-Vierzylinder für 350 PS und ein maximales Drehmoment von 470 Nm
Quelle: ÖAMTC / Ford
Der letzte Teilnehmer ist durch - und offenbar zufrieden. Mit breitem Grinsen überlässt uns der 19-Jährige den Focus. Brabbelnd und knisternd steht der RS vor uns. In unbeschadetem Zustand, nennenswerte Zwischenfälle gab es nicht. Die weiten Auslaufzonen sind frei von Bremsspuren, mehrere Instagram-Accounts voll vom hellblauen RS.

Von Anfang 2016 bis April 2018 war dieses Modell der Gegenentwurf zu all den kompakten Möchtegern-Racern. Jetzt ist er nur noch als Gebrauchter erhältlich. Zeit für eine Charakterstudie auf dem langen Handlingkurs des ÖAMTC-Geländes. Zwei Schleuderplatten gäbe es auf diesem Areal auch, benötigen wir an diesem Tag aber nicht. Das Heck wirft der Focus schon intrinsisch aus, wenn man ihn lässt. Und dafür braucht es nicht einmal den Drift-Modus.

Den Motor hat Ford noch im Programm

Der Innenraum des Focus RS: Anstelle der serienmäßigen, bereits stark taillierten Sitze bot Ford auch Schalensitze von Recaro
Quelle: Ford
Einsteigen. Im „Racing-Rookie“-Focus RS montierte Ford die optionalen Schalensitze. Mit wilder Optik, gutem Seitenhalt, aber hoher Grundposition. Die Recaros sind in der Höhe nur per Schraubenschlüssel verstellbar. Herrlich ernsthaft, außer man hat keinen Werkzeugsatz zur Hand. Blaue Nähte und aufgesetzte Rundinstrumente unterscheiden den RS-Innenraum von braven Kompakt-Ford. Neben Öltemperatur und -druck lässt sich oberhalb der Mittelkonsole der Ladedruck ablesen.

Maximal klettert die Nadel bei einem serienmäßigen RS auf 1,6 Bar. Der aufgeladene 2,3-Liter-Vierzylinder funktioniert im unteren bis mittleren Drehzahlbereich am besten. Das maximale Drehmoment von 470 Nm liegt zwischen 2.000 und 4.500 Umdrehungen konstant an, die maximale Leistung bei 6.000 Umdrehungen. Im aktuellen Mustang ist dieser Vierzylinder-Benziner noch erhältlich. Dann mit 290 PS für die Hinterachse und optionalem Wandler-Automatikgetriebe.

Quer-Verbindung mit dem Range Rover Evoque

Früher gabs optisch mehr Drama - doch der RS war ab 2016 immer noch klar als solcher zu erkennen. Akustisch sowieso
Quelle: Ford
Der Focus RS kam stets mit manuellem Sechsgang-Getriebe und Allrad. Konkret: Dem in Hobby-Rennfahrerkreisen vielleicht meistdiskutierten Allradantrieb seit jenem des Audi Ur-Quattro. Dabei stammt das Konzept mit zwei elektronisch angesteuerten Lamellenkupplungen für die Hinterachse gar nicht von Ford. Die Lösung des Zulieferers GKN debütierte bereits im ersten Range Rover Evoque. Ford programmierte und verkaufte das System jedoch spannender. Es ging um heckbetonte Kraftverteilung, kontrolliertes Übersteuern.

Im Drift-Modus geht die nach hinten transferierte Kraft mehrheitlich an das kurvenäußere Rad, das Focus-Hinterteil dreht ein. Ob das Spaß macht? Klar - doch wer bereits Allradler quer in Ecken schmiss, wird nicht ganz glücklich. Weil der Focus RS dem Fahrer hier nicht ganz freie Hand lässt, über spürbare Bremseingriffe das Geschehen an der Vorderachse beeinflusst.

Ein Focus zum Anstellen. Aber nicht hinten

Der Ford Focus RS verfügt über einen Drift-Modus. Querfahren klappt aber auch in den Fahrprogrammen "Sport" und "Track" passabel. Mitunter gar besser
Quelle: Ford
Für Donuts auf leeren Flächen passt das bestimmt gut, auf dem Handlingkurs ging es so besser: ESP vollständig aus (ja, das erlaubt er), Track- oder Sport-Modus an. Dann lässt sich der Focus herrlich schön anstellen, also mit einem Lastwechsel zum Übersteuern bringen. Der Tritt aufs Gas ist dann erst Schritt zwei und dient zum Verlängern des Drifts sowie zum Herausziehen aus der Kurve.

Auf rutschigem Untergrund funktioniert das mit vielen Allradmodellen. Das Beeindruckende ist, wie viel Tänzelei der Focus RS auf trockenem Asphalt erlaubt. Und wie berechenbar das mindestens 1.529 Kilogramm schwere Auto dabei bleibt. Klar, so ewig wie in einem Ken-Block-Video halten die Slides mit dem Serienauto nicht an. Der profanste Grund: Blocks Rallycross-Focus ist deutlich stärker.

Mechanische Vorderachssperre erhältlich

Im Laufe seines kurzen Lebenszyklus reichte Ford für den RS Großartiges nach: Etwa eine Quersperre für die Vorderachse oder eine Art hydraulischer Handbremse
Quelle: Ford
Und wenn man nicht quer, sondern schnell sein will? Das funktioniert mit Fords erstem RS-Allradler seit dem Escort Cosworth ebenfalls. Für wellige Sektionen könnte der Sport-Modus geeigneter sein als die Track-Abstimmung. Denn im wildesten Modus stempelt der Focus nach Unebenheiten kurz. Konkreter: zu lange.

Generell schneiden serienmäßige Focus RS bei Breitensport-Veranstaltungen regelmäßig gut ab – auch, wenn keine Semislicks die serienmäßigen Michelin Pilot Super Sport-Sommerreifen ersetzen. Im Laufe der kurzen Bauzeit bot Ford ein paar interessante Optionen. Zum Beispiel das mechanische Sperrdifferenzial für die Vorderachse (im Paket „Blue and Black“). Oder den auf der SEMA 2017 vorgestellten Drift-Stick mit der Wirkungsweise einer hydraulischen Handbremse.

Racing Rookie: Österreicher müsste man sein

Die Motorsport-Talentsuche "Racing Rookie" findet seit 2004 in Fahrtechnik-Zentren des ÖAMTC statt. Der Sieger erhält ein Ford Fiesta Rallye-Fahrzeug
Quelle: Ford
Die Mehrzahl der rund 420 auf mobile.de angebotenen Ford Focus RS 2,3 kommen dennoch mit offenem Front-Diff sowie herkömmlichem Handbremshebel. Und sind damit allemal spaßig und schnell genug. Die Preise starten bei rund 32.000 Euro. Anfängliche Probleme mit der Zylinderkopfdichtung wurden behoben: Für Modelle bis Juli 2017 gab es einen Rückruf, spätere Exemplare des RS waren nicht betroffen.

Der aktuelle Ford Focus der vierten Generation ist noch nicht als RS erhältlich. Geben wird es ihn, vermutlich wieder mit Allrad. Und vielleicht dereinst auch wieder im Rahmen eines "Racing Rookie"-Wettbewerbs. Welche Ford-Modelle jungen Piloten 2019 zur Verfügung stehen? Wird innerhalb der nächsten Monaten auf racingrookie.at stehen. Fiesta in sportlicher Konfiguration gelten als gesetzt. Die Aktion in den Fahrtechnik-Zentren des ÖAMTC ist österreichischen Staatsbürgern vorbehalten.

Ford Focus RS: Technische Daten

  • Motor: 2,3-l-Vierzylinder-Turbobenziner
  • Leistung: 350 PS (257 kW) bei 6.000 U/min
  • Max. Drehmoment: 440 Nm zw. 2.000 und 4.500 U/min
  • Getriebe: Sechsgang-Handschaltung
  • 0-100 km/h: 4,7 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 266 km/h
  • Verbrauch: 7,7 l/100 km (NEFZ)
  • CO2: 175 g/km
  • Länge: 4,390 m
  • Breite: 1,823 m
  • Höhe: 1,470 m
  • Radstand: 2,648 m
  • Leergewicht: 1.529 kg
  • Kofferraum: 260-1.045 l
  • Neupreis bei Marktstart (März 2016): Ab 40.000 Euro
im Ford Focus Mk.3 RS sorgt ein aufgeladener 2,3-Liter-Vierzylinder für 350 PS und ein maximales Drehmoment von 470 Nm
Quelle: ÖAMTC / Ford
Im Laufe seines kurzen Lebenszyklus reichte Ford für den RS Großartiges nach: Etwa eine Quersperre für die Vorderachse oder eine Art hydraulischer Handbremse
Quelle: Ford
Im April 2018 baute Ford den letzten Focus Mk. 3 RS. Gebrauchte Modelle starten auf mobile.de aktuell bei rund 32.000 Euro
Quelle: Ford
Der Innenraum des Focus RS: Anstelle der serienmäßigen, bereits stark taillierten Sitze bot Ford auch Schalensitze von Recaro
Quelle: Ford
Beim Ford Focus RS der dritten Generation lässt sich das Stabilitätsprogramm ESP vollständig deaktivieren
Quelle: Ford
Die Motorsport-Talentsuche "Racing Rookie" findet seit 2004 in Fahrtechnik-Zentren des ÖAMTC statt. Der Sieger erhält ein Ford Fiesta Rallye-Fahrzeug
Quelle: Ford
Der Ford Focus RS verfügt über einen Drift-Modus. Querfahren klappt aber auch in den Fahrprogrammen "Sport" und "Track" passabel. Mitunter gar besser
Quelle: Ford
Früher gabs optisch mehr Drama - doch der RS war ab 2016 immer noch klar als solcher zu erkennen. Akustisch sowieso
Quelle: Ford