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Manager gegen Betriebsrat: Konfrontation in Wolfsburg - Diess stellte angeblich Vertrauensfrage

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Die VW-Diesel-Krise darf nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen werden, fordert der Betriebsrat. Folge: In Wolfsburg zoffen sich die Bosse.

Herbert Diess (l.), Chef bei der Marke VW, soll Betriebsratschef Bernd Osterloh gefragt haben, ob er den Konzern verlassen soll Herbert Diess (l.), Chef bei der Marke VW, soll Betriebsratschef Bernd Osterloh gefragt haben, ob er den Konzern verlassen soll Quelle: picture alliance / dpa

Update: Betriebsrat dementiert "Vertrauensfrage"

Hannover/Wolfsburg - Der verschärfte Sparkurs bei Volkswagen treibt einen Keil zwischen den mächtigen Betriebsrat und das Management. Der bereits seit Monaten andauernde Konflikt mit dem Vorstand der VW-Kernmarke ist an einem neuen Höhepunkt angelangt.

Herbert Diess soll nach Informationen von "Spiegel Online" dem Betriebsrat die Vertrauensfrage gestellt haben. "Soll ich gehen"? titelte das Portal am Freitagnachmittag. Der Betriebsratschef Bernd Osterloh soll darauf mit "Nein" geantwortet haben. Ein Sprecher des Betriebsrats widersprach dieser Darstellung am Freitagabend: "Das ist eine Falschmeldung. Das angebliche Gespräch am

gestrigen Donnerstag, in dem Herr Diess Herrn Osterloh gefragt haben soll, ob er gehen soll, hat es nicht gegeben."

Aber: Das Vertrauen scheint nachhaltig erschüttert. In Wolfsburg herrscht öffentliche Konfrontation. Da ein "gravierendes Vertrauensproblem" vorliege, rief Betriebsratschef Osterloh öffentlich zu Gesprächen über einen "Zukunftspakt" auf. Es gebe keine Basis mehr für die bisherige Form der Zusammenarbeit, hieß es aus dem Betriebsrat. Diskussionen über einen "Zukunftspakt" seien nötig, um die aktuellen Spekulationen zur Sicherheit von Jobs und Werken in Deutschland zu beenden. "Darin wollen wir feste Produkt-, Stückzahl- und Investitionszusagen für die nächsten Jahre festschreiben", schrieb der Betriebsrat an die VW-Belegschaft. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag von Vertrauensleuten der IG Metall. Der Brief ging unter anderem per E-Mail auf den Weg.

Jobängste bei VW: Die Diesel-Affäre könnte auch einen möglichen Stellenabbau bedeuten Jobängste bei VW: Die Diesel-Affäre könnte auch einen möglichen Stellenabbau bedeuten Quelle: picture alliance / dpa

Volkswagen ist gesprächsbereit

Der Vorstand der VW-Kernmarke zeigte sich bereit, rasch in Gespräche einzusteigen. "Das Schreiben des Betriebsrats sehen wir als sehr gute Vorlage für die weitere Arbeit. Wir begrüßen ausdrücklich das Verhandlungsangebot für einen langfristigen Zukunftspakt", sagte VW-Personalchef Karlheinz Blessing der dpa auf Anfrage. "Die Sicherung der Standorte liegt auch im Interesse des Vorstands. Die Gespräche werden wir zügig und konstruktiv führen."

Der mit dem Schreiben in die Belegschaft getragene Konflikt markiert eine neue Qualität. Osterloh und VW-Markenchef Herbert Diess gerieten seit dem Ausbruch der Diesel-Krise schon mehrfach aneinander. Folgt nun ein offener Bruch?

Betriebsrat stemmt sich gegen Stellenabbau

Der Vorwurf des Betriebsrates wiegt schwer. Er fürchtet, dass das Management den Renditedruck verschärft und die Lage in der Krise bewusst ausnutzt. "So haben wir den Eindruck, dass der Diesel-Skandal hinterrücks dazu genutzt werden soll, personelle Einschnitte vorzunehmen, die bis vor wenigen Monaten kein Thema waren", heißt es in dem Brief, den auch die Betriebsratschefs aus Emden, Hannover, Kassel, Salzgitter, Braunschweig und VW-Sachsen unterschrieben haben.

Einen Pakt für sichere Jobs gab es zuletzt vor zehn Jahren, als VW die Viertagewoche zu Grabe trug und Mehrarbeit ohne vollen Lohnausgleich errang. "Auch in der damaligen schwierigen Zeit ist es uns über verbindliche Vereinbarungen gelungen, die Zukunft für Unternehmen und Beschäftigte positiv zu gestalten. Dies ist auch heute unser Angebot an den Markenvorstand von Volkswagen", heißt es in dem Brief. "Wir wollen ein Ende der Spekulationen über die Zukunft von Menschen und Standorten von Volkswagen!"

Die Mitbestimmung im VW-Konzern ist ungewöhnlich stark. Auch wegen historischer Wurzeln haben der Betriebsrat um die IG Metall und der Minderheitseigner Niedersachsen starke Positionen - die Nazis bauten das VW-Stammwerk mit enteignetem Gewerkschaftsvermögen. Abstriche bei der Mitbestimmung träfen das Grundverständnis von VW, in dem Beschäftigung und Wirtschaftlichkeit Ziele gleichen Ranges sind.

Der Betriebsrat verlangt Gewissheit für die Zukunft der Mitarbeiter. Produkt-, Stückzahl- und Investitionszusagen sollen festgehalten werden Der Betriebsrat verlangt Gewissheit für die Zukunft der Mitarbeiter. Produkt-, Stückzahl- und Investitionszusagen sollen festgehalten werden Quelle: picture alliance / dpa

Arbeitnehmerseite verlangt klare Perspektive

Osterlohs Team hegt offenbar großes Misstrauen. "Ständige wechselnde Zielvorgaben, das Fehlen einer verlässlichen, langfristigen Strategie für die Marke Volkswagen oder pauschale, nicht zu Ende gedachte Sparvorgaben sind hierfür nur einige Beispiele."

"Der Grundsatz, dass Wirtschaftlichkeit und Beschäftigung gleichrangige Unternehmensziele sind, muss seine Gültigkeit behalten." Dies gelte "selbstverständlich" auch für die Leiharbeit. Hier ließ VW zuletzt - nach Jahren der Übernahmepraxis - gut tausend Verträge auslaufen. Der Brief fordert: "Ziel darf es nicht sein, möglichst viele Leiharbeitnehmer schnellstmöglich abzumelden."

Osterlohs Leute spielen mit dem "Zukunftspakt" auf Angriff. Sie fordern mit den festen Zusagen für Jobs, Produkte und Stückzahlen auch ein strategisches Gesamtkonzept ein. "Dies gilt beispielsweise für unsere Motoren- und Getriebestandorte, die durch den Einzug von Elektromobilität betroffen sein werden, für unsere fahrzeugbauenden Werke und auch für die indirekten Bereiche.

Mit Letzterem sind in der Branche Jobs fern der Produktion gemeint, also etwa in der Verwaltung. Dort will das VW-Management mehr als 3.000 Stellen abbauen, worin der Betriebsrat eine blinde Sparwut nach der "Rasenmäher-Methode" sieht. Die aktuelle Beschäftigungssicherung für die 120.000 Mitarbeiter im VW-Haustarif schließt Stellenstreichungen nicht aus. Diese könnten über weniger Neueinstellungen oder Zuweisen neuer Aufgaben laufen.

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