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Berliner Künstler baut aus Autoschrott Roboter, die Musik machen - Kolja Kuglers Musik-Roboter

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Kolja Kugler schenkt alten Autoteilen ein zweites Leben. Aus Schrott baut er Skulpturen. Mit denen tritt er regelmäßig als Band auf.

Berlin - Der Bassist zupft an einer Seite, dreht ruckartig den Kopf zum Drummer, nickt. Sofort haut der Schlagzeuger auf das Tomtom, tritt mit dem Pedal die Basedrum. Bumm-tschak-bumm-tschak. Der Sound klingt dumpf, aber melodisch. Nicht schlecht für zwei Musiker aus altem Eisen. Genauer gesagt: Das Duo besteht aus Schrott, ausschließlich. Die zwei Typen sind Roboter, „Boom Chuck“ und „Afreakin Bassist“. Kunstwerke des Berliner Künstlers Kolja Kugler.

Zuerst kam Manager Sir Elton Junk

Die Riesen sehen aus wie alte Kollegen des Terminators T-1000: groß, blechern und mit der Anmut von C-3PO. Bewegt werden die Glieder von rund 30 Zylindern, ein Kompressor drückt zwölf bar Druck an jeden einzelnen. Über ein Mischpult spielt Kugler die Töne. „Ich kann die Maschinen wie ein Puppenspieler bedienen. Aber zwei gleichzeitig, das schaffe ich nicht, dann lasse ich ein Programm laufen“, sagt Kugler.

Altmetall und Autoersatzteile sind Knochen und Fleisch der Maschinen. „Autos spielen keine spezielle Rolle in meiner Arbeit. Aber da es viel Autoschrott gibt, verwende ich ihn für meine Kunst.“ Der Bassist steht auf Ventildeckeln von BMW. Am Kopf hängt ein Blech vom VW Golf II, die Stirn besteht aus einem Teil VW T1, die dicken Lippen sind Schoner einer Anhängerkupplung. Den Bassist kleiden bunte Blechteile von Simson-Schwalbe-Motorrollern. „Dass ich die Teile gefunden habe, war ein Glücksfall, so was gibt es auf dem Schrott kaum mehr“, sagt Kugler.

350 Kilo wiegt der Bassist

Nur wer genau hinguckt, erkennt die Teilespender. Die ursprüngliche Form erhält Kugler. Aber in der Gesamtkomposition geht die Individualität der Blechteile unter. „Ich mag es, in meinen Skulpturen Dinge einzubauen, die der Zuschauer jeden Tag sieht, aber nicht direkt erkennt. Offensichtliche Teile verschwinden hinter der Form der Skulptur“, sagt der Künstler.

„Mit einer Idee verfolge ich eine Figur. Aber kommt ein zweites Teil dazu, ändert sich oft die Richtung des Werks“, sagt Kugler. Er lässt sich gern treiben, überraschen. „Die Komposition, die sich selbst zusammenfindet, ist für mich eine Mutation, die nächste Evolutionsstufe. Es ist eine Metamorphose von einem Produkt über Schrott bis hin zu einem neuen Wesen“, erklärt der Künstler.

Unverkäufliche Einzelstücke

Vier Jahre Arbeit stecken im Bassisten, der Drummer brauchte nur 365 Tage. Die Skulpturen sind unverkäuflich. „Die Arbeit gleicht der an einem Ölgemälde: Es ist ein ständiger Prozess und geht nur mit kleinen Schritten voran.“ Manchmal hilft ein wenig Abstand zu einer neuen Idee. „Meine Skulpturen sind eine Huldigung an das Leben und an die Natur. Was ist natürlich, was unnatürlich? Meinen Maschinen, die aus kaltem, toten Stahl bestehen, hauche ich Leben ein. Aus unorganischen Teilen wird ein organisches Teil. Für mich sind das Lebewesen, ein Teil Natur.“ Aus wie vielen Einzelteilen der gut 250 Kilogramm schwere Afreakin Bassist besteht, weiß Kugler nicht. Die Manager-Figur Sir Elton Junk wiegt 70 Kilogramm, der Drummer 350.

 

 

Anarchistisch, düster und gleichzeitig inspirierend

Von seiner Kunst kann der 42-Jährige erst seit vier Jahren leben. Vorher arbeitete er in der Berliner Kunst- und Party-Szene, veranstaltete Techno-Partys, Underground-Raves und war Theater-Techniker. Die britische Band „Mutoid Waste Company“ brachte Kugler 1992 erstmals mit Kunst und Schrott in Berührung. Der Berliner wohnte damals am Potsdamer Platz in einer Wagenburg. Gegenüber schlugen die Musiker der Band ihr Lager auf. Man freundete sich an, hing miteinander ab. „Das war ein wie in den Mad-Max-Filmen. Anarchistisch, düster und gleichzeitig inspirierend.“ Der finstere Look begeisterte ihn, Metallverarbeitung sowieso.

„Kurz nach der Wende waren die Schrottplätze des russischen Militärs ein Paradies", sagt er. Kugler lernt schweißen, aus einer Übungsrakete baute er eine Vogel-Skulptur. Die ersten Skulpturen entstehen auf dem Todestreifen, dort schweißt und flext er.

Nach dem Rückzug der Armee wurden die Militärschrottplätze rarer. Seitdem sucht er seine Baumaterialien auf Autoschrottplätzen. In seiner Werkstatt in Berlin-Pankow stapeln sich Kisten mit ausrangierten Teilen. Die Metall-Band soll weiter wachsen, ein Keyborder fehlt noch. „Der muss sich entwickeln, zwei Jahre ungefähr“, sagt Kugler.

Die Band geht europaweit auf Tour

Die Idee zu seiner „One Love Machine Band“ kam ihm vor 15 Jahren. Nachdem er mittels Pneumatik den Kopf von Sir Elton Junk zum Nicken brachte, übertrug er das Prinzip auf eine Metallband. Die Blech-Musiker treten bundesweit auf. „Es ist wie ein Zirkus, nur dass die Darsteller nicht leiden “, sagt der Berliner. Die Songs produziert er selbst, Drum and Base, Reggae, Blues oder Soft Rock. Auf ein Genre legt er sich nicht fest. „Nur Heavy Metal geht nicht, das wäre zu klischeehaft. Die Band ist schon hart genug, da können die Songs weich sein.“

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