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Ratgeber: Experten klären Verkehrsirrtümer auf - Die Wahrheit über neun weitverbreitete Verkehrsmythen

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Rechtsfahrgebot, Nötigung durch Lichthupe oder Freihalten eines Parkplatzes: Irrtümer sind bei diesen Verkehrsfragen weit verbreitet. Experten lösen die Trugschlüsse auf.

Auf dreispurigen Autobahnen muss man nicht immer rechts fahren Auf dreispurigen Autobahnen muss man nicht immer rechts fahren Quelle: picture alliance / dpa

Berlin - Zum Abbiegen gehört der Schulterblick, innerorts sind nur 50 km/h erlaubt und in zweiter Reihe darf man nicht parken. Oft verstoßen Autofahrer gegen diese Regeln. Noch schlimmer wird es, wenn sie sich dabei im Recht wähnen. Gerhard von Bressensdorf, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, Markus Schäpe, Leiter Verkehrsrecht beim ADAC und Daniela Mielchen, Vorrstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), klären neun der bekanntesten Verkehrsirrtümer auf.

Das blaue Schild zeigt es an: Hier muss der Radweg genutzt werden, ohne Schild herrscht Wahlfreiheit für die Fahrradfahrer Das blaue Schild zeigt es an: Hier muss der Radweg genutzt werden, ohne Schild herrscht Wahlfreiheit für die Fahrradfahrer Quelle: picture alliance / dpa

Mythos Nr. 1: Fahrradfahrer gehören nicht auf die Straße

Autofahrern würde es womöglich das Leben erleichtern: Doch Radler sind keineswegs zum Fahren auf dem Radweg verdammt. "Fahrradfahrer gehören grundsätzlich auf die Straße", sagt Markus Schäpe. Denn die sei schließlich für Fahrzeuge vorgesehen. Die Pflicht zur Nutzung des Radwegs ist eigentlich eine Ausnahme und gilt nur, wenn der mittels eines blauen, runden Schildes ausgeschildert ist. Diese Beschilderung darf aber nicht willkürlich erfolgen, erläutert Schäpe. "Nur wenn eine besondere Gefahr besteht, darf der Radweg ausgeschildert werden." In zahlreichen Fällen in den vergangenen Jahren mussten die Behörden die Schilder deshalb wieder abmontieren.

Mythos Nr. 2: Frühzeitig die Spur wechseln

Sei es wegen einer Baustelle oder weil sich eine zweispurige Fahrbahn planmäßig auf eine Spur verengt: Hier gilt beim Einordnen auf die verbleibende Spur das Reißverschlussverfahren. Vielen Autofahrern scheint aber nicht bewusst zu sein, wie man da genau vorgeht: "Viele Leute haben offenbar Angst, dass sie am Ende der Spur nicht mehr reingelassen werden und wechseln viel zu früh.", sagt Gerhard von Bressensdorf. Dadurch werde der Verkehr auf der Spur, die weiterführt, unnötig aufgestaut. "Das Gesetz ist hier ganz eindeutig: Man wechselt die Spur erst im unmittelbaren Endbereich des Fahrstreifens, der aufhört." Wer das richtig macht, zieht zwar oft den Ärger derjenigen auf sich, die früh wechseln, doch nur so wird der Verkehrsraum optimal ausgenutzt.

Mythos Nr. 3: Rechts überholen ist strikt verboten

Dass man mit dem Pkw innerorts auch rechts überholen darf, dürfte den meisten Autofahrern bekannt sein. Doch auch auf mehrspurigen Landstraßen oder Autobahnen ist das unter bestimmten Bedingungen erlaubt. "Zum Beispiel, wenn man in einer durchgehenden Kolonne fährt", sagt von Bressensdorf. Die Fahrzeugschlange auf der rechten Spur darf also an der, die auf der linken fährt, vorbeiziehen. Das gilt sogar unabhängig von der Geschwindigkeit. "Es muss aber eine Kolonne ohne Lücke sein", so von Bressensdorf. "Sobald die Schlange abreißt, gilt wieder Überholverbot."

Dichtes Auffahren und wiederholtes Betätigen der Lichthupe gilt als Nötigung Dichtes Auffahren und wiederholtes Betätigen der Lichthupe gilt als Nötigung Quelle: picture alliance / dpa

Auch ein einzelnes Fahrzeug darf gelegentlich rechts überholen. "Aber nur bis zu einer Geschwindigkeit von maximal 80 km/h und wenn die Differenz zum überholten Fahrzeug nicht mehr als 20 km/h beträgt", sagt von Bressensdorf. Diese Werte hätten sich in der Rechtsprechung durchgesetzt.

Mythos Nr. 4: Lichthupe ist Nötigung

Man kennt das aus dem Rückspiegel: Ein ungeduldiger Autofahrer versucht, sich freie Bahn zu schaffen, indem er mehrfach aufblendet. Gerne wird da der Vorwurf der Nötigung erhoben. Oft zu Unrecht, wie Daniela Mielchen weiß. "Die Straßenverkehrsordnung sieht ausdrücklich vor, dass das Überholen außerhalb geschlossener Ortschaften durch Schall- und Leuchtzeichen angezeigt wird." Man darf also sogar hupen. "Nötigung wird daraus allerdings, wenn man sehr dicht auffährt und das Lichthupen penetrant wiederholt", sagt Mielchen.

Mythos Nr. 5: Wer auffährt, hat Schuld am Unfall

Fährt ein Autofahrer einem anderen hinten auf, ist er tatsächlich meist der Schuldige. "Es gilt der Beweis des ersten Anscheins", erklärt Daniela Mielchen. Und der spreche dafür, dass der Hintermann zu wenig Abstand eingehalten hat, zu schnell oder unaufmerksam war. Wenn der Auffahrende nachweisen kann, dass der Vordermann beispielsweise eine grundlose Vollbremsung hingelegt hat, kann ihn das entlasten. "Auch das Bremsen für Kleintiere wie einen Igel oder Frosch wird von Gerichten übrigens als grundlos eingestuft."

Mythos Nr. 6: Auf Autobahnen muss man stets rechts fahren

Meist, aber nicht immer gilt das Rechtsfahrgebot. "Außerhalb geschlossener Ortschaften darf bei drei oder mehr Spuren davon abgewichen werden, wenn auf dem rechten Fahrstreifen hin und wieder Autos fahren", erklärt von Bressensdorf. Grund für diese Regelung sei, dass man verhindern will, dass die Autos Schlangenlinien fahren müssen. "In der Praxis beobachten wir aber leider oft, dass die rechte Spur frei ist, die mittlere etwas voller und die linke ganz voll. So wird der Verkehrsraum viel zu schlecht ausgenutzt."

Mythos Nr. 7: Bei abknickender Vorfahrt muss man nicht blinken

Hartnäckig hält sich der Irrtum, man müsse nicht blinken, wenn man auf einer Vorfahrtsstraße abbiegt. Dabei gilt: Ob man blinken muss oder nicht, entscheidet die Fahrtrichtung. Wer geradeaus fährt, blinkt nicht, wer abbiegt, muss den Wechsel der Richtung anzeigen. "Selbst wenn Sie gar nicht anders können, als links abzubiegen, weil rechts etwa eine Einbahnstraße einmündet, müssen Sie blinken", sagt von Bressensdorf.

Mythos Nr. 8: Als Passant darf man einen Parkplatz freihalten

Auf Parkplätzen gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme Auf Parkplätzen gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme Quelle: picture alliance / dpa

Einen Parkplatz für den in Kürze eintreffenden Bekannten freizuhalten, das kann einem doch keiner verbieten. Oder? Der Gestzgeber sieht das anders. "Die Parklücke ist für Fahrzeuge da.", sagt Markus Schäpe. Insofern gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. "Man will das natürlich niemandem raten, aber als Autofahrer dürfte man sogar langsam auf den Fußgänger zufahren, um ihn zu veranlassen, die Lücke freizugeben", sagt Schäpe. Wer sich als Fußgänger dagegen wehrt, indem er sich etwa gegen das Auto stemmt, begeht eine Nötigung. Im Alltag sollte von beiden Maßnahmen abgesehen werden, damit solche Situationen nicht eskalieren.

"Das ist wohl einer der größten Irrtümer überhaupt", sagt Gerhard von Bressensdorf. "Auf Parkplätzen gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Man muss sich untereinander verständigen." Eine Ausnahme gilt nur auf Parkplätzen mit großen Verteilerstraßen, von denen kleinere Parkstraßen abzweigen. Doch auch hier ist Vorsicht geboten, denn ob eine solche Situation gegeben ist, kann man schwer erkennen. "Man ist in jedem Fall gut beraten, wenn man nicht auf seinem vermeintlichen Recht besteht. Mit gegenseitiger Rücksichtnahme fährt man deutlich besser."

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