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VW drosselt Motoren-Produktion und verhängt Einstellungsstopp - Abgas-Skandal: Volkswagen rüstet sich für die Krise

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VW bereitet sich auf die Ära nach dem Abgas-Skandal vor. Salzgitter drosselt die Produktion, in Wolfsburg tagt das Präsidium und VW in Braunschweig streicht neue Stellen.

In den USA hat Volkswagen bei der Messung der Stickstoffoxide von Dieselfahrzeugen betrogen. Der Hersteller muss nun mit hohen Strafen rechnen In den USA hat Volkswagen bei der Messung der Stickstoffoxide von Dieselfahrzeugen betrogen. Der Hersteller muss nun mit hohen Strafen rechnen Quelle: picture alliance / dpa

Wolfsburg/Salzgitter - Eine Woche nach dem Rücktritt von VW-Chef Martin Winterkorn hat die weltweite Abgas-Krise konkrete Konsequenzen für die Mitarbeiter bei Volkswagen.

In der Salzgitter Fertigung werden künftig weniger Motoren vom Band rollen In der Salzgitter Fertigung werden künftig weniger Motoren vom Band rollen Quelle: picture alliance / dpa

Im Motorenwerk Salzgitter wurde die Produktion zurückgefahren, sagte eine Werkssprecherin am Mittwoch. Sie bestätigte einen Bericht der "Wolfsburger Allgemeinen". Vorsorglich sei eine Sonderschicht pro Woche abgesagt worden. In Salzgitter, nach Konzernangaben eines der größten Motorenwerke der Welt, werden täglich rund 7.100 Otto- und Dieselmotoren hergestellt. In dem Werk arbeiten rund 7.000 Mitarbeiter.

Im rund 20 Kilometer entfernten Braunschweig verhängte darüber hinaus die VW-Finanztochter Volkswagen Financial Services einen Einstellungsstopp. "Bereits mündlich gegebene Zusagen für Stellenbesetzungen sind davon unberührt", sagte Sprecher Stefan Voges am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Ferner sollen alle in diesem Jahr auslaufenden Verträge von Werkstudenten und Zeitarbeitern nicht verlängert werden. Nach dpa-Informationen sind knapp 30 Zeitverträge betroffen. Ob der Einstellungsstopp zum Jahreswechsel beendet oder verlängert wird, ist nicht entschieden.

VW-Präsidium kommt zu Krisensitzung zusammen

In der Konzernzentrale in Wolfsburg trifft sich am späten Nachmittag das Präsidium des Aufsichtsrates erneut zu einer Krisensitzung. Dabei soll unter anderem über einen Zwischenbericht zu der Affäre gesprochen werden. Demnach fiel die Entscheidung zum Einbau der manipulierten Software bereits in den Jahren 2005 und 2006, und zwar in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Konzernkreisen erfahren hat.

Für die Finanztochter in Braunschweig wurde zunächst ein Einstellungsstopp verhängt Für die Finanztochter in Braunschweig wurde zunächst ein Einstellungsstopp verhängt Quelle: picture alliance / dpa

Darüber hinaus soll es bei dem Treffen um weitere Personalentscheidungen gehen. Nach dpa-Informationen wird das Präsidium insbesondere über die Zukunft des bisherigen VW-Finanzchefs Hans Dieter Pötsch beraten. Anfang September hatte das Präsidium Pötsch noch einstimmig als Nachfolger von Ferdinand Piëch an der Spitze des Aufsichtsrates vorgeschlagen. Der langjährige VW-Patriarch Piëch hatte im Frühjahr einen internen Machtkampf mit Winterkorn verloren und war zurückgetreten. Seitdem hat den Posten übergangsweise der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber inne.

VW-Aufsichtsratsmitglied Olaf Lies forderte unterdessen eine konsequente strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen für die Diesel-Manipulationen. "Diejenigen, die erlaubt haben, dass dies geschehen kann und die, die entschieden haben, die Software zu installieren, haben kriminell gehandelt. Sie müssen deshalb dafür die persönliche Verantwortung übernehmen", sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister am Mittwoch dem englischen TV-Sender BBC. Der Aufsichtsrat müsse jetzt zudem schnell herausfinden, warum er so lange nichts von dem Einsatz der Betrugssoftware erfahren habe.

Kosten des Skandals können nicht abgeschätzt werden

Volkswagen könne nach wie vor nicht absehen, wie hoch der finanzielle Schaden für VW alleine aufgrund der notwendigen Nacharbeiten an den betroffenen Motoren, sagte Lies. Es sei noch unklar, wie viele Autos dazu etwa in die Werkstätten zurückgerufen werden müssten, "aber es muss wirklich schnell gehen."

Der Porsche-Chef Matthias Müller hat seinen Posten niedergelegt und erbt das Amt von dem zurückgetretenen VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn Der Porsche-Chef Matthias Müller hat seinen Posten niedergelegt und erbt das Amt von dem zurückgetretenen VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn Quelle: picture alliance / dpa

Am Dienstag hatte der Konzern mitgeteilt, dass von der Kernmarke VW fünf Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten geholt werden sollen. Die betroffenen VW-Kunden werden per Post informiert, wenn ihr Fahrzeuge nachgebessert werden muss.

Vor zehn Tagen war bekannt geworden, dass VW in den USA mit einem Computerprogramm die Abgaswerte bei Dieselwagen manipuliert hat. Weltweit sind nach Konzernangaben rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen, davor rund 2,8 Millionen auch in Deutschland. Der langjährige VW-Chef Winterkorn hatte deshalb vor einer Woche sein Amt aufgegeben. Sein Nachfolger ist der bisherige Porsche-Chef Matthias Müller.

Nach Informationen des Fachblattes "Manager Magazin" wurden bereits ein Dutzend VW-Mitarbeiter beurlaubt. Sie seien an Entwicklung und Einsatz der zur Manipulation von Abgaswerten genutzten Software beteiligt gewesen oder hätten zumindest frühzeitig davon gewusst. Deshalb würden sie bis zur Klärung der Vorwürfe beurlaubt. Betroffen seien Entwickler und Manager höherer Hierarchieebenen in Deutschland sowie den USA.

Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht

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