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Classic Driving News

Alfa-Cabrio als Concours-Seriensieger

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Mit dem Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina riskierte Alfa Romeo 1947 einen Blick in die Zukunft. Motor Klassik fuhr die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Cabrio-Studie.

Die Zukunft strahlte 1947 in Azzuro alluminiato, jedenfalls bei Farina und Alfa Romeo, auf den Ständen des Pariser Autosalons und der New Yorker Autoshow. Erstmals sah die Autowelt ein elegantes, fünfsitziges Cabriolet, das Aluminium nicht nur als Karosserie-Werkstoff trug, sondern auch als Lack-Komponente. In die Grundfarbe eines gedämpften, mittelhellen Blaus, an den Zwölf-Uhr-Himmel über der Adria erinnernd, mischen sich pulverisierte Leichtmetallpartikel - und verleihen dem Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina eine überraschend lebendige, mit dem Einfallswinkel des Lichtes variantensreich reflektierende Oberflächenstruktur. Metallicblau!

Alfa Romeo 6C vereint Luxus, modernes Design und Fortschritt

Der offene Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina versprach den Menschen der Nachkriegszeit viel von dem, worauf im gerade vergangenen Krieg jahrelang verzichtet werden musste: Luxus, modernes Design und Fortschritt. Das Lenkrad verfügt gegen Vibrationen und Fahrbahnstöße über eine neuartige Gummi-Kunststoff-Polsterung mit feinem Lederbezug; sein Name: Antisismic. Auch die Felgen tragen einen dunkelroten Lacküberzug, und rechts oben im Instrumentenbrett blinkt eines der ersten elektrischen Kontrolldisplays in der Geschichte des Automobils. Es informiert gleich viersprachig: Auf Italienisch, Deutsch, Englisch und Französisch signalisiert eine Schar diensteifriger Lämpchen die Zustände von Fahrtrichtungsanzeiger, Handbremse, Fußbremse, Standlicht und Abblend-Scheinwerfer.

Im teilsynchronisierten Vierganggetriebe werden die Fahrstufen natürlich mit der in den USA einst sehr beliebten Lenkradschaltung gewechselt. Das Schaltschema des Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina entspricht dem gewohnten H, der Rückwärtsgang rastet ein, sobald der Hebel ganz nach vorn und dann hinuntergedrückt wird.

Das hier vorgestellte edle Einzelstück Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina gehört zu der einmaligen Prototypen-Sammlung des Mailänder Architekten Corrado Lopresto, es erweist sich als perfekt restauriert. Die Konstruktionen von Motor, Getriebe und Chassis stammen aus der Zeit unmittelbar vor dem Krieg. Alfa Romeo bot den Reihensechszylinder vom Typ 6C 2.500 ab 1939 in verschiedenen Verdichtungsstufen zwischen 7,1 und 7,5 : 1 an, mal mit einem, mal mit drei Vergasern in der Super-Sport-Version. Die Leistung variierte zwischen 90 und 110 PS, je nach Quelle gab es auch Versionen mit 87, 93, 99 und 105 Cavalli.

PS-Zahl lässt sich nur vermuten

Da in der historischen Literatur nicht so genau nach DIN-, Cuna- oder SAE-PS unterschieden wird, das Typenschild des Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina zwar 105 PS ausweist, die montierte Einvergaser-Version aber eher deren 90 vermuten lässt, halten wir es mit dem Besitzer, der die runde Zahl von 100 PS nennt: "Aber wir waren noch nicht auf dem Prüfstand, und ich weiß auch nicht, ob das mit diesem Design-Unikat unbedingt nötig ist." Unbedingt nötig hingegen ist auf der Probefahrt mit dem italienischen Traumwagen ein sanfter, gleitender Fahrstil. Der Faltdach-Fünfsitzer ist nicht etwa ein supersportlicher Alfa für das Bremsen auf der letzten Rille, für das Hineinwerfen in die engen lombardischen Kurven oder gar für das Driften nach der Manier eines Tazio Nuvolari. Er ist aber ein wunderbarer, stilvoller Cruiser zur Frühlingsfahrt etwa über die an die Berge geschmiegten Straßen der Riviera, sozusagen eine elegante Loggia für fünf. Und 75 oder 80 km/h bei entspannten 2.500 Umdrehungen pro Minute fordern weder den langhubigen Sechszylinder noch die Passagiere.

Der Geradeauslauf lässt im probierten Bereich bis etwa Tempo 100 nichts zu wünschen übrig, und die hydraulisch betätigten Trommelbremsen sprechen gleichmäßig mit einer Verzögerung an, die das immerhin doch schon 63 Jahre alte Cabriolet auch im Verkehr unserer Tage nicht etwa zum Risiko werden lässt. Als Letzter der klassischen Rahmen-Alfa nach den Ideen, die einst Chefkonstrukteur Vittorio Jano vorgab, markiert der unter Bruno Trevisan entwickelte Alfa Romeo 6C gewissermaßen den Schlusspunkt einer Geschichte, die in den 8C-2900-Modellen einen sportlichen und technischen Höhepunkt gefeiert hatte.

Alfa Romeo Farina-Cabrio für den lässig-eleganten Auftritt

Die Einzelrad-Aufhängung mit hinterer Pendelachse sorgt für eine in ihrer Zeit vorbildliche Straßenlage, die Längslenkerkonstruktion der Vorderradaufhängung blieb über Jahre im Prinzip aktuell, und die beiden obenliegenden Nockenwellen des Reihenmotors waren sozusagen die kettengetriebene Garantie für eine zuverlässige Drehzahlfestigkeit. Die absolute Domäne des Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina ist aber sein lässig-eleganter Auftritt als Design-Star für den kundigen zweiten Blick. Farina wandte sich in den späten Vierzigern in Einzelfällen vom traditionellen Alfa-Kühlergrill ab und probierte einen gestreckten, querliegenden Lufteinlass, der seitlich durch die Scheinwerfer begrenzt wurde. Nicht nur beim Alfa Romeo 6C Cabrio und Coupé, sondern später auch beim Fiat 1100 S oder beim Nash-Healey. Die beiden Designer, die sich bei Farina die Linien und die Ausstattung des metallicblauen Cabriolets für das große Show-Laufen 1947 einfallen ließen, waren mit dem Grafen Mario Revelli di Beaumont ein seinerzeit enthusiastisch gefeierter wiewohl heute fast vergessener Automobil-Stylist der dreißiger Jahre - und mit Giovanni Michelotti ein Youngster, der 1936 als 15-jähriger Lehrling bei Farina angeheuert hatte und dessen ganz große Zeit dann nach dem Krieg kommen sollte.

Der 14 Jahre ältere Revelli di Beaumont arbeitete seit den Zwanzigern für Karossiers, eng verbunden mit Battista "Pinin" Farina, dem Bruder von Giovanni und Carlo Farina, Chefs der Stabilimenti Farina. Er entwickelte in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht nur eine Reihe attraktiver Fiat-Karosserien, sondern auch pfiffige Details wie zum Beispiel den in der Tür versenkten Öffnungsgriff, der in den Neunzigern etwa bei der Fiat Barchetta immer noch aktuell war. Im Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina konzentrierte sich Beaumont auf das Interieur.

Durchscheinende Plexiglas-Knöpfe im Instrumentenbrett

Perlgraues Leder für die Sitze, einen roten Lacküberzug für die Stahlfelgen mit den Chromkappen als Pendant zum roten Leder des im Art-déco-Stil geschwungenen Patent-Lenkrads. Und dann erst das Instrumentenbrett: Durchscheinende Plexiglas-Knöpfe, von hinten beleuchtet, sollten dem Fahrer das nächtliche Bedienen des Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina erleichtern. Nicht zu vergessen: das bereits beschriebene, multilinguale Kontrolldisplay. Erste Besitzerin des von einem Adligen entworfenen Cabriolets war übrigens eine ebenfalls dem Adel angehörige Dame: Luciana Del Duca. Meister der äußeren Form war Michelotti. Sein Kühlergrill zeigt eine horizontal gebänderte V-Form, unterstrichen durch sechs verchromte Winkel unter dem Markenzeichen von Alfa Romeo.

Hinter dem Kühler entwickelte Michelotti, dessen Lebenswerk mit den Jahren weit mehr als 400 verschiedene Automodelle umfassen sollte, eine noch eher konventionell gezeichnete Silhouette: mit dem Fortsetzen der abfallenden Kotflügellinie bis hinein in die Türen und einem sanft gerundeten Hüftschwung über den Hinterrädern. Parallel entwickelte der aufsteigende Design-Star auf der gleichen Basis ein ganz ähnliches Coupé, das beim Concorso d'Eleganza der Villa d'Este 1947 vom Publikum zum Best of Show gewählt wurde.

Alfa Romeo 6C gewinnt haufenweise Pokale

Präsentiert wurde dieser Alfa Romeo 6C 2500 Sport Cabriolet Farina damals übrigens vom Sohn des Giovanni Farina, Nino, der 1950 dann erster Weltmeister der neuen Formel 1 werden sollte. Doch nicht nur die Coupé-Version überzeugte in jenem Jahr die Design-Kritiker: Das revolutionär in Metallic lackierte Cabriolet fuhr auf Sieg bei den Concours d'Elegance von Monte Carlo und in Rom. So viel Klasse setzt sich durch bis in unsere Tage: Das blaue Wunder siegte 2003 erneut beim Schaulaufen vor der Villa d'Este und in Cannes. Ein Jahr später gewann es den Ersten Preis der Louis Vuitton Classic in London, danach die Concours-Trophäen von Ludwigsburg und Spa. Womit eine Fahrt im Blauen seine Besitzer bisher stets in ein Pokal-Finale führte.

Quelle: Motor Klassik

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