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ADAC: Twingo und Smart mit erhöhtem Rußpartikel-Ausstoß - Wenn neue Kleinstwagen räuchern wie alte Diesel

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Schwarze Rauchschwaden kennen wir nur von alten Dieseln. Bis jetzt. Denn in einem ADAC-Test qualmten Twingo und Smart mit dem 1,0-Liter-Sauger als wäre es 1996.

Renault Twingo und Smart: Bei einem ADAC-Test zeigten die beiden Kleinen mit dem 1,0-Liter-Motor einen erhöhten Rußausstoß Renault Twingo und Smart: Bei einem ADAC-Test zeigten die beiden Kleinen mit dem 1,0-Liter-Motor einen erhöhten Rußausstoß Quelle: Renault, Daimler

München – Der neue Renault Twingo mit 1,0-Liter-Dreizylinder-Sauger verbraucht laut dem aktuellen Messzyklus NEFZ auf dem Papier nur 4,2 Liter Benzin. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von 95 Gramm pro Kilometer - und ist ein guter Wert.

Das gilt allerdings nur so lange der Fahrer nicht kräftig aufs Gas tritt. Dann wird der kleine Twingo zum großen Dreckspatz. Nicht, weil er dann mehr verbraucht, oder weil er mehr CO2 ausstößt. Nein, er rußt. Er produziert Feinstaub wie ein alter Diesel von 1996. Das hat der ADAC im Rahmen seines „Ecotests“ festgestellt.

Die ausgestoßene Partikelmasse pro Kilometer liegt beim Twingo 19 Mal so hoch wie bei vergleichbaren Fahrzeugen Die ausgestoßene Partikelmasse pro Kilometer liegt beim Twingo 19 Mal so hoch wie bei vergleichbaren Fahrzeugen Quelle: Renault Der Automobilclub fand heraus, dass Twingo SCe 70 Expression und Smart Forfour 1.0 bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h überdurchschnittlich viele krebserregende Rußpartikel ausstoßen. Beim Twingo geht es laut dem Testprotokoll, das MOTOR-TALK vorliegt, um eine Partikelmasse von 93 Milligramm pro Kilometer. Das ist 19 Mal so hoch wie der Durchschnitt vergleichbarer Fahrzeuge (5 mg/km). Der moderne, 71 PS starke Euro-6-Saugmotor würde in diesem Test die ab 1996 geltende Euro-2-Abgasnorm nicht erfüllen.

Der Smart qualmt mit dem gleichen Motor etwas weniger, aber dennoch zu viel. Mit einer Partikelmasse von 37 mg/km liegt der Ausstoß des Smart "nur" sieben mal höher als der Durchschnitt. Er schafft die Euro-3-Norm für Diesel aus dem Jahr 2000. Daimler versucht laut ADAC, die Abgasproblematik mit einem zusätzlichen Kühlluftschlitz und einer anderen Motorsteuerung in den Griff zu bekommen.

Der NEFZ verlangt nicht mehr

Beim Smart versucht Daimler den Partikel-Ausstoß mit einem anderen Motormanagement in den Griff zu bekommen Beim Smart versucht Daimler den Partikel-Ausstoß mit einem anderen Motormanagement in den Griff zu bekommen Quelle: Daimler Dass die beiden Autos derart aus dem Rahmen fallen, findet auch der ADAC seltsam. Sonja Schmidt, Projektleiterin Ecotest, sagte zu MOTOR-TALK: „Beide Autos nutzen den gleichen 1,0-Liter-Saugmotor und schneiden in unserem Test enorm schlecht ab. Das hat uns vor allem überrascht, weil der Rußpartikel-Ausstoß eigentlich ein Problem von Dieseln und Benzin-Direkteinspritzern ist. Trotzdem liegen Smart und vor allem Twingo deutlich über dem Durchschnitt. Bisher haben Saugmotoren in unserem Test noch nie einen derart hohen Partikel-Ausstoß gezeigt.“

Während bei Smart kein Sprecher zu dem Thema zu erreichen war, versucht Renault zu erklären. „Anhand der hier ermittelten CO2- und CO-Werte ist nachvollziehbar, dass die Strategien zum Schutz von Motor und Katalysator gegriffen haben. Dabei erfolgt zur Begrenzung der Motortemperatur und zur Vermeidung jeglicher Katalysatorschädigungsrisiken eine Anreicherung des Kraftstoff/Luft-Gemischs“, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ eine Renault-Sprecherin. Die Ursache liegt demnach am Heckmotor-Konzept der beiden Kleinstwagen, das thermische Probleme verursacht.

Hinzu kommt: Die kleinen Sauberautos wurden anscheinend konsequent auf den Messzyklus getrimmt. Innerhalb seines Ökotests überprüft der ADAC auch die vom Hersteller angegebenen Normwerte für Schadstoffe und Partikel. Hier bleiben Twingo und Smart sauber und entsprachen den Angaben.

Offenbar wurden Smart und Twingo auf den NEFZ geeicht. Wird die Höchstgeschwindigkeit des Zyklus überschritten, stoßen beide enorm viel Ruß aus Offenbar wurden Smart und Twingo auf den NEFZ geeicht. Wird die Höchstgeschwindigkeit des Zyklus überschritten, stoßen beide enorm viel Ruß aus Quelle: Daimler Beim ADAC-eigenen Autobahnzyklus hingegen werden die Autos auf mehr als die im NEFZ vorgeschrieben 120 km/h beschleunigt. Nämlich zweimal von 80 auf 130 km/h. Erst hier fetteten die Dreizylinder an und begannen zu qualmen. Gesetzlich verboten ist das nicht. Während Rußpartikelfilter für Diesel laut ADAC obligatorisch sind, dürfen Benziner rauchen wie Helmut Schmidt - solange es im Prüfzyklus nicht auffällt.

Ein Lösung für das Problem könnte der neue WLTP-Prüfzyklus („Worldwide harmonized Light Vehicle Test Procedure“) bieten, der ab 2017 den NEFZ ersetzen soll. Hier wird ebenfalls auf 130 km/h beschleunigt. Allerdings lässt sich das Motormanagement kommender Kleinwagen so programmieren, dass die Partikel erst ab 140 km/h fliegen. Eine wirkliche Lösung kann also nur ein realitätsnaher Test bieten. Der ADAC prüft jetzt, ob die Partikelmessung zur festen Größe im Test wird, um heimliche Stinker aufzuspüren.

 

Quelle: ADAC, Süddeutsche Zeitung, MOTOR-TALK

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