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Auto-Design aus Los Angeles - Vom Strand in die Zukunft

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Stadt der Engel. Stadt des Films. Stadt des Designs. Im Speckgürtel von Los Angeles betreiben fast alle Autohersteller Designabteilungen. Wir fragen, warum eigentlich?

Designstudie Roewe Mobiliant der chinesischen Marke SAIC Motor: Das Ameisenfahrzeug war eines der Highlights auf dem diesjährigen Wettbewerb der L. A. Auto Show Designstudie Roewe Mobiliant der chinesischen Marke SAIC Motor: Das Ameisenfahrzeug war eines der Highlights auf dem diesjährigen Wettbewerb der L. A. Auto Show Quelle: SAIC Motor

Von MOTOR-TALK-Reporter Fabian Hoberg

Los Angeles - Möwen kreisen über hellem Sand. Die Sonne funkelt in den Wellen des Pazifiks und aus den Lautsprechern eines schwarzen Chevy tropft die Stimme einer Soulsängerin. Der Strand von Santa Monica in Los Angeles ist der perfekte Ort zum Abhängen. Und zum kreativen Arbeiten.

Nirgendwo finden sich mehr Designstudios als im Großraum Los Angeles. Fast alle großen Autohersteller betrieben hier eigene Kreativabteilungen. In Kalifornien scheinen verrückte Ideen nur so aus dem Filzstift zu sprudeln. Warum das so ist, wollen wir wissen und fragen ausgerechnet einen Professor aus Pforzheim.

„An der Westküste wird Autofahren noch zelebriert und es werden weltweite Trends gesetzt: für Design, für die Autos und für die Käufer“, sagt Design-Professor Lutz Fügener von der Hochschule Pforzheim. Oft spielt Kalifornien im Automobilbereich eine Vorreiterrolle, wie mit seinen strengen Abgasregeln. „Auch das Wetter unterstützt die automobile Kultur“, erklärt Fügener. Bei permanenter kalifornischer Sonne fährt es sich einfach schöner als im verstopften und kalten New York.

L. A. bedeutet auch Auffallen um jeden Preis: Mazdas Studie AUTO ADAPT bleibt im Vergleich beinahe unspektakulär L. A. bedeutet auch Auffallen um jeden Preis: Mazdas Studie AUTO ADAPT bleibt im Vergleich beinahe unspektakulär Quelle: Mazda Design Americas

Aus L. A. kommt, was hip ist

Silicon Valley mit seinen Computerkonzernen und Start-up-Unternehmen ist für amerikanische Verhältnisse nicht weit entfernt. Was jung und hip ist, kommt sehr oft aus der Nähe von L. A. „In Nordamerika ist die Kultur des Vormachens stark ausgeprägt. In Kalifornien leben viele Prominente, Schauspieler und Musiker. Hier wird Meinung fürs ganze Land gemacht“, sagt Fügener.

Allein wegen der Filmindustrie in Hollywood schaut nicht nur der Rest der USA, sondern auch die halbe Welt auf den Küstenstreifen zwischen San Francisco und San Diego. „Los Angeles ist immer noch der wichtigste Designstandort weltweit mit enormer Strahlkraft“, erzählt der Design-Professor. Angehende Autodesigner lassen sich an der anerkannten Uni in Pasadena unterrichten.

Der von CALTY Design erdachte Toyota e-grus soll sich engem Stadtverkehr und der Langstrecke perfekt anpassen Der von CALTY Design erdachte Toyota e-grus soll sich engem Stadtverkehr und der Langstrecke perfekt anpassen Quelle: CALTY Design Research/Toyota Design Network

Als Toyota an die Westküste kam

Als erster Hersteller begriff Toyota das Kreativ-Potential von Los Angeles. 1973 siedelte er ein kleines Team in einem Design-Biotop in El Segundo an. Die Mitarbeiter des Calty Design Research sollten verstehen, wie die Amerikaner ticken. Heraus kam wenig später die zweite Generation der Celica – ganz nach dem Geschmack der Amerikaner. Heute designen hier rund 100 Kreative für die Marken Toyota, Lexus und Scion.

Auch Daimler und VW saugen Design-Trends und -Strömungen weltweit auf. Die Schwaben unterhalten Studios in Sindelfingen, China, Japan, Italien und natürlich in Kalifornien. Volkswagen beschäftigt in sieben Studios weltweit rund 650 Mitarbeiter. „Durch die Formensprache wird die Marke gestaltet. Das muss international ankommen.“, sagt Daimler-Chefdesigner Gordon Wagener.

Ein zweiter Entwurf von BMW: S.E.E.D. (Sustainable Efficient Exploratory Device) kann springen und tauchen - in der Theorie Ein zweiter Entwurf von BMW: S.E.E.D. (Sustainable Efficient Exploratory Device) kann springen und tauchen - in der Theorie Quelle: BMW Group DesignworksUSA

Autos wie Ameisen

Der State of the Art im Autodesign wird jeden November am Rande der L. A. Autoshow präsentiert. Seit zehn Jahren werden unter einem abgedrehten Motto Designentwürfe für Autos von übermorgen prämiert. Der Kreativwettbewerb produziert bizarre Ideen und verrückte Funktionen, die aus heutiger Sicht gnadenlos unrealistisch wirken. Doch das macht den Reiz gegenüber den seriennahen Studien anderer Messen aus. Das Thema 2013: „Biometrik und Mobilität 2025 und die Antworten der Natur auf Herausforderungen für die Menschheit“.

Das sperrige Motto ringt den Designern Weitblick ab. Wer Angst vor Visionen hat, verliert. Die entworfenen Fahrzeuge müssen sich an der Natur orientieren. Sie sollen möglichst biometrisch funktionieren oder besonders ökologisch sein.

Was dabei rauskommt? Dem Suba-Roo scheint kein Weg zu steinig. Einziger Haken des känguruähnlichen Springfahrzeugs von Subaru: garantierte Übelkeit bei den Insassen. Der Roewe Mobiliant von Saic Motor China ist eine symbiotische Kreuzung aus Ameise und Trompetenbaum. Er fährt auf allen Straßen und klebt sich zum Parken an die Hauswand. Am Ende stehen neben dem mechanischen Känguru und der fahrenden Ameise Fahrzeuge, die an Schilf oder Samenkörner erinnern. Die Natur als bestes Forschungslabor der Autoindustrie.

Der SUBA-ROO verfügt über eine System zur Energierückgewinnung und springt auf nur einem "Fuß" Der SUBA-ROO verfügt über eine System zur Energierückgewinnung und springt auf nur einem "Fuß" Quelle: Subaru Global Design Team

Tokio ist zu stressig

Neben Los Angeles entwickelt sich in den letzten Jahren Tokio zum Design-Hot-Spot. Dazu kommen die Absatzmärkte in China und Indien. Auch sie ziehen Entwickler und Ingenieure an, die neue Kreativ-Biotope gründen. „Die Japaner haben die Verkehrsprobleme, die wir haben, immer ein paar Jahre früher“, weiß Professor Fügener. Japan verstehen heißt übersetzt, Europa übermorgen verstehen. Platznot, Umweltanforderungen und Standortprobleme sind handfeste Probleme, die die Japaner lösen müssen. Und sie arbeiten mit Hochdruck daran.

Die kalifornische Weitsicht dagegen hat noch einen kleinen Haken: Zur Teilnahme am Wettbewerb benötigen die Designer keine maßstabgetreuen Studien, sondern lediglich aussagekräftige Zeichnungen. Das macht die Sache deutlich einfacher. Es nimmt ihr aber auch den Druck. In Kalifornien reicht es, erstmal nur auf dem Papier kreativ zu sein. Oder am Bildschirm, aber Hauptsache am Strand.

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