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Opel Kadett B "Kiemen"-Coupé 1966: Fahrbericht - Dieser Opel ließ den Käfer locker hinter sich

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Mit dem Opel Kadett B legten die Rüsselsheimer ab 1965 einen Millionenseller auf. Der Käfer trug im Vergleich Vorkriegstechnik. Ausfahrt mit dem Kiemen-Coupé von 1966.

Opel erfolgreichster Kadett lief zwischen 1966 und 1973 vom Band Opel erfolgreichster Kadett lief zwischen 1966 und 1973 vom Band Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de

Rüsselsheim – Was haben sie gelacht bei Opel. Noch Mitte der 1960er Jahre tuckerte der VW Käfer mit Boxermotor durch die Stadt. Laut, unkomfortabel und klein. Die Technik galt schon damals als von vorgestern. Opel dagegen setzte auf moderne Technik in Form eines laufruhigeren Reihen-Vierzylinders.

Schon der Kadett A (1962-1965) konnte als Neukonstruktion viele Kunden überzeugen. Doch das Design war altbacken, Opel wollte es frischer haben. Vor 52 Jahren erschien dann der B-Kadett und löste diese Anforderung ein.

Der B-Kadett sieht wohlgenährter und bauchiger als sein Vorgänger aus. Vielleicht liegt das an der breiten Karosserie, die die Spurweite um 30 Zentimeter überragt. Bestimmt auch an dem üppigen Chromschmuck, den Zierleisten und den filigranen Details. Opel bot neben dem Coupé eine zweitürige Limousine, den Caravan mit zwei Türen und eine viertürige Limousine an. VW hatte dagegen nur einen Käfer.

Autor Fabian Hoberg konnte ein paar Runden im Kadett B von 1966 drehen Autor Fabian Hoberg konnte ein paar Runden im Kadett B von 1966 drehen Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Dazu gab es bei Opel die Wahl zwischen der Standard- und der Luxusausführung. Bei den Motoren konnte der Kunde zwischen 45 PS für Normalbenzin und 55 PS für Superbenzin wählen. Mit dem 12-Volt-Bordnetz sprang der Motor auch im Winter zuverlässig an. Für eine sichere Verzögerung sorgen bei der 55-PS-Version Scheibenbremsen vorne, ab 1967 zählten sie zur Serienausstattung.

Das Fastback-Coupé lief in Bochum von den Bändern, zwischen den ganzen Kadett-Limousinen. In Bochum hatte Opel dem Kadett ein eigenes Werk gebaut, um der großen Nachfrage Herr zu werden.

Zeitreise in Omas Küche

Heute gleicht eine Fahrt im B-Kadett Coupé einer Zeitreise. Die beginnt schon mit dem Drücken des Türknopfes. Alles an diesem Auto wirkt zerbrechlich und filigran. Da sind die schmalen Türgriffe, der zarte Blinkerhebel und das dünne Lenkrad. Aus der Mittelkonsole ragt ein langer Schalthebel, die Sitze sehen aus wie Omas Küchenstühle und haben genauso viel Seitenhalt. Es riecht auch nach Omas Esszimmer in der sauerländischen Provinz, irgendwie nach 4711 und Kassler mit Sauerkraut. Gruselig, und doch irgendwie heimelig und vertraut.

Das B-Coupé von 1966 hat unter der Haube einen 1,1-Liter-Vierzylinder mit 55 PS. Das reicht bei einem Gewicht von nur 770 Kilogramm für 146 km/h, und das war damals eine Ansage: der VW 1300 Käfer fuhr nur 122 km/h schnell. Den kleinen Schlüssel ins Zündschloss gesteckt, eine Umdrehung und der Anlasser heult ein paar Sekunden. Schiebt die vier Kolben mühsam hoch und runter, bis der Sprit endlich zündet.

6.270 Mark verlangte Opel 1966 für das Coupé 6.270 Mark verlangte Opel 1966 für das Coupé Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Aus dem schmalen Auspuff klingelt es schrill. Vergessen geglaubte Erinnerungen werden wach: an eine Nachbarin, die sonntagmorgens mit ihrem Kadett immer in die Kirche fuhr – und das Auto vorher gern ein paar Minuten in der Garage warmlaufen ließ.

100 km/h in 19 Sekunden sind möglich

Warum auch immer sie das tat, denn die drei Liter Öl im längs eingebauten Motor sind schnell auf Betriebstemperatur. Mit schmalen Schuhen lässt sich das Kupplungspedal leicht durchtreten, mit grobem Schuhwerk tritt man die Bremse leicht mit durch. Etwas Zwischengas, und der erste der vier Gänge des manuellen Getriebes ist drin. Für sportlich ambitionierte Fahrer bot das Werk eine Sportschaltung an, für gar nicht ambitionierte Fahrer wie meine damalige Nachbarin ein Dreigang-Automatikgetriebe.

Mit ein bisschen Gas schnattern die Ventile, die Stößelstangen klackern und der Solex-Fallstromvergaser zieht schlürfend Frischluft ein. Die 55 PS schieben das Coupé gefühlt flott an. Hinterradantrieb, klar. Mit viel Zwischengas flutschen die Gänge durch die ewig langen Schaltwege. Wer die mehr als 50 Jahre alte Mechanik stressen will, kann die 100 km/h in unter 20 Sekunden erreichen. Doch will man so ein altes Auto hetzen? Ein bisschen Respekt vor dem Alter gehört dazu, wenn man so ein Auto bewegt.

Arbeit und Genuss zugleich

Klein, aber robust: der 1,1-Liter-Vierzylinder mit 55 PS war kaum kleinzukriegen Klein, aber robust: der 1,1-Liter-Vierzylinder mit 55 PS war kaum kleinzukriegen Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Die Opel-Vierzylinder liefen auch ohne große Wartung problemlos. Ein regelmäßiger Ölwechsel, ab und zu ein Ventilspiel-Check, dann war der Motor fast unzerstörbar. Sorgen bereitete eher das Blech. An Türschwellern und Türen knabberte gerne der Rost. Besitzer griffen oft zum Schweißgerät oder trennten sich ganz vom Kadett. Viele Coupés haben auch deshalb nicht überlebt.

Das Kiemen-Coupé (wegen der angedeuteten Kiemen an der C-Säule) der Opel Classic-Abteilung hat überlebt und steht gut da. Ein bisschen Patina, ja. Aber kein Rost am Blech, das Chrom glänzt in der Sonne und die Blattfedern an der Hinterachse schmatzen satt beim Eintauchen in Bodenwellen.

Die dünnen 13-Zoll-Räder mit 155er-Reifen wimmern schon vor der ersten Kurve um Gnade. Das große Zweispeichen-Lenkrad verlangt ein festes Zupacken. Nicht, weil die Lenkkräfte so groß sind, sondern weil die Bakelit-Ummantelung so rutschig ist. Fahren im Kadett-B ist Arbeit und Genuss zugleich.

Varianten ohne Ende

Durch die Ausstellfenster zieht ein wenig Frischluft durchs Auto, die Sonne scheint durch die großen Glasflächen und spiegelt sich am lackierten Blech im Innenraum. Ein paar Kippschalter links, ein mittiger Tacho und ein UKW-Radio lenken keinen Fahrer ab. Zur Luxus-Ausstattung zählen unter anderem Chromzierrat, Ausstellfenster, Stoßstangenhörner, Aschenbecher, Uhr, beleuchteter Zigarrenanzünder und Teppichboden.

Die Motorhaube lässt sich außerdem von innen entriegeln, Beleuchtung für Motorraum, Kofferraum und das Handschuhfach gibt es auch. Von wegen fahrender Minimalismus. Der Kadett galt vor mehr als 50 Jahren nicht ohne Grund als bessere Alternative zum Käfer.

Opel erweiterte das Kadett-Sortiment 1967 um einen fünftürigen Kombi, eine zweite Coupé-Variante, zwei Fließheck-Varianten und die Luxus-Version Olympia – erkennbar unter anderem an den in die Scheinwerfer integrierten Blinkern. Die Fahrzeuge sollten nicht nur in Europa für mehr Kunden sorgen, sondern auch in den USA.

1970 fiel das Kiemen-Coupé aus dem Programm, 1973 lief der B-Kadett aus. Es folgte der Kadett C 1970 fiel das Kiemen-Coupé aus dem Programm, 1973 lief der B-Kadett aus. Es folgte der Kadett C Quelle: Fabian Hoberg für mobile.de Dazu kam wahlweise eine 1,7-Liter-Version mit 75 PS und der 1,9-Liter-Vierzylinder mit 90 PS für den Rallye-Kadett. Im Herbst 1967 standen 28 Kadett- und neun Olympia-Varianten zur Wahl. Aus heutiger Sicht ist das nicht viel. Im Vergleich zu VW und Ford war das damals ein enormes Angebot. 1967 auch erhielt die Hinterachse Schraubenfeder und Panhardstab, die Rückleuchten wurden größer – bis auf die beim Kiemen-Coupé. Es setzte weiterhin auf schmale Rückleuchten ohne integrierte Rückscheinwerfer.

Mehr als 2,6 Millionen verkaufte Kadett B

Das Kiemen-Coupé (intern Modell 32) kostete damals 6.270 Mark , ein Basis-Kadett 5.350 DM. Das war deutlich teuerer als ein VW Käfer 1300 (4.735 Mark). Heute werden gut erhaltene Coupés auf mobile.de für mindestens 12.000 Euro angeboten. Groß ist das Angebot nicht. Schade, denn der Zweitürer bietet nicht nur unkomplizierte Technik, einen robusten Vierzylinder und viel Platz. Sondern vor allem Erinnerungen und viel Fahrfreude.

1970 fiel das Kiemen-Coupé aus dem Programm, 1973 lief der B-Kadett aus. Mit mehr als 2,6 Millionen gebauten Fahrzeugen war er bis dahin das meistverkaufte Opel-Modell überhaupt. Auf den B-Kadett folgte der Kadett C. Besonders der GTE hat es Fans besonders angetan, noch heute. Der nahm sich nicht den Käfer vor, sondern heizte dem Golf richtig ein. Über den Opel Kadett C GTE berichten wir in Kürze.

Technische Daten Opel Kadett B Coupé „Kiemen-Coupé

  • Motor: 1,1-Liter-Reihen-Vierzylinder
  • Leistung: 55 PS (40,4 kW) bei 5.400 U/min
  • Drehmoment: 81,5 Nm bei 3.000 U/min
  • Antrieb: manuelles Viergang-Getriebe, Hinterräder
  • Geschwindigkeit: 146 km/h
  • 0-100 km/h: 19 s
  • Verbrauch: 9,5 l
  • Länge/Breite/Höhe: 4,10 m/1,57 m/1,40 m
  • Gewicht: 770 kg
  • Baujahr: 1966
  • Stückzahlen: Kadett B gesamt 1965-1973: 2.691.287 Stück, Coupé B gesamt 1965-1973: 426.136 Stück
  • Preis 1966: 6.270 Mark

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