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Renn-Golf im XXL-Format

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Er leistet satte 440 PS, kommt auf ein maximales Drehmoment von 540 Nm und verfügt über Allradantrieb: Mit dem spektakulärsten VW Golf aller Zeiten will VW beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring für Furore sorgen.

Kann ein Golf beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring den Gesamtsieg schaffen? Gegen die Armada von schnittigen GT3-Rennautos vom Schlage eines Porsche 911, Mercedes SLS oder Audi R8?

Viele Golf-Fans würden sich nichts sehnlicher wünschen, als dass der neue, extrabreite, 440 PS starke Super-Golf24 dem Nordschleifen-Establishment mal ordentlich einheizt. Doch so reizvoll diese Vorstellung auch sein mag, realistisch ist sie nicht.

"Nein, nein, um den Gesamtsieg fah-ren wir nicht auf dem Nürburgring", winkt Volkswagen-Technikvorstand Ulrich Hackenberg ab. "Das ist kein Thema, denn prinzipbedingt ist die

Aerodynamik bei einem Schrägheckauto wie dem Golf24 nicht so gut wie bei einem reinrassigen Sportwagen."

Der VW Golf24 ist ein Golf im Cinemascope-Format. Stattliche zwei Meter misst er in der Breite; das sind 22 Zentimeter mehr als in der Serie. Wie es sich für ein ordentliches Rennauto gehört, duckt sich der Golf24-Kraftwürfel aus Hannover tief auf den Boden. In den Radhäusern machen sich riesige Reifen breit. 68 Zentimeter beträgt der Durchmesser der Dunlop, satte 30 Zentimeter sind sie breit. Ein Splitter an der Front sowie ein Diffusor am Heck machen sich ebenso um hohe Abtriebswerte des Golf24 verdient wie ein Heckflügel und der glattflächig verkleidete Unterboden.

Fünfzylinder-Turbomotor mit 440 PS

Der Windkanal bringt die Bestätigung: "Bei 260 km/h hat dieser Golf mehr als 250 Kilogramm Abtrieb", verrät Andreas Lautner, der Technische Direktor von Volkswagen-Motorsport. Beim Thema Windschlüpfigkeit werden die Techniker aber eher einsilbig. Es gilt als unwahrscheinlich, dass der Golf24 auf der fast drei Kilometer langen, aber leicht ansteigenden Gerade

"Döttinger Höhe"die 250-km/h-Marke knacken kann. Zum Vergleich: GT3-Renner à la Audi R8 erreichen dort gut 270 km/h.

440 PS leistet der 2,5-Liter-Turbomotor, exakt vier Mal soviel wie die Straßenversion des Ur-GTI vor nunmehr 35 Jahren. Ebenfalls sehr bemerkenswert ist das maximale Drehmoment des quer eingebauten Fünfzylinders: 540 Newtonmeter. Geschaltet wird im Golf24 per Schaltwippe am Lenkrad, wie in den GT3-Autos auch. Eine Pneumatik kümmert sich darum, dass das Fingerzucken des Fahrers umgehend von dem Sechsganggetriebe umgesetzt wird.

Der Startschuss für das Projekt Golf24 fiel im August letzten Jahres. Kurz vor Weihnachten drehte Testfahrer Thomas Mutsch im portugiesischen Portimao die ersten Proberunden. Die Stoppuhren zeigten ermutigende Zeiten.

Mutsch war mit dem Golf24 lediglich 3,5 Sekunden langsamer als die schnellsten, bereits gründlich ausgetesteten GT3-Renner. Wer beim ersten Test pro Kilometer nur um knapp eine Sekunde langsamer ist als die Top-Favoriten, muss sich wahrlich nicht verstecken. Die Stärken des Golf24 liegen in den Kurven. "Da waren wir ja schon im letzten Jahr mit den Scirocco schneller als die meisten GT3-Autos", strotzt Andreas Lautner voller Selbstbewusstsein.

Golf24 mit Traktionsvorteil

In diesem Jahr kommen noch Traktionsvorteile dazu. Denn als Einziger im Favoritenfeld rennt der Golf24 mit Allradantrieb. Kein Wunder, dass sich alle bei VW für das große Rennen nichts sehnlicher wünschen als Regen. Oder gemischte Verhältnisse, also Sonne und Regen in möglichst rascher Folge.

"Das wäre noch besser für uns", glaubt Lautner. "Denn unser Dunlop-Regenreifen ist mit Sicherheit derjenige, der im Trockenen am längsten funktioniert ohne abzubauen."

Beim Allradantrieb hält sich VW noch zwei Versionen offen. "Wir entscheiden erst nach weiteren Testfahrten, ob wir die Option mit einer Kraftverteilung von 50:50 oder die Variante mit Planetenradgetriebe und einer Kraftverteilung von 40:60 zugunsten der Hinterachse in den Golf24 einbauen", sagt Technikchef Lautner. Die Option Numero zwei gilt im Golf24 als die technisch elegantere, die Vorderreifen schonende Variante. Der Nachteil: fünf Kilogramm mehr Gewicht, und zwar dort, wo man es gar nicht brauchen kann ? am Bug.

Am 25./26. Juni stemmt sich Volkswagen beim 24-Stunden-Spektakel in der Eifel mit drei dieser Super-Golf24 gegen die scheinbar übermächtige Phalanx der GT3-Renner. Wie groß die Chancen auf eine einstellige Platzierung ? oder sogar noch etwas mehr ? sind, das entscheidet sich bei der so genannten Balance of Performance, kurz BoP. Eine von Ex-Formel 1-Motorenkonstrukteur Norbert Kreyer geleitete Sachverständigen-Kommission ermittelt für jeden Autotyp das rechte Maß an Konkurrenzfähigkeit. Man tüftelt an den Stellschrauben Gewicht, Tankgröße und Größe des Air-Restriktors, auch an der Motorleistung.

Klar, dass keines der Werksteams seine Karten voll aufdecken will, bevor die Unparteiischen ihr Verdikt gefällt haben. Bei den Vorbereitungsrennen werden also alle so gemächlich wie möglich fahren, um sich eine günstige Verhandlungsposition an Kreyers Verhandlungstisch zu sichern. "Sandbagging" nennt man das im US-Rennsport. Und wer weiß: Vielleicht sind es ja die Männer von VW-Motorsport, die diesmal besonders geschickt pokern.

 

 

 

Quelle: Auto Motor und Sport

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