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Suzuki Cappuccino Roadster 1994: Fahrbericht - Dieser Zwerg ist ein steiler Zahn

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Dieser Suzuki hat weniger Leistung als ein Kleinwagen, fühlt sich aber schneller an als ein GTI und ist seltener als ein Mercedes Flügeltürer. Ausfahrt im ersten Kei-Car-Roadster.

Der Suzuki Cappuccino bringt rund 725 Kilo auf die Waage Der Suzuki Cappuccino bringt rund 725 Kilo auf die Waage Quelle: Wim Woeber

Bensheim - "Verträgt der schon Benzin oder braucht der noch Milch?" Wer mit dem Suzuki Cappuccino an die Tankstelle fährt, muss sich auf dumme Kommentare gefasst machen. Denn mit seinen gerade mal 3,30 Metern sieht der Roadster nicht aus wie ein Sportwagen, sondern wie ein Spielzeugauto für große Kinder.

Auf dieses Maß hat sich Suzuki allerdings nicht aus Spielerei beschränkt. Die Japaner sind einem strengen Kalkül gefolgt: Als sie den Wagen Anfang der 1990er präsentieren, ist er der erste und einzige Roadster unter den so genannten Kei-Cars. In der Länge auf 3,39 Meter und im Hubraum auf 660 Kubikzentimeter beschränkt, genießen diese Winzlinge in Japan gravierende Steuervorteile.

Im Rest der Welt will davon fünf Jahre vor der Erfindung des Smart noch niemand etwas wissen. Nur langsam macht die Kunde von dem Bonsai-Roadster die Runde. Bei Suzuki standen irgendwann die Telefone nicht mehr still, erzählt Firmensprecher Jörg Machalitzki.

Der Suzuki-Roadster hat eine Gesamtlänge von 3,39 Meter Der Suzuki-Roadster hat eine Gesamtlänge von 3,39 Meter Quelle: Wim Woeber Die Entwicklung eines Linkslenkers wollen die Japaner damals nicht riskieren, eine Kleinserie schiffen sie trotzdem in den Jahren 1994 und 1995 nach Europa. 1.000 Autos geben sie für den Export frei, ausschließlich in Rot und Silber. Machalitzki berichtet von 120 Exemplaren, die zu Preisen ab 32.000 Mark auch in Deutschland landen.

64 PS und 725 Kilo

Auch wenn sich die Welt 20 Jahre später - dem Smart, dem Fiat 500 und dem Cappuccino-Erben Daihatsu Copen sei Dank - an kleinere Autos gewöhnt hat, sieht der Suzuki heute noch immer aus wie ein Spielzeug.

Aber genau deshalb fühlt man sich am Steuer plötzlich wieder jung. Und wenn man aufs Gas tritt, schlüpft man fast in die Rolle eines Stuntmans, so flink und wendig treibt man den Wagen mit dem winzigen Lenkrad durch die Landschaft. Die 64 PS und 86 Newtonmeter des Dreizylinders mögen mickrig klingen, fühlen sich aber gut an, denn das Auto wiegt nur 725 Kilo.

Dass man im Cappuccino Spaß hat, liegt nicht allein am frischen Wind, der einem durch die Haare streift, am wandlungsfähigen Dach und den vielen neugierigen Blicken, die man mit dem Roadster einfängt. Und auch nicht am Heckantrieb und dem winzigen Wendekreis.

Das Besondere an diesem Fahrmaschinchen: Man bewegt es auf der Landstraße fast ständig am Limit. Wo bei Roadstern von Mercedes oder Porsche im Rahmen der Verkehrsregeln das Standgas genügt, braucht man im Cappuccino einen Bleifuß. Dann dreht der 657 Kubikzentimeter kleine Turbo-Dreizylinder fast wie ein Großer - nicht umsonst beginnt der rote Bereich erst über 8000 Touren und reicht bis 12.000 Umdrehungen.

Ständig an der Tankstelle

Wer fest genug zutritt und flott schaltet, der erreicht in respektablen 8,0 Sekunden Tempo 100, und das in so einem Zwerg. Wenn die Tachonadel bei 140 Sachen am Anschlag hängt, ist das Gefühl vergleichbar mit einem Lamborghini bei 200 km/h. Statt mit Neid, begegnen einem Unwissende dennoch mit Mitleid.

Bedingt durch die geringe Fahrzeuglänge und den kleinen Motor, genoss der Cappuccino in Japan Steuervorteile als Kei-Car Bedingt durch die geringe Fahrzeuglänge und den kleinen Motor, genoss der Cappuccino in Japan Steuervorteile als Kei-Car Quelle: Suzuki Klein wie der Cappuccino sind auch Verbrauch und CO2-Emissionen, jedenfalls gemessen am Spaßfaktor. Dass man trotzdem ständig eine Tankstelle sucht, liegt am winzigen Tank: Es passen 30 Liter hinein.

Vor das Vergnügen haben die Entwickler leider die Arbeit gesetzt. Das Dach demontiert man schrittweise in vier Teilen von Hand: Erst nimmt man die beiden Platten über den Passagieren heraus. Wer mehr Luft will, entfernt den "T-Bar" dazwischen. Wenn auch das nicht genug ist, verschwindet die Heckscheibe, und der Cappuccino wird zum Targa.

Teurer Suzuki-Klassiker

An ein Puzzle erinnert der Versuch, die Dachteile in den winzigen Kofferraum zu friemeln. Ohne Geduld und Spucke wird das nichts, erst recht nicht ohne Kratzer. Zuletzt muss der Mitteleuropäer seinen zu großen Körper irgendwie hinter das Lenkrad falten, dann kann es endlich losgehen.

All das ändert aber nichts daran: Dieses Roadster-Ei weckt Begehrlichkeiten. Und die sind schwer zu befriedigen, bei gerade noch etwa 70 angemeldeten Autos in Deutschland und wenigen Hundert in Europa. Der von 1991 bis 1997 knapp 30.000 Mal produzierte Cappuccino ist in Europa seltener als jeder Mercedes Flügeltürer.

Aber er macht fast genauso viel Spaß und kostet deutlich weniger, auch wenn er für Suzuki-Verhältnisse teuer ist: Schon für absolute Trümmerautos muss man mindestens 3.000 Euro anlegen, sagt Firmensprecher Machalitzki. "Und ein Fahrzeug im Einser-Zustand gibt es kaum für unter 30.000 Euro. Wenn ihn überhaupt mal jemand verkauft."

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Quelle: dpa

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