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Ein Lastenrad für den Transport von Särgen - Mit dem Fahrrad zum Friedhof

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Fahrrad-Liebe über den Tod hinaus: Eine Bestatterin aus Kopenhagen bringt Verstorbene mit Muskel- statt mit Motorkraft zu ihrer letzten Ruhestätte, auf einem Lastenrad.

Sille Kongstad hat sich ihr Lastenfahrrad für den Transport von Särgen umbauen lassen Sille Kongstad hat sich ihr Lastenfahrrad für den Transport von Särgen umbauen lassen Quelle: picture alliance / dpa

Kopenhagen/Frederiksberg - Kaum jemand ist so fahrradverrückt wie die Kopenhagener. Da wundert es kaum, dass Sille Kongstad in der dänischen Hauptstadt eine Marktnische entdeckt hat. Auf ihrem umgebauten Lasten-Fahrrad transportiert die Bestatterin Tote zu ihrer letzten Ruhestätte.

Kongstads Leichenwagen auf drei Rädern ist seit 2014 in Betrieb und wird nicht selten gebucht. Dafür gebe es viele Gründe, wie zum Beispiel Umweltbewusstsein, sagt die Bestatterin. "Aber oft hängt es ganz einfach damit zusammen, dass die Leute wahnsinnig gerne Fahrrad gefahren sind."

Leidenschaft fürs Fahrradfahren über den Tod hinaus

Kongstad erzählt von einem Arzt aus Hellerup nördlich von Kopenhagen, der seine Patientenbesuche stets auf zwei Rädern erledigte. "Er wurde 'der Fahrrad-Arzt' genannt", sagt die Bestatterin. "Es war sehr wichtig für seine Familie, ihn so auf seine letzte Radtour zu schicken."

Etwa 25 Fahrradtransporte hat die dänische Bestatterin seit 2014 durchgeführt Etwa 25 Fahrradtransporte hat die dänische Bestatterin seit 2014 durchgeführt Quelle: picture alliance / dpa

An diesem kalten Herbsttag hat Kongstad einen jungen Mann zum Friedhof Søndermarken in Frederiksberg gebracht. Der helle Sarg aus Naturholz ist farbenfroh mit Blumen dekoriert. Diesmal stand das Rad auf Wunsch der Angehörigen sogar mit in der Kapelle. "Es sind ganz besondere Familien, die zu mir kommen", erzählt die Bestatterin. "Oft sind es sehr kreative, künstlerische Menschen hier aus der Stadt."

Doppelte Kosten für doppelte Arbeitszeit

Nur bei etwa jeder zehnten Bestattung ist Kongstad mit dem Rad unterwegs. "Das ist vielleicht auch gut so", meint die 40-Jährige augenzwinkernd. "Alles ist etwas umständlicher, dauert länger." Die Strampelei quer durch die Stadt ist anstrengend. "Aber das macht mir nichts aus."

Auch, weil die Tour mit dem Fahrrad mehr als doppelt so lange dauert wie mit dem Leichenwagen, kostet die Bestattung doppelt so viel. "Wenn sie auf dem Fahrrad ist, brauche ich den größten Teil eines Tages dafür." Seit Kongstad die besonderen Beerdigungen anbietet, ist das Lastenfahrrad etwa 25 Mal zum Einsatz gekommen.

"Ich packe die Dinge etwas anders an"

"Ich wusste ja anfangs gar nicht, ob sich überhaupt jemand mit dem Fahrrad bestatten lassen will", sagt sie. "Aber ich konnte es einfach nicht lassen." Die Kopenhagenerin designte ihr Fahrrad und gab es bei einer Werkstatt im Stadtteil Vesterbro in Auftrag. "Am Anfang dachten die Jungs sicher: Was ist das für eine Verrückte?", erzählt Kongstad.

Die dreifache Mutter wurde durch Zufall Bestatterin. Sie hat Theologie studiert und als Lehrerin gearbeitet, bevor sie die "Bededamerne" gründete. "Es gibt immer noch viele Familien, die gerne traditionelle Bestatter haben wollen", sagt sie. "Aber es gibt eben auch solche, für die es sehr viel Sinn macht, zu jemandem wie mir zu kommen, der die Dinge etwas anders anpackt."

Als es langsam dunkel wird, verabschiedet sich Kongstad. Schließlich muss sie mit dem Leichen-Fahrrad noch über den steilen Anstieg ins Stadtzentrum zurückradeln. Doch die Strampelei lohnt sich, meint die Kopenhagenerin: "Es ist einfach etwas ganz Besonderes, auf diesem Fahrrad zu fahren."

Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht

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