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Betrug bei der Führerscheinprüfung - Zur Theorie mit Kamera und Knopf im Ohr

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Der Weg zur Fahrerlaubnis führt über mehr als 1.000 mögliche Theoriefragen. Außer, es wird betrogen. Keine Seltenheit, sagen TÜV und Fahrlehrer. Echte Strafen drohen nicht.

Tausende Prüflinge betrügen Jahr für Jahr bei der theoretischen Führerscheinprüfung, schätzen TÜV und Fahrlehrerverband Tausende Prüflinge betrügen Jahr für Jahr bei der theoretischen Führerscheinprüfung, schätzen TÜV und Fahrlehrerverband Quelle: dpa/Picture Alliance

Koblenz/Köln - Die theoretische Führerscheinprüfung ist für manchen Prüfling eine Hürde. Und für einige davon scheint dann eine Alternative zum Pauken attraktiv zu sein: schummeln. "Wir haben etwas für dich, was dir helfen kann", verspricht ein Online-Shop im Internet. Weiter heißt es in holprigem Deutsch: "Mit unserer professionellen Kamera-Ausrüstung und Spy Ear Spicker System ist es möglich, einen Führerschein-Test oder Uni-Prüfung zu spicken, ohne dass es jemand bemerkt."

Die Masche der Betrüger ist ebenso simpel wie wirkungsvoll. Eine Kamera im Knopfloch, winzig wie ein Stecknadelkopf, überträgt die auf einem Bildschirm auftauchenden Fragen an einen Hintermann. Der flüstert dem Prüfungskandidaten die Antworten über einen Mini-Ohrstöpsel zu.

Arne Böhne vom TÜV Rheinland sagt: "Hochgerechnet auf Deutschland schätzen wir, dass rund 1.600 solcher Fälle pro Jahr bei Fahrerlaubnis-Prüfungen aufgedeckt werden. Vor 20 Jahren, als wir noch nicht diese ausgefeilte Technik hatten, gab es vielleicht nur ein Zehntel so viele Fälle." Hinzu komme eine hohe Dunkelziffer von unertappten Prüflingen. Das könnten jedes Jahr Tausende sein.

Betrüger zahlen bis 5.000 Euro

Die Polizei im Märkischen Kreis in Nordrhein-Westfalen berichtete schon 2016 von einer jungen Frau, die mit dieser Methode aufflog, ohne dass ihre Spezialtechnik von außen sichtbar war. "Der Ohrstöpsel steckte so tief im Ohr, dass dieser nur mittels der Hilfe eines HNO-Arztes entfernt werden konnte", so die Polizei. Immer wieder melden Polizeistellen ähnliche Betrüger, etwa in Hachenburg im Westerwald.

Nachdem er aufflog, "konnte der 21-Jährige keine Frage mehr richtig beantworten", hieß es.

Der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Rheinland in Koblenz, Joachim Einig, geht von 500 bis 5.000 Euro aus, die Führerscheinbewerber für das Equipment und die fernmündliche Hilfe zahlen. Denn der Betrug braucht einen Fachmann: Mehr als 1.000 verschiedene Fragen seien in der Theorieprüfung möglich. "Davon kommen etwa 30 dran. Dafür gibt es eine Stunde Zeit."

Kein neues Phänomen: Schon 2012 zeigte die Polizei Siegen diese Schummel-Ausrüstung eines Führerscheinbewerbers. Heute ist die dafür nötige Technik kleiner und leistungsfähiger Kein neues Phänomen: Schon 2012 zeigte die Polizei Siegen diese Schummel-Ausrüstung eines Führerscheinbewerbers. Heute ist die dafür nötige Technik kleiner und leistungsfähiger Quelle: dpa/Picture Alliance Viel zu befürchten haben täuschende Prüflinge nicht. Der Betrug ist weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit. Der Fahrlehrer und Anwalt Böhne vom TÜV Rheinland sagt: "Diese Leute können maximal sechs Monate gesperrt werden vor der nächsten Prüfung." Auch die Online-Shops, die die Übertragungstechnik anbieten, machen sich nicht strafbar.

Bildungslücke im Straßenverkehr

Der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände in Berlin, Dieter Quentin, verweist auf ein Risiko: Es seien Autofahrer unterwegs, ohne alle Regeln zu kennen. "Wir fordern, dass man hier einen Straftatbestand schafft." Mit Priorität behandelt die Regierung das Thema aber offenbar nicht. "Solche Überlegungen gibt es bislang im Bundesjustizministerium nicht", teilt das Ministerium mit.

Inwieweit Täuschungen bei Prüfungen unter den Einzelfallumständen strafbar sind, hätten Staatsanwaltschaften und Gerichte zu beurteilen.

Die Sprecherin des Verkehrsministeriums von Rheinland-Pfalz, Susanne Keeding, sagt, wenn solche Täuschungen strafbar würden, könnten auch spickende Schüler in der Abiturprüfung zu Straftätern werden. Sie beruhigt: Täuschende Prüflinge in der Theorie-Prüfung müssten immer noch die praktische Prüfung bestehen, wo die Verkehrsregeln ebenfalls gefragt seien. Zwar werde die Technik zum Täuschen immer besser - ebenso aber auch die Technik zum Aufdecken der Schummelei.

Tatsächlich sammeln Prüfer heute oft die Handys der Prüflinge ein und nutzten einen Detektor. "Der rettet aber nicht die Welt", sagt Böhne vom TÜV Rheinland. "Der Detektor kann nicht alle Funkfrequenzen abdecken." Bei Störsendern spiele die Bundesnetzagentur nicht mit. Prüfer dürften Prüflinge auch nicht auf Technik am Körper prüfen. "Dafür können wir höchstens die Polizei rufen", erklärt Böhne.

 

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Quelle: dpa

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