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Freihandels-Abkommen zwischen EU und Japan - Angst vor der Einbahnstraße

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Die EU-Komission strebt ein Freihandelsabkommen mit Japan an. Die Autoindustrie ist dagegen und fürchtet um Jobs. Worum geht es?

Megacity Tokio: EU-Autohersteller glauben, ihre Exporte nach Japan bis 2020 nur um 7.800 Einheiten steigern zu können. Megacity Tokio: EU-Autohersteller glauben, ihre Exporte nach Japan bis 2020 nur um 7.800 Einheiten steigern zu können. Quelle: MOTOR-TALK

In Japan gehen die Uhren anders: Industrie und Handel beklagen, dass der japanische Markt kaum zugänglich ist. In Japan gehen die Uhren anders: Industrie und Handel beklagen, dass der japanische Markt kaum zugänglich ist. Quelle: MOTOR-TALK Brüssel – Europa und Japan, zwei angeschlagene Riesen der Weltwirtschaft. Die EU-Handelsminister erteilten der EU-Kommission gestern ein Mandat für Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Japan. Das geplante Abkommen soll ab 2018 den Verkehr von Waren und Gütern deutlich vereinfachen.

Die EU erhofft sich einen Anstieg der Exporte nach Japan um 50 Prozent, und damit 420.000 neue Arbeitsplätze.

Autoindustrie: Abkommen kostet Arbeitsplätze

Die europäische Autoindustrie ist skeptisch. Der Branchenverband ACEA, dem auch die Europadivision von Toyota angehört, warnt vor einer Einbahnstraße: Studien würden zeigen, dass gesteigerten Importen aus Japan kein Gleichgewicht an Exporten aus der EU entgegenstünde.

Standards, Tests, Prüfverfahren: Japan schottet sich auf vielerlei Weise ab. Standards, Tests, Prüfverfahren: Japan schottet sich auf vielerlei Weise ab. Quelle: MOTOR-TALK Die europäische Autoindustrie könne in Japan bis 2020 lediglich 7.800 zusätzliche Fahrzeuge verkaufen, während japanische Hersteller im Gegenzug 443.000 Autos in die EU importieren könnten. Die Autobranche fürchtet, dass die europäische Produktion im gleichen Maße zurückgefahren werden müsste. Dies könne zwischen 35.000 und 73.000 Arbeitsplätze kosten - das entspricht in etwa der Belegschaft der Volkswagenwerke Wolfsburg, Hannover und Emden.

Auch Christian Peugeot, Direktor Public Affairs bei PSA Peugeot Citroën, fordert, dass „Verhandlungen mit Japan erst aufgenommen werden, wenn Japan die Bereitschaft zum Abbau von Handelsbarrieren nachweist“. Die europäische Autoindustrie dürfe auf keinen Fall das Wechselgeld bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit Japan sein, sagte er am Mittwoch in Berlin.

Hauptproblem: Japanische Standards

Betrachtet man die vorhandenen Handelsbarrieren genauer, zeigen sich starke gemeinsame Interessen zwischen Politik und Autoindustrie. Es geht beiden Seiten nicht nur um Schutzzölle (in der EU derzeit 10 Prozent auf japanische Importe).

Europäische Kleinstwagen: Die Hersteller fordern fairen Wettbewerb mit japanischen Kei Cars. Europäische Kleinstwagen: Die Hersteller fordern fairen Wettbewerb mit japanischen Kei Cars. Quelle: Daimler Der ACEA fordert u. a., dass in Europa typgeprüfte Fahrzeuge ohne weitere Tests und Modifikationen in Japan zulassungsfähig werden; außerdem sollten künftig europäische Kleinstwagen gleichberechtigt mit „Kei Cars“ konkurrieren. Kei Cars machen etwa ein Drittel des japanischen Automarktes aus, an dem Europa derzeit nicht partizipiere.

Quietschen oder jubilieren?

Aus Sicht der EU-Politiker ist die Abschottung des japanischen Markts per Industriestandards ein Kernpunkt der anstehenden Verhandlungen. Nicht nur die Autohersteller haben darunter zu leiden: Öffentliche Aufträge, etwa im Eisenbahnbereich, sind für europäische Unternehmen nur schwer zu bekommen. Und auch der Groß- und Einzelhandel beklagt im Warenaustausch mit Japan Rechtsunsicherheit, inkompatible Standards und überflüssige Testverfahren.

Ein Abkommen, das die Handelshindernisse auf japanischer Seite nicht beachtet, kann also kaum im Interesse der EU-Politik sein – auch wenn der ehemalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte, er könne den gesamtwirtschaftlichen Ertrag nicht aus der Sicht einzelner Branchen bewerten: „Der eine quietscht und der andere jubiliert“.

Quelle: MOTOR-TALK

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