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Classic Driving News

Fünfer mit Zusatzzahl

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Anfangs war der BMW 5er (E12) ein Softie. Er leitete 1972 die Kuenheim-Ära der sanften, komfortablen Automobile ein. Später griffen die BMW-Ingenieure tief ins Motorenregal und schufen mit dem BMW 528i eine souveräne Sportlimousine.

Das bunte, candy-like Rubinrot steht ihm ausgezeichnet. Es signalisiert schon von Weitem und nicht erst in der glühenden Abendsonne, dass dieser BMW 5er etwas Besonderes ist - ein BMW 528i, das Topmodell der Baureihe. Auch in der plakativen Farbwahl zeigt sich die kompakte Limousine als ein Kind der Siebziger. Wenn damals in der Doppelgarage neben dem Bungalow mit weiß gestrichenen Klinkern eine BMW R 100 RS geparkt hätte, wäre das Klischee perfekt.

BMW wirbt mit "Leistung fordert Belohnung"

BMW hat diese Doppelung als Anzeigenmotiv kultiviert, mal mit dem Lifestyle- Coupé 633 CSi, mal mit der kompakten Sportlimousine BMW 528i: "Leistung fordert Belohnung", titelten die Werbetexter der Agentur Spiess & Ermisch selbstbewusst. Der schmale, zierliche Wagen, galt stilsicheren Leuten als ein Manifest des Understatements. Sie wollten bewusst keinen repräsentativen 7er oder glamourösen 6er.

Immerhin kostete der BMW 528i, die schlichte Krönung der BMW-Mittelklasse 1978 ohne Extras 27.950 Mark, aber Format war laut einer anderen BMW-Werbeweisheit ja noch nie eine Frage der Größe. Nur die beiden verchromten Enden des Doppelrohrauspuffs und das Holzfurnier in den Türtafeln entlarven das Spitzenmodell der 5er-Reihe, wenn der Schriftzug 528i fehlt, was gern genommen wurde. Achtung , Besserwisser aufgepasst: Drehzahlmesser, hölzerner Schalthebelknauf und Einzelsitz-Ausformung der Rückbank gab es schon ab 525.

Unser Fotomodell ist üppig ausgestattet. Wärmedämmendes Glas, ein Fünfgang-Schongetriebe, Alu-Räder, der rechte elektrisch verstellbare Außenspiegel, Metallic-Lack, ja sogar ein elektrisches Schiebe-Hebedach und eine Standheizung wurden für diesen BMW 528i geordert.

BMW 5er der Baureihe E12 so gut wie ausgestorben

Schwarze Stoffpolster passen ideal zu Rot. Leider wichen die zierlich anmutigen Räder des BMW 528i im Alpina-Sterndesign den massiven Felgen des Nachfolgers E28. Auch das originale Bavaria-Radio mit Motorantenne überlebte die bewegten Zeitläufte nicht. Akribische Detailpäpste und Originalitäts-Fetischisten verlangen sicherlich nach einem Öleinfülldeckel aus Metall, und das BMW-Emblem auf dem Schalthebel fände wohl auch keine Gnade. Hoppla, aufwachen Jungs! Wann habt ihr das letzte Mal einen BMW 528i E12 gesehen - unverspoilert, schmal bereift und ohne schwarze Folie im Heckfenster? Die Dinger sind ausgestorben.

E12 gibt es praktisch nur noch als 520/6, keine BMW 528i weit und breit, während der rund 125.000 Mal gebaute Kollege Benz-280 E mit ein bisschen Glück immer noch beim Fähnchenhändler rumsteht. Wenn ihr es nicht glaubt, guckt doch mal bei mobile.de unter W123.

Romanische Leichtigkeit in der Linie

Spaß beiseite, gönnen wir dem blauweißen Rubin ein paar kleine, Charakter fördernde Schwächen, zu denen auch einige harmlose Bläschen im Lack gehören. Der erste 5er (Baureihe E12) ist übrigens der seltene Beweis für ein gelungenes Facelift. Bracqs Ur-Entwurf nach einem Vorschlag von Bertone, deshalb auch die Ähnlichkeit zum kleinen Quattroporte II, geriet schon sehr schmucklos und in Details unterkühlt. Die mythenreiche BMW-Niere kam nie richtig zur Geltung - anfangs war sie angeschnitten, später wurde die Stoßstange als Notlösung ein wenig ausgespart. Nun, nach dem 76er Facelift, wird sie zum beherrschenden Element der Frontpartie, angehoben und von Sicken begleitet reckt sie ihre Nase keck in den Wind. Auch der improvisierte Buckel, um den großen Sechszylinder bei 525 und BMW 528i unterzubringen, kann jetzt elegant entfallen.

Die Heckpartie ist nun auch um einiges klarer, größere Rückleuchten wirken viel zeitgemäßer. Diese hübsche 5er-Linie verträgt sogar noch ein großes Facelift, lässt sich auf 16 Jahre strecken, ohne drastisch zu altern. Der Nachfolger E28 ist im Mittelteil sichtbar identisch, aber durch einen Schuss Mercedes viel klobiger, teutonischer, nur der E12-BMW 5er hat diese romanische Leichtigkeit.

Eng geschnittener Innenraum und Jahrhundertmotor

Hätten sie ihn bei BMW doch nur fünf Zentimeter breiter gemacht, wegen des arg figurbetonten Raumgefühls, das an den Baby-Benz 190 erinnert. Innen ist der BMW 528i karg, aber wertvoll möbliert. Dagegen wirkt ein plüschiger Ford Granada Ghia wie ein Festsaal. Selbst 5er-Vorgänger 1800, dieser trapezförmige Schmalhans, misst zwei Zentimeter mehr. Dennoch fühlt man sich in dem fahraktiven Wagen schon vor dem Schlüsseldreh aufgehoben, er gibt sich wie ein Zweipluszwei. Kein Gramm, kein Zentimeter zu viel, nur eine Alfetta ist noch zierlicher, alles sitzt am rechten Fleck. Der Rubinrote BMW 528i hat schon das neue prächtigere Lenkrad vom 7er und die ergonomischeren Bedienungshebel gleich mit dazu.

Wenn der große Sechszylinder des BMW 528i nach dem Start seine Stimme sanft erhebt, klingt alles so vertraut. Ein Jahrhundertmotor für Generationen von BMW-Automobilen eben - durchzugsstark, leistungsfähig, aufwendig in der Konstruktion, dennoch effizient. Nur eine Nockenwelle genügt dem M30, um die gleichen Leistungs- und Drehmomentwerte zu erreichen wie der M110 von Daimler-Benz.

Auch das gut abgestufte Fünfganggetriebe des BMW 528i - bei Mercedes 1978 noch Zukunftsmusik -, lässt den Wunsch nach einer Automatik gar nicht erst aufkommen. Es schaltet sich leicht und exakt. Gern und stets aufs Neue bringt man den spezifisch gering belasteten und längst nicht ausgereizten Einspritzmotor in die Gefilde des Drehmomentmaximums. Dort, knapp über 4.000/min, fühlt er sich hörbar am wohlsten. Da wird das sonore , lässige Säuseln im, das förmlich danach schreit gefordert zu werden, plötzlich kerniger.

Da findet der wuchtige Reihensechser - 270 Kilo schwer, kurbelwellenseitig sorgsam ausgewuchtet und mit einem lehrbuchhaften Massenausgleich gesegnet - zu seinem unverwechselbaren Klangbild. Das lautlose Ende der Vibration, so ein BMW-Slogan, hier im BMW 528i wird es Wirklichkeit und macht, sorry Ro 80, jeden Wankelmotor überflüssig.

Hätte man die BMW-Limousinen wie auch den BMW 528i nicht stets in ölgeschwängertem Dauervollgas verheizt, niemand wäre auf die Idee gekommen, sie würden nicht halten. Laufkultur und Drehfreude sind eben schlechte Drehzahlwarner.

BMW-Chef von Kuenheim wollte Komfort - und bekam ihn

Weil der politisch-korrekte BMW-Chef Eberhard von Kuenheim Anfang der Siebziger keine lauten und harten Raserautos mehr wollte, geriet der E12-5er zudem ausgesprochen komfortabel. Zu seinem weich gespülten Image passt auch die hohe Unfallsicherheit der Karosserie, die ebenso in ihrer präzisen Dingolfinger Fertigung im Rohbau Maßstäbe setzt. Steifigkeit und Qualitätsgefühl sind hier im BMW 528i besser als bei der großen Baureihe 2500 bis 3.0 Si und beinahe auf dem Niveau des Sterns.

Als 1975 endlich der BMW 528-Vergaser erschien, um die Reserven der Konstruktion auszuloten, stellte es sich wieder ein, das typische BMW-Gefühl souveräner Motorisierung. Gepaart mit einer fahrfreudigen Neigung zum Übersteuern hatten die BMW-Ingenieure ihren Chef ausgetrickst. Der BMW 528i entspricht in seinem Naturell fast dem wilden, harten Kerl 3.0 Si, aber nur mit Fünfgang-Sportgetriebe und mit trocken abgestimmtem Sportfahrwerk.

 

Quelle: Motor Klassik

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