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10 Jahre VW-Skandal: Die Lehren - Compliance statt Lustreisen in Wolfsburg

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Luxusreisen, Sexpartys, Schmiergelder: Vor 10 Jahren offenbarte sich beim Wolfsburger Autoriesen Volkswagen ein schmutziger Sumpf. Heute zeigt sich der Konzern geläutert.

VW-Zentrale in Wolfsburg: Das "System VW" sieht traditionell eine starke Rolle der Arbeitnehmervertreter vor. Vorstände hatten deshalb ein Interesse, Betriebsräte "bei Laune zu halten" VW-Zentrale in Wolfsburg: Das "System VW" sieht traditionell eine starke Rolle der Arbeitnehmervertreter vor. Vorstände hatten deshalb ein Interesse, Betriebsräte "bei Laune zu halten" Quelle: dpa/Picture Alliance

Wolfsburg - Betriebsratschef Klaus Volkert stand 15 Jahre lang für das "System VW". Der gelernte Schmied sah sich auf Augenhöhe mit der VW-Chefetage, parkte wie selbstverständlich neben den Vorstandsbossen vor der Wolfsburger Zentrale. Wenn er wollte, protestierten Zehntausende auf dem Werksgelände.

Die VW-Affäre erschütterte Mitte 2005 den Wolfsburger Konzern und die Republik. Eine Geschichte von Machtmissbrauch, geheimen Boni, Schmiergeldern und Lustreisen auf Firmenkosten. Im Rückblick bezeichnet Volkert seine Rolle selbst als „Mist“. Er habe VW, der Arbeitnehmerseite und seiner Familie sehr geschadet.

Der ehemalige VW-Vorstand und Berater der Schröder-Regierung, Peter Hartz, räumte ein: Er habe den Betriebsratschef "gekauft" Der ehemalige VW-Vorstand und Berater der Schröder-Regierung, Peter Hartz, räumte ein: Er habe den Betriebsratschef "gekauft" Quelle: dpa/Picture Alliance Volkert kassierte damals fast zwei Millionen Euro an Boni von Personalvorstand Peter Hartz. Der räumte ein, Volkert "gekauft" zu haben. Volkerts brasilianische Geliebte erhielt zusätzlich rund 400.000 Euro. VW-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer organisierte Luxushotels, Partys und Nachtclubs. "Gebauer, wo bleiben die Weiber?", soll im System VW damals oft ein Ausruf gewesen sein.

Wirtschaftlich waren es schwere Zeiten. Volkswagen galt vor zehn Jahren als "kranker Mann der Automobilindustrie", sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. "Die Affäre symbolisierte die negativen Folgen von Intransparenz und ungesunden Einfluss- und Machtbeziehungen im Volkswagen-Konzern."

Nobelhotels und Nachtklub-Besuche für den VW-Betriebsrat

Erste Berichte über eine Schmiergeldaffäre bei VW tauchten Ende Juni 2005 auf. Wenige Tage später erstattete der Konzern Anzeige gegen den Skoda-Personalchef Helmuth Schuster, am 30. Juni 2005 trat Klaus-Joachim Gebauer zurück.

Im weiteren Verlauf kam heraus: Der Vorstand hatte den Betriebsrat mit Geld und Luxusreisen bestochen, um sich die Zustimmung zu Beschlüssen zu erkaufen. Gebauer gab an, im Auftrag des Vorstands Besuche in Nobelhotels und Nachtklubs organisiert zu haben.

Peter Hartz wurde zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt - 576.000 Euro. Auch Gebauer erhielt eine Bewährungsstrafe, während Volkert zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde. Davon verbüßte er ein Jahr und neun Monate.

Heute sieht sich der VW-Konzern gerüstet gegen solche Vorgänge. Über die Regeln der so genannten Compliance wacht die Konzernrevision. Deren Leiter Peter Dörfler sagte: "Wir prüfen die grundsätzlichen Abläufe im Unternehmen, darüber hinaus nehmen wir verdachtsunabhängige Kontrollen und im Verdachtsfall intensive Untersuchungen vor."

Skandale in großen Organisationen: Nicht ganz vermeidbar?

Klaus Volkert und Ferdinand Piëch, 1993. Volkert sagte 2010 über den  VW-Patriarch und Ex-Vorstandsvorsitzenden: Es habe im Konzern nur wenig gegeben, das Piëch nicht gewusst habe. Piëch hatte eine Mitwisserschaft stets bestritten Klaus Volkert und Ferdinand Piëch, 1993. Volkert sagte 2010 über den VW-Patriarch und Ex-Vorstandsvorsitzenden: Es habe im Konzern nur wenig gegeben, das Piëch nicht gewusst habe. Piëch hatte eine Mitwisserschaft stets bestritten Quelle: dpa/Picture Alliance

2014, so Dörfler, habe die Konzernrevision bei VW 365-mal ermittelt. 72 Mitarbeiter hätten ihren Job verloren, in 16 Fällen seien Verträge mit Geschäftspartnern gekündigt oder nicht verlängert worden.

Branchenanalyst Frank Schwope von der NordLB rechnet vor, dass sich der Absatz des Konzerns von damals auf heute verdoppelt habe. Die Aufarbeitung der Probleme habe VW nach vorne gebracht. "Skandale und Affären lassen sich in Großorganisationen selten ganz vermeiden, wie aktuelle Beispiele wie beim ADAC oder der Fifa belegen".

Die festen Parkplätze für Top-Manager im Konzern, ob nun auf Vorstand- oder Arbeitnehmerseite, sind inzwischen abgeschafft. Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International führte VW 2014 gemeinsam mit BASF und Siemens als besonders transparent in der Spitzengruppe der weltgrößten Unternehmen.

Zuletzt sorgte bei VW 2014 das umstrittene Sponsoring der Telekom für den VW-Werksclub VfL Wolfsburg für Negativschlagzeilen. VW zahlte am Ende ein Millionenbußgeld, gab sich aber überzeugt, korrekt gehandelt zu haben - mit der Zahlung habe man ein langes Verfahren vermeiden wollen.

Quelle: dpa

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