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Ferdinand Piëch wird heute 80 Jahre alt - Automanager des Jahrhunderts

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Er war der wohl wichtigste deutsche Autoboss der letzten Jahrzehnte und Mr. Volkswagen. Doch das ist Vergangenheit. Am Ostermontag wird Ferdinand Piëch 80 Jahre alt. Was macht VW ohne den "Alten"?

Ferdinand Piëch setzte im Konzern die Marken Bugatti oder Ducati durch, bei Audi den Fünfzylinder und Quattro-Antrieb, bei VW das Einliter-Auto XL1 (Foto). Sein Wort war Gesetz im VW-Konzern Ferdinand Piëch setzte im Konzern die Marken Bugatti oder Ducati durch, bei Audi den Fünfzylinder und Quattro-Antrieb, bei VW das Einliter-Auto XL1 (Foto). Sein Wort war Gesetz im VW-Konzern Quelle: dpa/Picture Alliance

Wolfsburg - Es dürfte ein stiller Geburtstag werden. Ferdinand Piëch, Porsche-Enkel und langjähriger Patriarch des Weltkonzerns Volkswagen, wird am 17. April 80 Jahre alt. Große öffentliche Feiern sind nicht geplant, Piëch dürfte dazu auch nicht in der Stimmung sein. Denn zu viel ist passiert in den vergangenen zwei Jahren. Der "Automanager des Jahrhunderts" hatte bei VW keinen guten Abschied.

Den Ausbau des VW-Imperiums sah Piëch als eine Art Lebenswerk. Lange Zeit regierte er erfolgreich von seinem Wohnort Salzburg aus, er war die oberste Instanz. Der "Alte" wurde er genannt. Doch das Kapitel ist beendet, nach heftigen internen Machtkämpfen. Denn Piëch ist praktisch raus aus VW und der Dachholding Porsche SE. Er verkaufte den weitaus größten Teil seines Aktienpakets, vor allem an seinen jüngeren Bruder Hans Michel Piëch (75). Der ist der neue starke Mann im Familienclan.

Vor fünf Jahren war das noch anders, zu Piëchs 75. Geburtstag. 2012 war das. Piëch feierte seinen Geburtstag als VW-Patriarch mit vielen Gästen in einem Nobelhotel in Dresden. Wenig später, bei der Hauptversammlung, wurde seine Ehefrau Ursula in den VW-Aufsichtsrat gewählt und Piëch selbst vom Gremium für fünf weitere Jahre im Amt als Aufsichtsratschef bestätigt. VW, das war ein bisschen eine Piëch-Dynastie. Quasi als verspätetes Geburtstagsgeschenk übernahm die VW-Tochter Audi den italienischen Motorradhersteller Ducati - ein langgehegter Traum des früheren Audi-Chefs Piëch.

Zwölf ist eine gute Zahl

1975: Ferdinand Piëch in Diensten von Audi 1975: Ferdinand Piëch in Diensten von Audi Quelle: dpa/Picture Alliance

Sein Ziel war immer, Volkswagen zur Nummer eins in der Welt machen - mit allem, was auf Straßen fährt, von Kleinwagen bis zum Laster. "Ich bin nicht gern Zweiter", sagte Piëch einmal in einem Interview. Seine Macht brachte ein Kleinanleger bei einer Hauptversammlung so auf den Punkt: "Göttervater". Vor dem Urteil des Ingenieurs Piëch zitterten die Entwickler in Wolfsburg, so gehen die Legenden. Der als autoritär geltende Chef fackelte nicht lange, der Respekt vor ihm war groß. 1999 wählte ihn eine internationale Fachjury zum "Automanager des Jahrhunderts".

Mit einzelnen Sätzen machte Piëch Unternehmenspolitik und bestimmte die Schlagzeilen. Kurz vor Beginn der IAA 2009 zum Beispiel sagte er: "Zwölf ist eine gute Zahl." Damals zählte das VW-Imperium noch neun Marken - es dauerte nicht lange, dann waren es zwölf.

Das alles ist Geschichte. Das Verhältnis zwischen Piëch und den Spitzen bei VW und der Dachholding Porsche SE ist heute problematisch, wenn nicht zerrüttet. Zum Geburtstag allerdings schlägt VW versöhnliche Töne an. "Ferdinand Piëch hat das Automobil, unsere Industrie und den Volkswagen-Konzern in den vergangenen fünf Jahrzehnten maßgeblich geprägt", sagte ein VW-Sprecher. "Sein Lebenswerk ist gekennzeichnet von mutigem Unternehmertum und technologischer Innovationskraft. Volkswagen und der Automobilstandort Deutschland haben ihm viel zu verdanken."

Ferdinand Piëch und Führungskultur

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte: "Ferdinand Piëch war als Vorstandsvorsitzender der richtige Mann zur richtigen Zeit." Sein Fokus auf Technik und Qualität habe die Marke Volkswagen enorm nach vorne gebracht. Mit der Unterstützung der 4-Tage-Woche zu seiner Zeit als Vorstandschef habe er sich große Verdienste um den Erhalt zehntausender Arbeitsplätze erworben. "Kurz: Ferdinand Piëch hat sich große Verdienste um Volkswagen erworben. Das gilt auch, wenn ich mich manchmal über ihn ärgere."

Ferdinand Piëch als Machtzentrum aber ist weg. Und damit auch seine Führungskultur. Als Miteigentümer habe er "in einer eigenen Welt" gelebt, so hört man aus dem Konzern. Das kann man nicht verstehen, ohne seinen Lebensweg zu betrachten. Sein Großvater ist Ferdinand Porsche, Begründer der Dynastie, legendärer Autokonstrukteur, maßgeblich an der Entwicklung des VW Käfer beteiligt.

1937 wird Piëch in Wien geboren, als Kind des Anwalts Anton Piëch und dessen Frau Louise, Tochter von Ferdinand Porsche. Nach dem Besuch eines Schweizer Internats studiert er Maschinenbau, seine Diplomarbeit schreibt er über die Entwicklung eines Formel-1-Motors.

1963 beginnt seine Karriere bei Porsche, und wechselt später zur jetzigen VW-Tochter Audi. Dort wird er 1988 Vorstandschef. Der Aufstieg von Audi zum Premiumanbieter und Innovationstreiber im VW-Konzern ist ohne Piëchs Beteiligung kaum vorstellbar. Er schob den Fünfzylinder-Ottomotor und neue Leichtbauverfahren an.

In der Krise zu VW

1993 übernimmt Piëch als Vorstandschef VW, inmitten einer schweren Krise. Massenentlassungen drohen. Diese wendet der von Piëch eingestellte Personalvorstand Peter Hartz zusammen mit Betriebsrat und Gewerkschaft ab - unter anderem durch die Einführung der Vier-Tage-Woche, die erst Ende 2006 wieder gekippt wurde. Piëch bringt VW wieder auf Kurs - auch mit Hilfe des umstrittenen "Kostenkillers" Jose Ignacio Lopez. 2002 wechselt Piëch an die Spitze des Aufsichtsrats.

Von dort aus regiert er VW weiter, doch 2015 kommt es zum Bruch. Auslöser ist ein mittlerweile legendäres Zitat Piëchs im "Spiegel": "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn" - dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, seinem Ziehsohn bei Audi und später an der Konzernspitze.

Als VW-Chef: 2001 präsentiert Ferdinand Piëch den neuen Polo Als VW-Chef: 2001 präsentiert Ferdinand Piëch den neuen Polo Quelle: dpa/Picture Alliance Über die Motive wird bis heute gerätselt. Eine Erklärung: Piëch wollte seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula als Nachfolgerin an der Spitze des Aufsichtsrats durchsetzen, Winterkorn aber wollte damals selbst diesen zentralen Posten. Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei höchst unzufrieden mit der Entwicklung von VW in den USA gewesen - auch vor dem Hintergrund der später bekanntgewordenen Dieselprobleme.

Wie Jugoslawien ohne Tito?

Es folgt ein beispielloser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsrat und überraschend auch Piëchs Cousin Wolfgang Porsche stützt am Ende Winterkorn. Piëch tritt als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Seinen mehr oder weniger erzwungenen Abgang hat Piëch bis heute nicht verwunden, er sei nachtragend, so hört man aus seinem Umfeld.

Piëch kann aber immer noch Fäden spinnen. Er will bereits im Frühjahr 2015, und damit weit vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Dieselmanipulationen im Herbst - auf die Probleme hingewiesen haben. Und dies auch dem innersten VW-Machtzirkel mitgeteilt haben, dem Präsidium des Aufsichtsrats mit Leuten wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Betriebsratschef Osterloh. Diese weisen die Anschuldigungen scharf zurück. Weil warf Piëch vor, "fake news" zu verbreiten. Der VW-Vorstand prüft - immer noch - mögliche Schadenersatzansprüche gegen Piëch. Das Tischtuch ist zerschnitten.

Wie aber geht es weiter bei VW, ohne Piëch? Nicht wenige in der Branche meinen: Sein Abgang kann Volkswagen gut tun. Denn die Autoindustrie befindet sich angesichts alternativer Antriebe und der Digitalisierung in einem grundlegenden Wandel. Andere Führungsmuster sind gefragt. VW-Chef Matthias Müller treibt einen "Kulturwandel" voran: weniger Zentralismus, mehr eigene Verantwortung für die Mitarbeiter, mehr interne Diskussionen.

Und die Familien Porsche und Piëch als Haupteigentümer von VW stehen vor einem Generationswechsel, eine jüngere, digital geprägte Generation kommt nach. Aber kann das riesige VW-Imperium mit mehr als 600.000 Beschäftigten weltweit dauerhaft Bestand haben, ist es überhaupt noch zu führen? "Volkswagen ohne Piëch ist wie Jugoslawien ohne Tito", zitierte kürzlich das "Handelsblatt" einen Insider - nach dem Tod Titos fiel das Staatengebilde in sich zusammen.

 

Quelle: dpa

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