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ZDK: Gebrauchte Diesel fast unverkäuflich - Autohandel fordert Hardware-Nachrüstung für Diesel

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Neuer Druck für die Autohersteller, diesmal vom eigenen Handel: Die Branche fordert Hardware-Nachrüstungen für Diesel. Denn die seien derzeit fast unverkäuflich.

Hohe Standzeiten: Dieselfahrzeuge verkaufen sich schlecht. Der Handel fordert deshalb Hardware-Umrüstungen Hohe Standzeiten: Dieselfahrzeuge verkaufen sich schlecht. Der Handel fordert deshalb Hardware-Umrüstungen Quelle: dpa / Picture Alliance

Berlin – Aus technischer Sicht sieht die Sache einfach aus. Alle Emissionsfragen rund um den Diesel seien gelöst, sagt Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie. Partikel und Stickoxide seien kein Thema mehr in den neuesten Ausbaustufen der Dieseltechnologie.

Das Problem: Deutschlands Fahrzeugflotte ist im Schnitt fast 10 Jahre alt. Bis die neueste Dieseltechnik in der Breite auf den Straßen fährt, fließt noch viel Kraftstoff in die Motoren alter Euro-5-Diesel. Oder würde dort fließen, stünden die nicht zu Hunderttausenden auf den Höfen der Autohändler. „Die Autokäufer sind zutiefst verunsichert. Drohende Fahrverbote in den Ballungsgebieten machen gebrauchte Diesel fast unverkäuflich“, sagte Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeug-Gewerbe (ZDK).

Im August 2017 hatte der Verband rund 1.600 Mitgliedsunternehmen befragt und ermittelt, dass bei deutschen Autohändlern etwa 300.000 Euro-5-Diesel zum Verkauf stehen. Der Wert dieser Fahrzeuge summierte sich auf etwa 4,5 Milliarden Euro. Nun gab mehr als die Hälfte der befragten Händler an, dass ihr Bestand an solchen Autos weiter gestiegen sei, so der Verband. Und: Da neue Diesel in überwiegender Zahl in die Leasingflotten gehen, können die Händler auch 2018 noch Leasingrückläufer erwarten, die sie auf dem Privatmarkt kaum noch loswerden.

Nachrüstung soll Werterhalt sichern

Ob die Blaue Plakette kommt und was sie konkret bedeuten wird, ist derzeit nicht bekannt Ob die Blaue Plakette kommt und was sie konkret bedeuten wird, ist derzeit nicht bekannt Quelle: dpa / Picture Alliance Die Folge: Das Autogewerbe profitiert nur sehr begrenzt von wachsenden Neuzulassungszahlen. Denn ein Großteil des Geschäfts spielt sich auf dem rund doppelt so großen Gebrauchtwagenmarkt ab. Und der gab 2017 um 1,9 Prozent nach. Insgesamt sei der Umsatz des Autohandels 2017 um 1,4 Prozent gewachsen, so Karpinski. Die Zahl der Neuzulassungen wuchs dagegen um 2,7 Prozent auf 3,44 Mio, also fast doppelt so stark. Die Marge des Handels sei daher 2017 gesunken, von 1,7 Prozent auf 1,3 bis 1,6 Prozent. „Zum Teil existenzbedrohend“ sei das, so der Verband. 7,3 Millionen Gebrauchtwagen wechselten dem Verband zufolge 2017 den Besitzer. 4,98 Millionen davon über den Autohandel.

In dieser Lage wünscht sich der sonst politisch äußerst zurückhaltende Gewerbeverband etwas, das die Autohersteller bisher ablehnen: Ein möglichst weitreichendes Angebot an Hardware-Nachrüstungen für Diesel, um deren Abgaswerte entscheidend zu verbessern. Das sei eine wirksame Maßnahme zum Werterhalt der Pkw-Bestände und zur Reduzierung der Standzeiten. Die betrügen beim Diesel aktuell rund 100 Tage pro Fahrzeug, Benziner seien dagegen nach 80 Tagen verkauft. Jeder Standtag koste den Händler rund 28 Euro – den Wertverlust des Fahrzeugs nicht eingerechnet.

Es sei daher wichtig „dass es auf politischer Ebene in Sachen Hardware-Nachrüstung älterer Diesel jetzt schnell vorangeht“, so der ZDK-Präsident. Er bewertet positiv, dass die Bundesregierung dies laut Koalitionsvertrag immerhin prüfen will.

Schnell geht bei Umrüstungen nichts

Aktuell gibt es keine Möglichkeit, Euro-5-Diesel auf eine bessere Abgasnorm aufzurüsten Aktuell gibt es keine Möglichkeit, Euro-5-Diesel auf eine bessere Abgasnorm aufzurüsten Quelle: dpa / Picture Alliance Nur: Schnell vorangehen wird nichts beim Thema Nachrüstung. Für jeden betroffenen Fahrzeugtyp und jede Motorvariante wäre eine separate Zulassung des Nachrüstsatzes erforderlich. Danach müssten die Systeme in die Autos kommen. Das dauert, selbst wenn sich Politik und Industrie noch 2018 auf ein gemeinsames Vorgehen einigen würden.

Wie lange das dauern kann, zeigt ausgerechnet der VW-Skandal, der die Diesel-Debatte auslöste. Anfang 2016 hatte der VW-Konzern die geplanten Umbauten an den betroffenen Fahrzeugen beim Kraftfahrt-Bundesamt vorgelegt. Die letzten Genehmigungen erhielt der Konzern im Mai 2017. Dabei ging es um eine überschaubare Anzahl von Motorvarianten, anders als bei einer Umrüstung aller in Deutschland je verkauften Euro-5-Diesel. Zudem genügte in den meisten Fällen ein Software-Update. Hardware-Umrüstungen sind ungleich aufwändiger.

Also die Zulassungsverfahren beschleunigen, wie es Anton Hofreiter (Grüne) im Bundestagswahlkampf gefordert hatte? Auch das wäre keine gute Idee. Erklärter politischer Wille auf europäischer und nationaler Ebene war im Zuge des Abgasskandals, die Industrie in Zulassungsfragen enger zu führen und strenger zu überwachen. Dafür will die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag das neue „Deutsche Institut für Verbrauchs- und Emissionsmessungen (DIVEM)“ mit weitreichenden Befugnissen ausstatten.

Eine parallele Lockerung der Typprüfungsvorschriften wäre in diesem Kontext ein klassischer Schildbürgerstreich. So oder so, die Problematik wird uns so schnell nicht loslassen – die Autobranche nicht, die Autofahrer auch nicht. Die Politik tut gut daran, Führung zu demonstrieren – statt sich wie bisher von Umweltverbänden und Gerichten treiben zu lassen.

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Avatar von bjoernmg
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