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Telematik-Tarif: Wer sparen will, muss Fahrdaten preisgeben - Kfz-Versicherer setzen auf gläserne Autofahrer

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Besonnenes Fahren soll bei den Telematik-Tarifen der Kfz-Versicherer belohnt werden. Der möglichen Beitragsersparnis steht aber die Weitergabe von Daten gegenüber.

Beim Telematik-Tarif wird das Fahrverhalten des Autofahrers aufgezeichnet und an die Versicherung weitergeleitet. Wer defensiver fährt soll Beitragsrabatte erhalten Beim Telematik-Tarif wird das Fahrverhalten des Autofahrers aufgezeichnet und an die Versicherung weitergeleitet. Wer defensiver fährt soll Beitragsrabatte erhalten Quelle: picture alliance / dpa

München/Berlin - Immer mehr Versicherer werben mit Telematik-Tarifen. Dabei analysiert eine kleine Box, die zuvor im Auto installiert wurde, das Verhalten des Fahrers: wie schnell er fährt, wie er beschleunigt oder bremst. Die gesammelten Daten behält die Box aber nicht für sich, sondern leitet sie an den Versicherer weiter. Der ermittelt einen Punktwert und stuft den Fahrer danach ein.

Die Idee dahinter: Defensive Fahrer sollen von günstigeren Beitragssätzen profitieren. Im Gegenzug erhofft man sich weniger Schadensereignisse. Vor allem junge Fahrer stehen dabei im Mittelpunkt. Gerade diese Zielgruppe ist statistisch betrachtet überdurchschnittlich oft in schwere Unfälle verwickelt.

Bei einigen Anbietern von Telematik-Tarifen können die gesammelten Fahrdaten auf dem eigenen Smartphone eingesehen werden Bei einigen Anbietern von Telematik-Tarifen können die gesammelten Fahrdaten auf dem eigenen Smartphone eingesehen werden Quelle: picture alliance / dpa

Versicherer versprechen hohe Rabatte

Die erste Gesellschaft in Deutschland, die ihren Kunden Telematik-Box und -vertrag anbot, war Anfang 2014 die Sparkassentochter S-Direkt. Nach zwei Jahren zieht man dort eine positive Bilanz. "Das Feedback der Kunden war exzellent", sagt Jürgen Cramer, Vorstandsmitglied bei S-Direkt.

Auch andere Versicherungen sind auf den Telematik-Zug aufgesprungen. So verspricht die Marke Sijox für junge Autofahrer Rabatte von bis zu 40 Prozent bei Abschluss des Tarifs AppDrive. Über eine App erhalten die Versicherten Aufschluss über ihren Fahrstil. Auch die Versicherung hat Zugriff auf die gesammelten Punkte, den sogenannten Score.

Der Versicherer Axa hat mit DriveCheck ein vergleichbares Telematik-Angebot für unter 25-Jährige, das allerdings auf Einbauten am Fahrzeug verzichtet und nur auf App-Basis funktioniert. Einsparpotenzial: 15 Prozent.

Geht es nach einer Studie der Beratungsfirma Roland Berger, werden weitere Versicherungen nachziehen. Bis 2030 erwarten die für die Studie "Geschäftsmodell der Kfz-Versicherung im Umbruch" im vergangenen Jahr befragten Branchenexperten für telematikbasierte Kfz-Versicherungen einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent. Insbesondere der zunehmende Abschluss von Policen über Vergleichsportale setze die Kfz-Versicherer unter Druck.

Lohnt der Wechsel zum Telematik-Tarif?

Autofahrer mit Telematik-Tarife geben eine Menge Daten preis. "Wenn Versicherer Daten erheben, werden sie damit auch etwas anfangen wollen", sagt Philipp Opfermann, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Allerdings arbeiten die Versicherer bei der Ausarbeitung ihrer Telematik-Produkte meist eng mit Datenschützern zusammen.

Doch je mehr sich Telematiktarife verbreiten, desto teurer könnten klassische Tarife werden. "Das ist eine Gefahr", sagt Opfermann. Zwar zeichne sich dies aktuell nicht ab, doch denkbar sei, dass Versicherungsnehmer, die sich gegen einen Telematiktarif entschieden, unter Generalverdacht gestellt würden, riskantere Autofahrer zu sein. Die Versicherungsgesellschaften schließen derzeit aber durch die Bank aus, dass die Erhebung des Scores zu ihrem Nachteil genutzt werde.

Aber auch unabhängig von der Sorge um die Datenerfassung sollten Autofahrer eine einfache Vergleichsrechnung aufmachen: Ist der Telematik-Tarif wirklich ein Schnäppchen, oder bietet ein Versicherungswechsel nicht das größere Einsparpotenzial? Oft lassen sich mehrere hundert Euro im Jahr sparen - ganz ohne Datenüberwachung. Hat der Versicherungsnehmer aber erst einmal Hardware im Auto installiert, werde er wahrscheinlich "träger und weniger wechselfreudig", sagt Opfermann.

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