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ADAC: 30 Prozent aller Tachos manipuliert - Der Betrug mit dem Kilometerstand

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Tachostände bei Gebrauchtwagen manipulieren - das kann heute praktisch jeder. Und es lohnt sich. Der ADAC sieht die Hersteller in der Pflicht und fordert mehr Sicherheit.

Wertsteigerung leicht gemacht: Tachostände fälschen kostet nach wie vor kaum Mühe. 2005 versprach die Industrie noch: 2008 gibt es mehr Sicherheit Wertsteigerung leicht gemacht: Tachostände fälschen kostet nach wie vor kaum Mühe. 2005 versprach die Industrie noch: 2008 gibt es mehr Sicherheit

München - Es dauert drei Sekunden. Mit einem Gerät, das jeder online kaufen kann, lässt sich der Tachostand von Gebrauchtwagen zurückstellen, zum Beispiel von 120.000 auf 39.000 Kilometer Laufleistung. Eben noch ein alter Hobel, auf einmal ein junger Gebrauchter? Der jährliche Schaden durch solche Betrugsfälle beläuft sich laut ADAC auf sechs Milliarden Euro.

Anbieter preisen den Rückstellservice ebenso an wie die dafür nötigen Geräte. Es handele sich um "eines der vielseitigsten und am einfachsten bedienbaren Geräte zur Programmierung von Kilometerständen in Tachometern und anderen Modulen", wirbt ein Anbieter für sein Gerät. Es sei "mit seiner einfachen Handhabung das ideale Tachojustiergerät für den Einstieg in dieses Gewerbe".

Es dauert drei Sekunden und kostet drei Klicks, schon ist der Tachostand um zwei Drittel niedriger und der Wagen deutlich mehr wert Es dauert drei Sekunden und kostet drei Klicks, schon ist der Tachostand um zwei Drittel niedriger und der Wagen deutlich mehr wert Quelle: dpa/Picture Alliance Noch nie war Betrug so einfach. Laut ADAC sind 30 Prozent der Gebrauchtwagen manipuliert. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Bundesverband freier KFZ-Händler (BVfK) halten diese Zahl für zu hoch und gehen von maximal zehn Prozent aus. Schlimm genug.

Es geht zu einfach

Manche Manipulationsgeräte kosten weniger als 200 Euro - die Investition lohnt sich schon bei einem verkauften Altauto. "Es ist so einfach, dass es uns erschreckt", sagte Markus Sippl, Leiter Fahrzeugtechnik beim ADAC, und zeigt, wie es geht: Mit zwei Klicks ändert er den Kilometerstand von 120.000 auf 78.000, und mit zwei weiteren Klicks auf 35.009 Kilometer.

"Wir wissen jetzt, dass die Industrie definitiv zu wenig tut, um den Tachobetrug zu erschweren", sagt Thomas Burkhardt, ADAC-Vizepräsident für Technik. "Wenn man es überspitzt sagt, könnte man sagen, dass die Hersteller sich zu Helfern machen lassen."

VDA: Systeme werden sicherer

Der Branchenverband VDA weist die Vorwürfe zurück. Ein unveränderbarer Tachostand sei aus Wartungsgründen keine Lösung. "Die Hersteller haben großes Interesse daran, die Hürden für den Betrug möglichst hoch zu legen." Autos, die schwer zu manipulieren sind, überzeugten die Kunden - und nutzten damit Autofahrer und Industrie.

"Es werden Systeme entwickelt, die erheblich höheren Sicherheitsanforderungen genügen", sagt Ulrich Eichhorn, Geschäftsführer Technik und Umwelt des VDA. So gebe es einen geschützten Bereich auf den Chips im Auto, wo Informationen fälschungssicher gespeichert werden könnten. "Es bleibt jedem Hersteller selbst überlassen, ob er den Kilometerstand in einem solchen geschützten Bereich ablegen wird."

Aber: Es wird noch dauern, bis Autos mit fälschungssicherem Tacho auf dem Gebrauchtmarkt angekommen sind. Bis dahin, sagt der VDA, soll der ADAC aktiv werden: "Er könnte die Kilometerstände seiner 18 Millionen Mitglieder abfragen und zentral hinterlegen." Und die Politik, so der VDA, könnte die Manipulationsgeräte verbieten.

Händler: Manipulation schwer erkennbar

Ansgar Klein vom Bundesverband der freien Kfz-Händler (BVfK) glaubt, dass wirtschaftliche Gründe dagegen sprechen, Manipulationen nachhaltig zu unterbinden. Er sagt: Die im Verband organisierten Händler, etwa 850 von insgesamt 5.000, gäben eine Verbandsgarantie. Leider sind das weniger als ein Fünftel der Gebrauchtwagenhändler.

Viele könnten also etwas tun - tun sie aber bisher nicht. "Prekär ist, dass die Opfer meistens die Gebrauchtwagenkäufer sind - also Menschen mit dem kleinen Geldbeutel", sagt Burkhardt. Im Schnitt wird für einen manipulierten Gebrauchten 3.000 Euro über Wert gezahlt.

Wenn es ganz dick kommt, verpasst der stolze Besitzer sogar eine notwendige Wartung. Das kann nicht nur gefährlich, sondern auch teuer werden. Wird etwa ein Zahnriemen nicht rechtzeitig gewechselt, droht ein Motorschaden.

Was kann man tun?

Weil die Technik so unzuverlässig ist, können Käufer einen manipulierten Tacho nur an Indizien erkennen. Wie weit lässt sich die Historie des Autos anhand von Reparatur-Rechnungen und Prüfprotokollen zurückverfolgen? Ist der letzte Ölwechsel belegbar - und welcher Tachostand ist vermerkt? Sind im Wartungsheft alle Einträge mit dem gleichen Kugelschreiber vorgenommen?

Auch der gesunde Menschenverstand kann helfen. Starker Verschleiß am Fahrersitz, den Scharnieren der Fahrertür etc. passt nicht zu einer niedrigen Laufleistung. Wie genau Ihr einen manipulierten Tacho erkennt, lest Ihr hier.

Quelle: dpa

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