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Update: Brief von Stadler, Rückruf in Kalifornien - Liebe Audianer, das wird uns Millionen kosten

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Audis Schummeleien in den USA sorgen für schlechte Stimmung im Unternehmen. Aus diesem Grund richtet sich der Chef nun persönlich an alle Mitarbeiter, in einem Brief.

Rupert Stadler ist seit 2007 Vorstandsvorsitzender von Audi Rupert Stadler ist seit 2007 Vorstandsvorsitzender von Audi Quelle: picture alliance / dpa

Ingolstadt – Ja, auch Audi hat geschummelt. Das haben die Ingolstädter mittlerweile zugegeben. Zumindest so ein bisschen. Rupert Stadler, dessen Ruf als unbefleckter Manager bröckelt, will die Missstände so schnell wie möglich aus der Welt räumen. Dafür flog der Vorstandsvorsitzende persönlich in die USA - und wandte sich nun persönlich an seine Mitarbeiter, in einem Brief, den der „Donaukurier“ in voller Länge veröffentlichte.

Darin schreibt Stadler: "In technischen Gesprächen Ende vergangener Woche mussten unsere Motorenentwickler in den Labors der US-Behörden in Detroit einräumen: Wir haben unsere Dokumentationspflicht verletzt und drei Software-Bausteine der Motorsteuerung nicht offen gelegt." Nicht offen gelegt, das klingt nach Absicht. Aber nicht nach einem Schuldeingeständnis, nach einer Entschuldigung sowieso nicht.

Rasche, unkomplizierte und kundenfreundliche Maßnahmen

Stadler schreibt weiter, er habe mit den US-Behörden vereinbart, bei allen betroffenen Motoren den entsprechenden Softwarebaustein zu aktualisieren. „Das wird uns in Summe schätzungsweise einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten. In Kürze wollen wir mit den Behörden rasche, unkomplizierte und kundenfreundliche Maßnahmen erarbeitet haben“, verspricht der Audi-Chef und bittet die Belegschaft darum, alle Energie in die Zukunft zu richten. „Auf faszinierende Produkte, von denen jedes einzelne ein ehrliches Versprechen an unsere Fans ist.“

Im Mai 2015 war die Welt für die beiden noch in Ordnung: Martin Winterkorn, Aufsichtsratschef von Audi, und Audi-Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler Im Mai 2015 war die Welt für die beiden noch in Ordnung: Martin Winterkorn, Aufsichtsratschef von Audi, und Audi-Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler Quelle: picture alliance / dpa Ob diese Worte die Mitarbeiter milde stimmen? Das wäre auf jeden Fall notwendig. Die Stimmung bei Audi ist nach Informationen des "Bayerischen Rundfunk" so schlecht wie noch nie. Und die Frage "Was wusste Stadler?" wird immer öfter gestellt. Schließlich ist der Manager seit 2007 im Amt und war ein enger Vertrauter von Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Wird der Skandal auch Stadler den Job kosten?

Stadler treibt die Aufklärung voran

Aus Ingolstadt ist zu erfahren, dass Stadler sich nichts habe zu Schulden kommen lassen, schreibt die Nachrichtenagentur dpa. Im Gegenteil. „Herr Stadler treibt die Aufklärung mit hohem Nachdruck persönlich voran“, sagt einer seiner Sprecher. Im Unternehmen sei zunächst davon ausgegangen worden, dass die Software, die in den USA als betrügerisch eingestuft wird, nicht genehmigungspflichtig gewesen sei. Laut eines Berichts der "Süddeutschen Zeitung" (online) habe Stadler seine Manager mehrfach gefragt, ob die Audi-Motoren sauber seien. Die Antwort sei stets die gleiche gewesen: Ja. Als der Betrug dann aufflog, sei er "fuchsteufelswild" geworden - und in die USA geflogen.

Demnach hätte der Betriebswirt Stadler nichts gewusst. Genau das hat auch der Ingenieur Martin Winterkorn bis zum Schluss von sich behauptet. Trotzdem legte er sein Amt nieder. Ein Vorstandsvorsitzender, der so wichtige Vorgänge in seinem Unternehmen nicht kennt, ist für den Posten kaum besser geeignet als einer, der es gewusst hat.

Einen Unterschied zum Fall Winterkorn gibt es aber allemal: Die Schummeleien in den USA wögen auf den ersten Blick bisher nicht so schwer wie die Software-Manipulationen bei VW, sagt Autoexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler der dpa. Deshalb glaube er nicht, dass Stadler am Ende gehen müsse.

Update, 26.11.2015, 14:17 Uhr: Audi hat zwei Mitarbeiter in der Technischen Entwicklung beurlaubt. Das sagte Rupert Stadler am Mittwoch dem „Donaukurier”.

Update, 26.11.2015: Audi, VW und Porsche müssen 15.000 Autos in den USA zurückrufen

Mittlerweile hat die kalifornische Umweltbehörde CARB den Herstellern Audi, VW und Porsche eine Frist gesetzt. Innerhalb von 45 Geschäftstagen soll der Konzern einen Rückrufplan für Fahrzeuge mit 3,0-Liter-Turbodiesel vorlegen. Zunächst gehe es jedoch nur um den Zuständigkeitsbereich der kalifornischen Behörde, also um etwa 15.000 Fahrzeuge.

Insgesamt seien in den USA 85.000 Audi, VW und Porsche vom zweiten Software-Skandal betroffen. Bisher habe VW der US-Umweltbehörde EPA in diesem Fall noch keine Pläne zur Beseitigung der Manipulationen vorgelegt, sagte eine EPA-Sprecherin der dpa.

Hier der Brief im Wortlaut:

"Liebe Audianer,

seit zwei Monaten vergeht kaum ein Tag ohne Neuigkeiten zur Diesel-Thematik. Auch wenn wir Sie laufend mit dem Audi mynet und der täglichen Presseschau informieren, ist es mir dennoch ein Anliegen, Ihnen den neuesten Stand der Dinge persönlich mitzuteilen.

Mit dem 3.0 TDI V6-Motor steht erstmals ein von Audi entwickelter Diesel-Motor im Fokus. Laut den amerikanischen Behörden Environmental Protection Agency (EPA) und California Air Resources Board (CARB) seien drei AECD (Auxiliary Emission Control Devices) bei der US-Typzulassung nicht ausreichend beschrieben und deklariert worden. Dies soll nun mit einer aktualisierten Software und der Dokumentation sowie Zulassung der drei Funktionen nachgeholt werden.

Mir war es wichtig, vergangene Woche gemeinsam mit einem Expertenteam in die USA zu reisen. Wir suchten dort eine Gelegenheit, den Behörden den Sachverhalt zu erläutern. Um unsere volle Kooperations-Bereitschaft zu demonstrieren, hatten wir schon im Vorfeld einen freiwilligen Verkaufsstopp der betroffenen Modelle auf dem US-Markt beschlossen.

In technischen Gesprächen Ende vergangener Woche mussten unsere Motorenentwickler in den Labors der US-Behörden in Detroit einräumen: Wir haben unsere Dokumentationspflicht verletzt und drei Software-Bausteine der Motorsteuerung nicht offen gelegt. Mit ihnen schützen wir unter anderem das AdBlue Dosierventil vor Ablagerungen und den SCR-Katalysator vor unverbrannten Kohlenwasserstoffen. Die dritte Funktion regelt die Temperatur des Abgasreinigungs-Systems insbesondere bei kaltem Motor und niedriger Last. Letzteres stufen die US-Behörden mit Blick auf die verwendeten Parameter als gesetzlich unzulässig ein. Die Amerikaner sprechen von einem „Defeat Device“.

Wir haben sofort gehandelt und zusätzlich zu den bisherigen Aufklärungsaktivitäten sowohl interne als auch externe Untersuchungen begonnen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir die Umstände vollständig untersuchen und vollumfänglich aufklären. Das sind wir uns, das sind wir unserer Marke schuldig!

Für die Kunden aller drei betroffenen Konzernmarken Audi, Volkswagen und Porsche will ich das Thema schnell aus der Welt schaffen. Bei der Marke Audi wurde der Motor in den Modellen A6, A7, A8, Q5 und Q7 seit Modelljahr 2009 in Nordamerika eingebaut. Mit den Behörden haben wir sofort vereinbart, dass wir die Software-Parameter des Motor-Steuergeräts bei allen nordamerikanischen Kunden mit V6 3.0-Dieselmotor aktualisieren werden. Das wird uns in Summe schätzungsweise einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten. In Kürze wollen wir mit den Behörden rasche, unkomplizierte und kundenfreundliche Maßnahmen erarbeitet haben. An dieser Stelle danke ich allen Kollegen, die die schwierigen Gespräche vorbereitet bzw. geführt haben.

Lassen Sie uns jetzt all unsere Energie auf die Zukunft richten. Auf faszinierende Produkte, von denen jedes einzelne ein ehrliches Versprechen an unsere Fans ist. Ich bin überzeugt: Wenn wir uns voll und ganz auf unsere Kunden und ihre Erwartungen konzentrieren, fahren wir weiter auf Erfolgskurs.

Herzliche Grüße,

Ihr Rupert Stadler"

Quelle: Donau Kurier, dpa, Bayerischer Rundfunk

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