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Autos für den Film: Reportage - Moviecars: Stuntprofis und Statisten aus Blech

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Herbie war auch bloß ein Käfer aus der Requisite: Jan Kubkowski vermittelt solche Fahrzeuge an die Filmindustrie. Für MOTOR-TALK öffnet der Berliner seine Garage.

Jan Kubkowski vor einem Toyota Land Cruiser, auch Buschtaxi genannt. Der Wagen spielte im Actionfilm "Point Break" mit. Für Stuntszenen baute Kubkowskis Team einen Stahlrohrkäfig ein, die Scheiben sind aus splitterfestem Kunststoff Jan Kubkowski vor einem Toyota Land Cruiser, auch Buschtaxi genannt. Der Wagen spielte im Actionfilm "Point Break" mit. Für Stuntszenen baute Kubkowskis Team einen Stahlrohrkäfig ein, die Scheiben sind aus splitterfestem Kunststoff Quelle: Haiko Prengel

Berlin - „Ich habe denen gesagt: Hey Leute, das ist ein Quattro”, erinnert sich Jan Kubkowski und grinst. Einen Audi RS7 sollte er für die Stunt-Szenen in „Hitman: Agent 47” besorgen. Klar, mit seinen 560 PS ist das Biturbo-Coupé Verfolgungsjagd-tauglich. Aber der Audi sollte auch ordentlich um die Kurven driften.

Driften? Der technische Einwand löste bei der US-Filmcrew nur Fragezeichen aus. „Quaaattroooo – der RS7 hat Allradantrieb!”, wurde Kubkowski konkret. Driften kann man natürlich nur mit Hecktrieblern - Ausnahme auf Eis und Schnee. Aber da hörten die Filmleute schon nicht mehr zu.

Auftrag ist eben Auftrag. Und „Geht nicht” gibt es nicht im Filmbusiness, sagt Jan Kubkowski. Er musste also einen driftenden Super-Audi liefern, und das möglichst bald – wie, das war den Produzenten ziemlich schnuppe.

Diese alte Heckschleuder (Opel Rekord C) spielte im Film "Der Baader Meinhof Komplex" über die Rote-Armee-Fraktion und den Deutschen Herbst 1977 mit Diese alte Heckschleuder (Opel Rekord C) spielte im Film "Der Baader Meinhof Komplex" über die Rote-Armee-Fraktion und den Deutschen Herbst 1977 mit Quelle: Haiko Prengel Kubkowski ist verrückte Aufträge gewöhnt, und meist findet er eine Lösung. Der Berliner hat sich auf die Organisation von Fahrzeugen für die Filmindustrie spezialisiert. Mit zwei Kollegen führt er das Unternehmen film-autos.com, nach eigenen Angaben Europas größte Oldtimer-Datenbank für Kinoproduktionen, TV-Spots und andere Events.

C-Rekord ja, 60 Panzer nein

„Unser Fundus umfasst mehr als 3.500 Fahrzeuge”, erklärt Kubkowski, „vom Mofa bis zum Binnenschiff”. Das Gros der Oldtimer sind natürlich Autos. Die meisten gehören Privatleuten und können auf Wunsch für ein paar Drehtage gebucht werden. Einige automobile Requisiten stehen auch auf Kubkowskis Hof, eine knappe Autostunde östlich von Berlin entfernt.

So verwittert auf dem Gelände zum Beispiel ein alter Rekord C aus Bernd Eichingers „Der Baader Meinhof Komplex” - einem Film über die linksextremistische Rote Armee Fraktion.

Nebenan steht ein brauner Polski Fiat 125p, der in der TV-Serie „Weißensee” mitspielte. Wenn eine Produktionsfirma ein Auto bucht, winken dem Halter oder Verleiher zwischen 300 Euro und 800 Euro pro Drehtag, je nach Aufwand und Fahrzeugtyp. Ein Renault Clio für die Statistenrolle am Straßenrand ist natürlich günstiger als ein Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg.

Einmal fragte eine russische Filmproduktionsfirma „sechs bis zehn Tiger-Panzer” aus Ex-Wehrmachtsbeständen an, für 60 Drehtage. „Da habe ich denen gesagt: Vergesst das mal ganz schnell wieder”, sagt Kubkowski und lacht.

Privat sammelt der Filmausstatter mit großer Leidenschaft alte Ford Escort. Aus den Oldtimern will er sich bald einen Rennwagen zusammenbauen Privat sammelt der Filmausstatter mit großer Leidenschaft alte Ford Escort. Aus den Oldtimern will er sich bald einen Rennwagen zusammenbauen Quelle: Haiko Prengel

Papamobil aus GFK

Allen Anfragen kann der Berliner eben doch nicht gerecht werden. Aber vielen. Für Sonderwünsche baut Kubkowskis Spezialfirma Pit-Crew auch schon mal ganze Autos auf, um oder nach. Eine Mercedes M-Klasse beispielsweise wurde mit einem Sonderaufbau aus GFK zum Papamobil umgerüstet und spielte in einer Komödie von Bully Herbig mit.

Für den Actionfilm „Point Break” fabrizierte die Crew nicht weniger als 16 italienische Polizeiautos. Für eine Riesen-Schießerei vor einer Bank, bei der herumstehende Fahrzeuge von Kugeln durchsiebt werden. „Bei dem Dreh wurden alle 16 Autos zerkloppt”, erzählt der Filmausstatter und grinst.

Privat steht der 35-Jährige eher auf Brot- und Butter-Autos. Während die Ex-Filmfahrzeuge draußen im Freien stehen, darf ein altes Alltagsauto Plätze in der trockenen Halle parken: Gleich zehn Ford Escort MK2 verwahrt Kubkowski in seiner Schrauberhalle. Vor 40 Jahren mobilisierte der kompakte Hecktriebler in Deutschland die Massen, zusammen mit seinem Hauptkonkurrenten Opel Kadett C.

Leidenschaft: Ford Escort Mk2

Warum diese Wertschätzung? Der Escort gilt als einer der erfolgreichsten Rallye-Wagen der Automobilgeschichte. Schon die zivilen Versionen hatten ein hervorragendes Leistungsgewicht, die getunten Rennversionen waren Geschosse. Mit Escort RS 1800 wurden Björn Waldegard 1979 und Ari Vatanen 1981 als bis heute einzige Fahrer in einem Ford Rallye-Weltmeister. 1979 holte Ford zudem mit zahllosen Siegen den Markentitel.

Auch biedere Autos können es zum Film schaffen. Dieser betagte Golf II spielte in einem Musikvideo der Rockband Jennifer Rostock mit Auch biedere Autos können es zum Film schaffen. Dieser betagte Golf II spielte in einem Musikvideo der Rockband Jennifer Rostock mit Quelle: Haiko Prengel Das Escort-Topmodell in Deutschland war der RS 2000 mit zwei Litern Hubraum, 110 PS und Frontpartie aus Polyurethan. Genau so einen RS 2000 hat Jan Kubkowski in seiner Schrauberhalle stehen. Bald will er aus den zehn zusammengehamsterten Escort einen richtigen Rally-Wagen aufbauen und auf echte Rennpisten gehen.

Rutsch-Kit für den Hitman-Audi

Und was wurde aus dem Audi RS7 für „Hitman: Agent 47”? Zunächst fragte Kubkowskis Team bei Audi in Ingolstadt an: ob es technische Möglichkeiten gebe, aus dem RS7 Quattro einen RS7 mit Heckantrieb zu machen. „Die gab es natürlich nicht”, erzählt der Filmausstatter. Bei modernen Allradantrieben lässt sich die elektronisch geregelte Kraftverteilung nicht einfach umprogrammieren.

Lange wurde hin- und herüberlegt. Die Lösung „Easydrift”. Ein Tunig-Kit aus den USA, bei dem Plastikringe über die Hinterräder gezogen werden. Das entfernt effektiv jeden Grip und führt zu einem Fahrgefühl wie mit Sommerreifen auf der spiegelglatten Eisfläche. „Damit kann man auch einen Bus zum Driften bringen”, sagt Kubkowksi. Oder eben einen Audi Quattro.

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