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Ärger mit dem Mercedes-Wunderdiesel

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Der hochgelobte Vierzylinder-Diesel macht Ärger: Die Injektoren bei 220 CDI und 250 CDI fallen aus, 50.000 Autos könnten betroffen sein. Jetzt drosselt Mercedes die Neuwagen-Produktion. Alle Infos!

Die seligen 60er-Jahre: Wenn eine Mercedes 200-D-Heckflosse Motorprobleme hatte, dann waren es nach 300.000 bis 400.000 Kilometern Kolbenringe und Ventile, die langsam dem Verschleiß zum Opfer fielen. Der 55-PS-Diesel sprang zunächst widerwillig an. Erst ein paar Jahre später, meist im Winter, verweigerte er den Kaltstart. Ausfall mit Ansage. Heute läuft das anders: Aus heiterem Himmel mahnt die Motorkontrollleuchte, das Aggregat arbeitet im Notlaufprogramm. Derzeit bleiben auf diese Weise Tausende nagelneue 220 CDI und 250 CDI auf der Strecke. Autos, die den wohl wichtigsten Mercedes-Motor an Bord haben – den von der Fachwelt hochgelobten, als "Engine of the Year 2009" ausgezeichneten OM 651. Der Diagnose-Computer in der Werkstatt zeigt, wo das Problem liegt: Ausfall der Piezo-Injektoren. Sie sind das Herzstück der Einspritzanlage und schaffen je Verbrennungsvorgang mehr als sieben Einzeleinspritzungen mit bis zu 2000 Bar. Das reduziert Schadstoffausstoß und Verbrauch, sodass sogar der 204 PS starke 250 CDI locker Euro 5 schafft. Zurzeit tendieren viele C- und E-Klassen sogar zur Null-Emission – sie stehen nämlich in der Werkstatt. Und warten auf neue Injektoren, die momentan nicht lieferbar sind.

In Internet-Foren häufen sich Beiträge frustrierter Mercedes-Fahrer. 2800 Fälle räumt Mercedes gegenüber AUTO BILD ein. Rund 50.000 Autos könnten theoretisch dazukommen, also alle 220 CDI und 250 CDI, verbaut in C-Klasse (W 204), E-Klasse (W 212) und GLK. Positiv: Mercedes zeigt sich spontan seinen Kunden gegenüber verantwortungsbewusst und stellt ohne Diskussion kostenlose Ersatzfahrzeuge zur Verfügung. Außerdem denke man bei Privatkunden über entschädigende "Aufmerksamkeiten" nach. Für Taxifahrer gibt es in Ballungszentren Leihtaxen, sodass ihnen kein Verdienstausfall entsteht.

Reparaturstau: Daimler drosselt vorübergehend die Produktion

Die Ursache für die Ausfälle, laut Daimler "produktionsbedingte Fehler der Piezo-Injektoren" des Zulieferers Delphi, soll mittlerweile beseitigt sein. Mit den neuen, fehlerfreien Injektoren will Daimler zunächst den Reparaturstau abbauen und drosselt deshalb vorübergehend die Produktion. Stellt sich grundsätzlich die Frage: Werden die modernen Motoren immer störungsanfälliger? Gerade der Diesel hat sich vom trägen Treckerantrieb zum flüsterleisen Hochleistungs-Motor entwickelt – und bei der Literleistung mit Benzinern gleichgezogen. Ein Nachteil blieb: Konzeptionsbedingt stößt ein Diesel Rußpartikel aus. Die Abgasreinigung erfordert mit jeder Euro-Norm-Stufe höheren konstruktiven Aufwand. Die Folge: Das Fehlerrisiko steigt.

Probleme auch bei anderen

VW/Audi TDI: Etwa alle 30.000 Kilometer klagen viele Besitzer von VW Passat, Audi A3 und A4 mit 170-PS-Diesel über schleichenden Leistungsverlust. Ursache sind Verkokungen an den Piezo-Injektoren, die bei häufigen Vollgasfahrten auftreten können. Bei anderen Modellen können sich die Pumpe-Düse-Elemente in den Zylinderkopf einarbeiten und undicht werden. Teure Folge: Der Zylinderkopf muss getauscht werden. BMW: Nach der Umstellung der Benzinmotoren auf Direkteinspritzung (3er-, 5er- und 6er-Reihen) fallen reihenweise Piezo- Injektoren und Hochdruckpumpen der Benzineinspritzung aus. Hintergrund: Um besonders gute Verbrauchswerte im für den ECE-Normzyklus entscheidenden Teillastbereich zu erreichen, laufen die DI-Motoren im mageren "Schichtladebetrieb". Dabei gibt es im Brennraum nur unmittelbar um die Zündkerze herum ein ausreichend fettes Gemisch, ansonsten ist es stark abgemagert. Audi/Opel: Viele Diesel-Partikelfilter setzen sich im Lauf der Zeit mit Rußpartikeln zu und müssen freigebrannt werden. Bei überwiegendem Kurzstreckenbetrieb reichen die Abgastemperaturen nicht für ein automatisches Regenerieren des Partikelfilters, sodass es zu starken Leistungsverlusten kommen kann. Ein Zafira-Fahrer wollte das nicht hinnehmen und klagte vor dem Bundesgerichtshof. Das Urteil bestätigte, dass der Partikelfilter bei reinem Kurzstreckenbetrieb nicht funktionieren muss.

Das sagt Mercedes-Sprecher Wolfgang Zanker

AUTO BILD: Welche Motorvarianten des OM651 sind von den Problemen betroffen? Es sind nicht alle Motorvarianten des OM651 betroffen. In Deutschland liegen 2800 Beanstandungen bei Fahrzeugen mit 220 CDI und 250 CDI vor (OM651 mit Piezo-Injektoren). Der 200 CDI ist mit magnetisch angesteuerten Injektoren ausgestattet und daher nicht betroffen.

Wurde die Ursache ermittelt, und gibt es bereits eine Lösung für das Problem? Die technischen Analysen ergaben, dass die uns bekannten Fälle insbesondere auf produktionsbedingte, elektrische Fehler des Injektors zurückzuführen sind. Diese sind inzwischen beim Zulieferer behoben.

Gibt es einen Auslieferungsstopp für Fahrzeuge mit OM 651? Nein, aber die Produktion wird stark heruntergefahren, um die Teileversorgung zu sichern.

 

 

Quelle: AUTO BILD

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