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Piaggio Ape: Dreirad-Transporter auf Vespa-Basis. Historie, Daten - Piaggio Ape: Die fleißige Vespa mit drei Rädern

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Bald nach dem Start der Vespa brachte Hersteller Piaggio eine Dreirad-Version für Transporte: Die Ape erinnert uns heute ans süße Leben, stammt aber aus harten Zeiten.

Die Piaggio Ape ist im Grunde eine Vespa mit drittem Rad. Und doch so viel mehr. Dank ihr kamen in der Nachkriegszeit Kleinunternehmen zum Kunden, später Jugendliche in die Dorfdisko - und heute Mitteleuropäer in Urlaubsstimmung Die Piaggio Ape ist im Grunde eine Vespa mit drittem Rad. Und doch so viel mehr. Dank ihr kamen in der Nachkriegszeit Kleinunternehmen zum Kunden, später Jugendliche in die Dorfdisko - und heute Mitteleuropäer in Urlaubsstimmung Quelle: Piaggio

Pontedra – In der Nachkriegszeit mobilisierte Piaggio mit der Vespa praktisch ganz Italien. Was dem flotten und wendigen Roller fehlte, war ausreichend Platz für Fracht und Gepäck. Das bot ab 1948 die Ape – im Grunde die dreirädrige Lastesel-Version einer Vespa. Der Kult um das Modell ist bis heute groß. Und die Produktion noch immer in Betrieb.

Die Ape kam drei Jahre nach der Vespa, zunächst mit 125 Kubikzentimeter-Zweitakt-Benziner und wahlweise als Kastenwagen oder Pick-up. Offiziell stemmte sie bis zu 200 Kilogramm, in der Realität fanden häufig 500 Liter-Weinfässer oder schwerste Baumaterialien auf die Ladefläche. Doch die Begeisterung für das Modell fußt nicht auf seiner Robustheit alleine. Die Ape verkörpert ein Stück Italien, ist heute häufig als fahrende Espressobar in Deutschen Innenstädten zu sehen.

Eine Alternative zur Waffenproduktion

Wie viel ein junger Elefant wiegt? Wissen wir nicht. Fest steht aber: Häufig fuhren frühe Ape hoffnungslos überladen. Und kamen meist trotzdem ans Ziel Wie viel ein junger Elefant wiegt? Wissen wir nicht. Fest steht aber: Häufig fuhren frühe Ape hoffnungslos überladen. Und kamen meist trotzdem ans Ziel Quelle: Picture-Alliance Die Rolle des erklärten Sympathieträgers planten Unternehmer Enrico Piaggio und sein Chefingenieur Corradino d'Ascanio ursprünglich weder für Vespa noch Ape ein. Für den Betrieb ging es zu dieser Zeit schlicht ums Überleben. Die 1884 gegründete Firma aus Pontedera hatte sich vom kleinen Handwerksbetrieb zum bedeutenden Flugzeugbauer und Rüstungsproduzenten entwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag das Werk in Trümmern und die Alliierten untersagten Piaggio einen Neustart im Waffengeschäft.

Der Sohn von Firmengründer Rinaldo Piaggio und sein bisheriger Flugzeugkonstrukteur konzentrierten sich fortan auf das Kleinstfahrzeuggeschäft. Genau diese Modelle fehlten der Ökonomie im Land. Etwa um den innerstädtischen Transport, und den Warenumschlag von Kleinunternehmen, Handwerkern und Bauern zu bewerkstelligen.

Leistbare Option für Bauern und Kleinunternehmer

Zu den ersten Ape-Käufern zählten neben Kleinunternehmern und Handwerkern auch Landwirte - häufig wurde auf Raten gezahlt Zu den ersten Ape-Käufern zählten neben Kleinunternehmern und Handwerkern auch Landwirte - häufig wurde auf Raten gezahlt Quelle: Piaggio 1947 stellte man den ersten Ape-Prototyp vor. Bei Marktstart war das Dreirad preiswerter als alles Vergleichbare – und doch mit 170.000 Lira (rund 88 Euro, nicht Inflationsbereinigt) für weite Teile der Bevölkerung zu teuer. Das durchschnittliche Jahreseinkommen lag damals schließlich bei 139.000 Lira (umgerechnet etwas mehr als 70 Euro). Der Schlüssel zum Markt-Erfolg war die vom Hersteller angebotene Ratenfinanzierung. So gewann man Handwerker, Bauern und Kleinunternehmer als Kunden.

Manchen von ihnen waren Vierrädrige Optionen wie der Fiat Cinquecento einfach zu klein für Transportgut. Oder anhand der Außenmaße zu groß für die engen Gassen der Dörfer. Der Erfolg der Ape hielt in weniger harten Zeiten an. Heute gilt sie als meistverkauftes Dreiradfahrzeug überhaupt. In den vergangenen 70 Jahren setzte Piaggio mehr als zwei Millionen Einheiten ab – alleine in Europa.

Im Roller-Werk im indischen Baramati ersetzte Piaggio 1999 alte Lizenz-Konstruktionen aus Deutschland – und heute ist die Ape das beliebteste Dreirad Asiens. Mehr als 150.000 Kleinst-Transporter liefert man jährlich aus, besonders originelle Konstruktionen schaffen es mitunter bis nach Europa.

Praktisch das erste "Mopedauto"

Die Ape ist das erfolgreichste dreirädrige Modell Asiens - in Indien  wird sie in geringfügig abgewandelter Form produziert (Hier ein LPG-betriebenes Modell) Die Ape ist das erfolgreichste dreirädrige Modell Asiens - in Indien wird sie in geringfügig abgewandelter Form produziert (Hier ein LPG-betriebenes Modell) Quelle: Piaggio Meist handelt es sich dabei um Modelle im Retrolook - wie die Vespa und der Fiat 500 zitiert sich die Ape am liebsten selbst. In vielen „Geschichten aus der Jugend“ kommt ein solches Modell vor, zumindest in Italien. Ab 1969 konnten Jugendliche mit der Ape zur Dorf-Disko oder ins Eiscafé fahren – konkret mit der Einsitzigen Variante mit 49-Kubikzentimeter-Motor. In dieser Konfiguration genügte der Piaggio als erstes Automobil Moped-Regularien.

Nicht nur Teenager wollten ihr Dreirad-Modell schneller, lauter und krawalliger: die Zweitakt-Ape bot dasselbe Tuning-Potential wie die Vespa-Roller und kleine Cross-Maschinen. Ein Hype, den Piaggio noch befeuerte. Etwa durch die 1994 lancierte Ape Cross mit Signallackierungen und Offroad-Optik. Daneben bot man hier Komfort-Features wie ein Stereo-Radio.

Diesel und Lenkrad kamen später

Lange war die Ape ausschließlich mit dem knatterndem Zweitakter erhältlich. Die Kraft wurde per Ketten übertragen, der Fahrer steuerte über eine Lenkstange. Ab 1968 verbaute Piaggio bei der Ape MPV ein richtiges Lenkrad ab 1983 gab es dann Rechts- und Linkslenker-Versionen in einer von Stardesigner Giorgetto Giugiaro entworfenen Fahrgastzelle. Hinzu kamen damals 12-Zoll-Räder anstelle der ursprünglichen Acht-Zoll-Bereifung.

Ab 1969 gab es die Ape auch mit Lenkrad statt Lenkstange Ab 1969 gab es die Ape auch mit Lenkrad statt Lenkstange Quelle: Piaggio 1984 fand ein Selbstzünder ins Programm. Der mit 0,4 Litern Hubraum weltweit kleinste Viertakt-Diesel-Direkteinspritzer war dank stärkerem Drehmoment die Grundlage zu einer ganzen Serie neuer Modelle. Darunter die erste vierrädrige Transporter-Version Ape Poker von 1990. Oder die Ape Car Max mit beachtlicher Tragfähigkeit von 900 Kilogramm. In Indien kamen die Diesel mit 0,6 Liter Hubraum, einige wurden nach Europa exportiert.

Später brachte Piaggio mehrere Modelle mit alternativen Antrieben. Doch die Apelino-Varianten mit Batterie-, Hybrid- oder sogar Druckluftantrieb kauften wenige. Wäre wohl auch nicht authentisch. Dieses Modell lebt eben vom Charme scheinbar einfacherer Tage – näher betrachtet verdanken wir die Ape eher den tatsächlichen Schwierigkeiten dieser Zeiten. Heute wirkt die Ape als indischer Transporter ebenso stimmig wie als Familientaxi in den engen Stradina von Palermo oder als Erfrischungs-Wagen in deutschen Fußgängerzonen. Nicht vielen Fahrzeugen gelingt eine solche Spreizung.

Chronik Piaggio Ape

Piaggios Vorgeschichte

1884: Gründung der Firma Piaggio durch Rinaldo Piaggio in Sestri Ponente bei Genua. Zunächst ist Schiffbau das Geschäftsfeld von Piaggio, später spezialisiert sich das Unternehmen auf den Bau von Eisenbahnwaggons.

1916: Rinaldo Piaggio baut während des Ersten Weltkriegs ein neues Werk in Pontedera, um als Flugzeughersteller zu starten. In den 1920er und 1930er Jahren bleiben Flugzeuge und vor allem Rüstungsgüter Kerngeschäft von Piaggio. Während des Zweiten Weltkriegs wird das Werk in Pontedera fast vollkommen zerstört.

1945: Die alliierten Siegermächte entscheiden, dass Piaggio weder Waffen noch sonstige Rüstungsgüter produzieren darf. Rinaldos Sohn, Enrico Piaggio, übernimmt die Unternehmensführung und entscheidet sich für den Einstieg ins Fahrzeuggeschäft. Auch Flugzeuge werden ab 1948 wieder gebaut.

Die Roller- und Fahrzeugfertigung

1946: Der Motorroller Vespa (italienisch „Wespe“) wird eingeführt.

1947: Erste Prototypen einer Nutzfahrzeugvariante der Vespa führen zur Piaggio Ape (italienisch „Biene“). Die Ape 125 mit Kabine und Vespa-Frontdesign wird auf Messen vorgestellt.

1948: Vertriebsstart für die Ape 125 als Pick-up und Kastenwagen mit 200 Kilogramm Nutzlast und 125-Kubikzentimeter-Zweitakt-Motor.

1954: Ein großer Entwicklungsschritt ist die Ape C mit 150 Kubikzentimetern Hubraum und 350 Kilogramm Nutzlast und geschlossener Kabine mit Türen. Außerdem kommt eine Variante für den Personentransport hinzu.

1958: Einführung der Ape D mit um acht Zentimeter größerem Radstand und 170 Kubikzentimetern Hubraum.

1960: Die Ape Pentaro debütiert als fünfrädrige Version der Ape C in Form eines Sattelschleppers mit einer höheren Tragfähigkeit von 700 Kilogramm. Der Anhänger misst 2,60 Meter in der Länge.

1966: Der jetzt auf 190 Kubikzentimeter vergrößerte Zweitakter befindet sich nicht mehr unter dem Fahrersitz, sondern im Heck. Die Kraftübertragung erfolgt direkt auf die Hinterräder statt wie bisher über Ketten. Gummifedern, hydraulische Stoßdämpfer und jetzt zehn Zoll große Räder (anfangs waren es acht Zoll) ermöglichen mehr Fahrkomfort. Karosserieversionen sind Pick-up, Kastenwagen, Kipper und Pkw. Die Nutzlast beträgt 500 Kilogramm, der Anhänger ist mit Ladelängen in zwei Versionen bestellbar, entweder 1,50 x 1,75 Meter oder 1,5 x 2,0 Meter).

Ein Lenkrad und Dieselmotoren für die Ape

1968: Piaggio Ape MPV wird lanciert mit 0,19-Liter-Zweitakt-Benziner als Pick-up, Kastenwagen, Kipper und Personenwagen. Der Anhänger ist wieder in zwei Längen verfügbar, die Nutzlast steigt auf 600 Kilogramm. Vor allem aber verfügt die MPV über ein richtiges Lenkrad statt der bisherigen Lenkstange sowie über zwei Scheinwerfer an der Frontverkleidung.

1969: Mit der Ape 50 bietet Piaggio das erste Auto an, das dem Moped-Reglement entspricht. Ähnlich wie die Vespa 50 darf die Ape 50 steuerfrei mit Versicherungskennzeichen bewegt werden und das in manchen südeuropäischen Ländern schon durch 14-jährige Jugendliche. Türen hat die einsitzige Ape 50 nicht und die Nutzlast beträgt 200 Kilogramm. Das Chassis misst minimalistische 1,20 x 1,25 Meter.

1970: Die Ape 125 basiert auf der Ape 50, verfügt aber über Türen und einen 125-Kubikzentimeter-Motor.

1971: Mit deutlich größerer Kabine fährt die Ape Car – auch Vespa Car genannt – vor. Die Ladefläche misst 1,50 x 2,0 Meter und die Nutzlast 600 Kilogramm. Als Motor fungiert ein 220-Kubikzentimeter-Zweitakter.

1983: Mit neuer Kabine aus dem Designstudio von Giorgetto Giugiaro und erstmals mit Lenkrad für Links- und Rechtsverkehr geht die Ape TM an den Start. Hinzu kommen große 12-Zoll-Räder und zwei Ladepritschenlängen (1,5 x 1,8 Meter oder 1,5 x 2,0 Meter) für das 220-Kubikzentimeter-Fahrzeug.

1984: Erster Selbstzünder wird vorgestellt. Die Ape Diesel als Evolution der Ape Car wird mit 422-Kubikzentimeter-Viertakt-Diesel, dem weltweit kleinsten Diesel-Direkteinspritzer ausgeliefert. Fünfgang-Getriebe und 700 Kilogramm Nutzlast sind Standard.

1986: Aus der Ape Diesel geht die Ape Car Max hervor, mit sensationellen 900 Kilogramm Nutzlast.

1987: Facelift für die Ape TM Diesel.

1990: Piaggio präsentiert die erste vierrädrige Ape, das Modell Ape Poker. Zuladung 835 Kilogramm (Gesamtgewicht 1.420 Kilogramm) für das Fahren mit Autoführerschein oder reduzierte Zuladung bei 1.300 Kilogramm Gesamtgewicht für das Fahren mit Motorradführerschein (in Italien). Motorisiert ist die Ape Poker mit einem 422 Kubikzentimeter Dieselaggregat.

1991: Facelift für die Ape 50 mit Sicherheitsprallpolstern an den Türen und im unteren Fahrzeugbereich. Das 50-Kubikzentimeter-Aggregat leistet 1,8 kW.

1994: Mit der Ape Cross – abgeleitet von der Ape 50 – zielt Piaggio auf Jugendliche, die ein Dreirad dem klassischen Motorrad vorziehen. Die vorwiegend in signalfarben lackierte Ape Cross verfügt über Offroad-Attribute, einen Überrollbügel und Optionen wie Wegfahrsperre, Stereo-Radio und einen Vorhang für die Heckscheibe.

1996: Ein weiteres Ape-50-Derivat ist die Ape 50 Europa mit neuer Frontgestaltung und zwei integrierten Scheinwerfern.

1998: Die Ape 50 wird aktualisiert durch einen neuen Fahrersitz, Interieurmodifikationen und einen Abgaskatalysator.

Indische Schwester und Neuzeit

1999: In Indien startet im Piaggio-Werk Baramati die Produktion der Ape für den asiatischen Markt mit Dieselmotoren (501 und 601 cm³)

2000: Im März wird ein Piaggio-Museum in einer ehemaligen Werkzeugabteilung auf dem Werksgelände von Pontedera eröffnet.

2006: Piaggio stellt das Sondermodell APE „Classic“ vor. Das Dreirad ist nur in der Farbe celeste (mintgrün) verfügbar und mit einer Lenkstange und Pritsche ausgestattet. Den Antrieb erledigt ein wassergekühlter Lombardini-Dieselmotor mit 422 Kubikzentimetern Hubraum. Produziert wird die Ape Classic in Indien.

2008: Auf Basis der Ape TM präsentiert sich die neue Piaggio Apelino, die mit ihrem Namen daran erinnert, dass die Ape in ihren Ursprungsjahren liebevoll vom Volksmund „Apelino“ genannt wurde. Umweltfreundliche und sparsame Elektro- und Hybridversionen werden entwickelt, darüber hinaus ein reiner Luftdruckantrieb. Oder der luftgekühlte, 218 Kubikzentimeter große, drehschiebergesteuerte Einzylinder-Zweitaktmotor mit 8 kW/11 PS

2009: Ape Calessino Electric Lithium mit Elektromotor und einer Reichweite von 75 km Kilometern bei aufgeladenen Batterien. 800 Ladevorgänge sollen eine Gesamt-Laufleistung von bis zu 60.000 Kilometern ermöglichen. Im Juni hat die Polizei Mettmann eine Ape TM Kastenwagen als Einsatzfahrzeug und PR-Fahrzeug in Dienst gestellt.

2013: Neu ist der Piaggio Casselino mit 0,2-Liter-Zweitakt-Benziner als Pick-up, Caterer, Taxi und Kastenwagen.

2014: APE Classic 400 eingeführt als Nachfolgerin der APE Classic.

2018: Im April wird das Piaggio-Museum nach einer Erweiterung neu eröffnet. Mit einer Fläche von 5000 Quadratmetern und mehr als 250 Ausstellungsstücke gilt die Sammlung als größtes italienisches Museum, das Zweirädern gewidmet ist. Piaggio feiert den 70. Jahrestag des Vertriebsstarts.

Quelle: Sp-x

 

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