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Update: GM lässt bereits Verträge ausarbeiten - Opel+PSA: Verhandlungen weit fortgeschritten

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Update: Eine Kanzlei soll bereits Verträge ausarbeiten. PSA-Chef Tavares will Angela Merkel treffen. Die Zeitung "Le Monde" schreibt: PSA will bis zu 3 Mrd. EUR zahlen.

Opel-Stammsitz in Rüsselsheim: Neben der Produktion des Insignia befindet sich im ältesten Opel-Werk die Zentrale und das bedeutende Entwicklungszentrum Opel-Stammsitz in Rüsselsheim: Neben der Produktion des Insignia befindet sich im ältesten Opel-Werk die Zentrale und das bedeutende Entwicklungszentrum Quelle: Opel

Update 16.2.2017: Verhandlungen weiter als bisher bekannt

Rüsselsheim – Die Verhandlungen zwischen PSA und General Motors sind schon weit fortgeschritten. Das berichtet das „Handelsblatt“ in seiner heutigen Ausgabe. Demnach hat GM bereits die US-Kanzlei Cleary Gottlieb Stehen & Hamilton beauftragt, einen Vertrag auszuarbeiten. Begonnen haben die Verhandlungen der Zeitung zufolge bereits im Frühjahr 2016, und zwar ohne Kenntnis der Opel-Spitze. Selbst der Opel-Chef Karl-Thomas Neumann soll erst vor wenigen Tagen informiert worden sein.

Der PSA-Chef Carlos Tavares sucht derweil bereits Unterstützer für sein Vorhaben in der deutschen Politik. Dem „Handelsblatt“ zufolge sprach er mit einem Mitarbeiter des Kanzleramtes, um einen Termin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zu vereinbaren. Warum, ist klar: Zwar verhandeln die Konzerne, aber sowohl in Frankreich als auch in Deutschland wird 2017 gewählt. Eine enge wirtschaftliche Verschmelzung zwischen zwei großen Autoherstellern der beiden Länder wird damit zwangsläufig zum Politikum.

Wie berichtet, war die GM-Spitze am gestrigen Mittwoch nach Europa gereist, um sich mit dem Opel-Management zu treffen. Laut „Handelsblatt“ wird Mary Barra persönlich drei Tage vor Ort sein.

Der Opel-Aufsichtsratschef Dan Ammann gilt nach Handelsblatt-Informationen als treibende Kraft hinter einem Opel-Verkauf. Dass Opel seit 1929 zu GM gehört, interessiert den Ökonomen weniger als der Umstand, dass Opel seit Jahren nur Verluste in die Konzernbilanz einbringt. GM solle keine „Geschäfte Märkte oder Gelegenheiten verfolgen“, die keinen Gewinn bringen, wird der Manager zitiert.

Bisher spricht PSA-Chef Carlos Tavares von einer „Allianz“, Opel solle ein deutscher Autobauer bleiben. Eine solche Allianz, bei der die Unternehmen wechselseitig Anteile halten, aber getrennt bilanzieren, lernte der Portugiese in seiner Zeit als Manager bei Renault-Nissan kennen und schätzen. Allerdings wäre PSA in diesem Konglomerat fast dreimal so groß wie Opel. Und: anders als Renault und Nissan, die auf den Weltmärkten in unterschiedlichen Regionen stark sind, leben beide primär von Europa.

Was das europäische GM-Geschäft wert sein könnte, bewerten Experten unterschiedlich. Britische Analysten schätzen, dass PSA rund 1,7 Milliarden Euro zahlen könnte. Die französische „Le Monde“ zitiert namentlich ungenannte Experten, wonach der Kaufpreis drei Milliarden Euro nicht überschreiten dürfte.

 

15.2.2017: Mary Barra reist nach Rüsselsheim

Rüsselsheim - Die gestrigen Medienberichte über Gespräche zwischen General Motors (GM) und PSA, an deren Ende ein Opel-Verkauf stehen könnte, haben die GM-Bosse offenbar kalt erwischt. Erst spät und dürr bestätigte der US-Autobauer, mit den Franzosen über Opel zu sprechen. Stunden, nachdem US-amerikanische Nachrichtenagenturen das Thema aufgebracht hatten.

Vieles bleibt noch unklar: Will PSA Opel übernehmen, steht am Ende eine Überkreuz-Beteiligung, wird enger kooperiert, bleibt alles, wie es ist? Wir haben die wichtigsten Stimmen zum gestrigen Bekanntwerden einer möglichen Fusion von Opel und PSA eingesammelt.

Überrascht wurden offenbar auch das Opel-Management und die Opel-Mitarbeiter. Heute wurde bekannt, dass die Führung von General Motors nach Rüsselsheim gereist ist. GM-Chefin Mary Barra und der Opel-Aufsichtsratsvorsitzende Dan Ammann treffen sich am Mittwoch zu Gesprächen, wie ein Opel-Sprecher bestätigte. Dabei soll auch das Opel-Management über die Gespräche mit PSA informiert werden.

Opels wichtigstes Kompaktklasse-Werk: Gliwice in Polen produziert den Astra Fünftürer, die Limousine, den GTC und den Cascada für Opel, Vauxhall, Holden und Buick Opels wichtigstes Kompaktklasse-Werk: Gliwice in Polen produziert den Astra Fünftürer, die Limousine, den GTC und den Cascada für Opel, Vauxhall, Holden und Buick Quelle: Opel Wie das Manager-Magazin berichtet, könnte eine neue Elektro-Strategie für Opel ein weiteres Thema sein. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann will demnach Opel bis 2030 komplett zur E-Auto-Marke umbauen und so die Zukunft des europäischen GM-Arms sichern, auf Basis von GMs globalen Elektro-Plattformen.

Ob dieser Plan noch eine Chance hat, bleibt abzuwarten. Für viele Branchenbeobachter steht fest: GM glaubt nicht mehr an eine Wende in Europa und kann sich vorstellen, die seit 1999 defizitäre Tochter ganz oder teilweise abzustoßen. GM-Chefin Mary Barra wirbt nach einem Bericht der "Allgemeinen Zeitung Mainz" bereits in einem Brief an die Opel-Mitarbeiter für einen Verkauf des Autobauers an PSA.

Ein möglicher Deal würde "die PSA-Gruppe sowie Opel/Vauxhall aufgrund der sich ergänzenden Stärken beider Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Position auf dem sich rasch verändernden europäischen Markt zu verbessern", schrieb die GM-Chefin laut Vorabbericht der Zeitung. GM und PSA würden damit ihre jeweiligen strategischen Möglichkeiten voll ausschöpfen. "Wir würden alles daran setzen, bei der Transaktion sicherzustellen, dass die Interessen aller Beteiligten gewahrt werden", zitierte das Blatt weiter aus dem Schreiben.

Das sagen die Opelaner

Nicht nur die Manager, auch die Opel-Arbeiter im Stammwerk Rüsselsheim wurden gestern von den Übernahmegerüchten unvermittelt getroffen. Seine Kollegen und er hätten kurz vor der Mittagspause im Radio davon gehört, sagt ein Opelaner am Dienstagnachmittag der Nachrichtenagentur dpa vor dem Werkstor. Sie seien überrascht gewesen. Meist gebe es schon Tage vorher Gerüchte, diesmal nicht. Der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, arbeitet seit 40 Jahren bei Opel. "Abwarten, was passiert", sagt er. Er glaube nicht an einen vollständigen Verkauf von Opel an den französischen Autobauer PSA. Allenfalls die Produktion werde man verkaufen, schätzt er.

Allein in Rüsselsheim arbeiten rund 15.000 Menschen für Opel, etwa die Hälfte davon im Entwicklungszentrum. Ob und welche Konsequenzen ein solcher Verkauf für Opel und seine Beschäftigten hätte, ist noch völlig unklar. Ein Azubi auf dem Werkparkplatz sagt: "Ich glaube nicht, dass sie das Werk deswegen dichtmachen."

Auch ein anderer Opel-Mitarbeiter bleibt gelassen. "Das lässt mich kalt", sagt der Mann, der nach eigenen Angaben seit 30 Jahren im Unternehmen arbeitet: "So ein Theater hatten wir schon einmal."

Damit meint er den Poker um Opel im Jahr 2009. Damals sollte das Unternehmen an den Zulieferer Magna verkauft werden. Nach monatelangen Verhandlungen behielt General Motors Opel dann doch. Trotzdem sieht der Mitarbeiter die Entwicklung kritisch. Schließlich starte die Produktion des neuen Insignia. Wie solle man ein neues Produkt bewerben, wenn nicht klar ist, wie es mit der Firma weitergehe, fragt er sich.

Das sagt die Politik

Opel testet seit 1950 in Dudenhofen. Nach den jüngsten Erweiterungen sollen dort rund 700 Menschen arbeiten Opel testet seit 1950 in Dudenhofen. Nach den jüngsten Erweiterungen sollen dort rund 700 Menschen arbeiten Quelle: Opel

Auch die Bundesregierung und die Gewerkschaft IG Metall zeigten sich überrascht von einem möglichen Opel-Verkauf an PSA. PSA-Chef Carlos Tavares ist nach Angaben eines PSA-Sprechers zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Gewerkschaften bereit. Es gehe dem PSA-Chef um eine Öffnung und ein Bündnis, hieß es.

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries kritisierte: Es sei „inakzeptabel“, dass die beiden Unternehmen vorab Betriebsrat, IG Metall sowie Landes- und Bundesregierung nicht informiert hätten.Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch, der Regierung sei an einer erfolgreichen Opel-Zukunft gelegen.

Das Bundeskanzleramt, Verkehrsminister Alexander Dobrindt, Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries und Arbeitsministerin Andrea Nahles führten nun Gespräche mit der französischen Regierung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werde dabei "über alle Schritte stets im Bilde sein", sagte Seibert.

Landespolitiker fürchten um Jobs in ihrem Bundesland: Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte: "Es ist vergleichsweise egal, ob der Eigentümer wie bisher in den USA sitzt oder in Frankreich. Entscheidend ist, was hier geschieht". Wichtig sei, dass das Opel-Entwicklungszentrum am Standort Rüsselsheim bleibe. Die Landesregierung suche nun den Kontakt zur Unternehmensleitung und zu den Betriebsräten.

Volker Wissing, Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, hat dagegen den Opel-Standort Kaiserslautern im Blick. Die Landespolitik sei bereit, alles zu tun, um das Werk dauerhaft zu sichern. In Kaiserslautern stellen gut 2.100 Beschäftigte Motoren und Fahrwerkskomponenten für Opel her. Eine Allianz zwischen dem französischen und dem deutschen Autohersteller könne für alle Seiten etwas bringen, fügte Wissing hinzu.

Auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee sorgt sich um „sein“ Opel-Werk: "Für mich ist wichtig, dass Opel als Marke und der Standort Eisenach erhalten bleiben und die Beschäftigten eine langfristige Perspektive bekommen", sagte Tiefensee am Dienstag. "Darauf werden wir sehr genau achten."

Im Dezember hatte Opel angekündigt, den Kleinwagen Corsa künftig aus Eisenach nach Spanien zu vergeben. Stattdessen soll das Werk in Thüringen den Mokka bauen. Zunächst sieht Tiefensee in jedem Fall keinen Grund zur Besorgnis. "Das Ganze ist überraschend, aber für Bewertungen - insbesondere für negative Bewertungen - ist es zu früh", erklärte er.

Frankreichs Regierung will bei einem möglichen Kauf von Opel durch PSA auf die Arbeitsplätze bei dem Autobauer achten. "Der Staat wird den Auswirkungen auf die Beschäftigung in allen betroffenen Ländern eine besondere Aufmerksamkeit schenken", sagte eine Mitarbeiterin des Wirtschafts- und Finanzministeriums der dpa in Paris. Der französische Staat ist an PSAmit rund 14 Prozent beteiligt.

Es habe am Mittwoch einen "sehr herzlichen Austausch" zwischen dem französischen Wirtschafts- und Finanzminister Michel Sapin und der deutschen Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) gegeben. Mit Blick auf das Übernahmevorhaben sagte die Mitarbeiterin, die Regierung sei bisher nicht damit befasst. In allgemeiner Weise werde die Erweiterungsstrategie der PSA-Gruppe unterstützt.

Das sagen die Experten

In Eisenach arbeiten 1.850 Mitarbeiter. Künftig soll das Werk die Kleinwagen an Saragossa abgeben und dafür das SUV Mokka übernehmen In Eisenach arbeiten 1.850 Mitarbeiter. Künftig soll das Werk die Kleinwagen an Saragossa abgeben und dafür das SUV Mokka übernehmen Quelle: Opel

Der Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer (CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen) sieht PSA-Chef Carlos Tavares als treibende Kraft hinter einer möglichen Übernahme. Tavares habe bei Renault-Nissan eine erfolgreiche Fusion erlebt und wolle nun Skaleneffekte mit Opel/Vauxhall realisieren. PSA würde auf dem europäischen Markt an Größe gewinnen und Renault-Nissan deutlich überholen. Jedoch wäre eine Allianz aus Opel und PSA weiterhin in China und Südamerika zu schwach, sagt Dudenhöffer. "Die sitzen gemeinsam auf der kleiner werdenden Scholle Europa."

Das sieht auch Stefan Bratzel von der FH Bergisch-Gladbach so: "Opel hilft PSA außerhalb Europas kein Stück." Interessant seien für PSA vor allem die Skaleneffekte. "Wenn man effizienter wird, steht dahinter der Versuch, dies mit weniger Mitarbeitern zu schaffen", sagte er dem Hessischen Rundfunk.

Dudenhöffer sieht die anhaltende Misere in Europa als Grund für GMs Gedankenspiele: "Man könnte sich in Detroit angesichts der dauerhaften roten Zahlen die Frage stellen: 'Was ist in Europa überhaupt noch zu gewinnen?'" GM hatte einiges versucht: Chevrolet vom europäischen Markt genommen, Bochum und Antwerpen geschlossen, mehr als vier Milliarden Dollar investiert, die Umstrukturierungskosten geschultert. Es wurde besser mit Opel, aber es wurde nicht gut.

Große Wachstumschancen bietet Europa auch 2017 nicht. Russland bleibt am Boden, Westeuropa stagniert. Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren, allen voran die Folgen des Brexit-Votums in Großbritannien - dem größten Markt für Opel/Vauxhall.

In den Werken geht das Zittern um die 38.200 Arbeitsplätze wieder los. "PSA würde natürlich die Kapazitäten überprüfen. Standorte wie Eisenach oder Kaiserslautern wären dann gefährdet", sagt Dudenhöffer. Am Stammsitz Rüsselsheim könnten zentrale Einheiten verkleinert oder ganz abgebaut werden, weil ihre Aufgaben an anderen PSA-Standorten vorhanden seien. Betroffen wären etwa der Einkauf, der Vertrieb, das Marketing sowie Teile des Entwicklungszentrums. Mindestens ein Drittel der rund 15.000 Jobs in Rüsselsheim stünde bei einer Übernahme zur Disposition.

Die Opel-Produktion, glaubt Dudenhöffer, würde voraussichtlich in den ebenfalls nicht ausgelasteten PSA-Autobau eingegliedert. Das lasse sich aus PSAs Mehrmarken-Strategie (Peugeot, Citroën, DS) ablesen. „Es gibt keine Markenwerke, sondern nur Konzernwerke, in denen alle Markenprodukte gefertigt werden“, betonte er. Die vorhandenen Kapazitäten seien eher zu groß, sodass die Lage für die Opel-Werke in Eisenach und Kaiserslautern über Nacht schlechter geworden sei.

Opel/Vauxhall in Zahlen

  • Mitarbeiter: 38.200
  • Produktionsstandorte: 10
  • Entwicklungszentren: 2
  • Verkaufte Autos 2016: 1,2 Mio.
  • Operativer Verlust 2016: 241 Mio. EUR

Weiterlesen: GM und PSA verhandeln über Opel-Verkauf

In unserer Bildergalerie: Alle Opel-Standorte

Quelle: m. Material v. dpa

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