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VW-Skandal stellt die Entwicklung der Dieselmotoren vor ungewisse Zukunft - Was ist besser, Diesel oder Benziner?

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Der Abgas-Skandal bei VW bringt den Selbstzünder unter Druck. Doch ist ein Benziner wirklich umweltfreundlicher? Diese Frage müssen sich nun auch die Politiker stellen.

Der VW-Skandal hat die Politik aufgerüttelt. Im Raum stehen strenger Abgsas-Tests und die Frage, ob Steuervorteile für Selbstzünder gestrichen werden sollen Der VW-Skandal hat die Politik aufgerüttelt. Im Raum stehen strenger Abgsas-Tests und die Frage, ob Steuervorteile für Selbstzünder gestrichen werden sollen Quelle: picture alliance / dpa

Wolfsburg/Brüssel - Die Autoindustrie preist den Diesel wegen des tendenziell geringeren CO2-Ausstoßes als Klimaretter an. Umweltverbände laufen dagegen Sturm und werfen den Herstellern vor, sich die Vorteile des Diesels schönzurechnen. Auf wen sollen Politiker nun hören, wenn sie sich Gedanken über Kfz-Steuern und Abgas-Messungen machen?

Will man die Auswirkungen eines Autos aufs Klima bewerten, muss man sich vor allem die CO2-Emissionen anschauen. Sowohl bei der Verbrennung von Diesel als auch von Benzin entsteht Kohlendioxid. Um den Ausstoß beider Spritsorten vergleichbar zu machen, muss man unter vergleichbaren Bedingungen messen. Und da geht es schon los.

Außentemperatur, Gewicht des Autos, Verkehrsdichte und nicht zuletzt der Fahrstil beeinflussen die Messwerte stark. Schon kleinste Änderungen am Schaltverhalten können große Auswirkungen haben. Das Umweltbundesamt arbeitet deshalb mit dem Handbuch für Emissionsfaktoren. Darin werden Werte aus vielen unterschiedlichen Messungen mit unterschiedlichen Methoden gebündelt.

Der Diesel stößt zwar weniger CO2 als ein Benziner aus, dafür ist die NOx-Emission beim Selbstzünder höher Der Diesel stößt zwar weniger CO2 als ein Benziner aus, dafür ist die NOx-Emission beim Selbstzünder höher Quelle: picture alliance / dpa

CO2-Ausstoß oder NOx-Emission?

Beim CO2-Ausstoß seien Dieselautos den Benzinern zwar voraus. "Aber die Benziner holen mit direkteinspritzenden Motoren auf", sagt Lars Mönch, Leiter des Fachgebiets "Schadstoffminderung und Energieeinsparung im Verkehr" beim Umweltbundesamt. Bei diesen Motoren steige dagegen der Ausstoß schädlicher Partikel im Abgas, erklärt Mönch. Bei Dieselmotoren wiederum sei die Menge von gesundheitsschädlichen Schadstoffen, die aus dem Auspuff kommen, insgesamt höher. Die Frage "Diesel oder Benziner?" ist so voller Widersprüche, dass sie sich pauschal kaum beantworten lässt.

Vor diesem Problem stehen nun auch die Politiker. In Europa richten sich wesentliche Ziele der Klimapolitik am Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) aus - eben mit Vorteilen für den Diesel. In den USA beispielsweise, wo es fast keine Diesel gibt, sind die CO2-Grenzen viel lascher, dafür herrschen dort harte Limits für Stickoxide (NOx).

"Europa ist Diesel-Land, Amerika ist Benzin-Land. In den USA sind dementsprechend die vor allem für Diesel relevanten NOx-Grenzwerte viel strenger als in Europa", erläutert der Chef des Autozulieferers Continental, Elmar Degenhart. "Man könnte mutmaßen, dass dabei auch gewisse politische Interessen eine Rolle spielen rund um die Frage: "Was soll gefördert werden?"", sagt der Manager des DAX-Unternehmens.

Darum könnte nach dem Abgas-Skandal bei VW jetzt wieder stärker gerungen werden. Der Hauptgrund dafür sind die Kosten. In Deutschland sind Diesel beim Anschaffungspreis und in der Kfz-Steuer meist teurer als Benziner. Dafür holen sie an der Zapfsäule auf: Der Liter Diesel kostete im vergangenen Jahr im Schnitt 1,35 Euro und damit gut 14 Cent weniger als ein Liter Super E10, wie Daten des ADAC zeigen.

Der gesamte Preisvorteil kommt über verschiedene Mineralölsteuersätze zustande. Bis Mitte der 80er Jahre wurden Benzin und Diesel noch nahezu gleich besteuert - danach stieg die Abgabe, die heute Energiesteuer heißt, auf Benzin deutlich stärker. Heute liegt die Differenz zwischen den beiden Steuersätzen bei 18,4 Cent pro Liter - eine wichtige Schraube, an der die Politik drehen könnte.

Deutlich Unterschiede bei den Dieselquoten

Im vergangenen Jahr zahlten Dieselfahrer im Schnitt pro Liter Kraftstsoff 14 Cent weniger als Besitzer eines Benziners Im vergangenen Jahr zahlten Dieselfahrer im Schnitt pro Liter Kraftstsoff 14 Cent weniger als Besitzer eines Benziners Quelle: picture alliance / dpa

Ein Angriff auf den Diesel träfe sowohl die EU-Länder als auch die jeweiligen Hersteller in höchst unterschiedlicher Weise. So hat neben den Ländern Belgien und Spanien auch Frankreich einen sehr hohen Diesel-Anteil unter den Neuzulassungen. Dort waren 2013 fast zwei von drei Pkw (rund 65 Prozent) Selbstzünder. Mit knapp 50 Prozent liegt der Diesel-Marktanteil in Deutschland leicht unter dem Schnitt aller 28 EU-Staaten von 53 Prozent. In den Niederlanden ist dagegen nicht einmal jeder dritte Pkw (29 Prozent) ein Diesel.

Aus Hersteller-Perspektive ist der Diesel vor allem ein Phänomen der Oberklasse. Bei BMW waren 2013 schon mehr als 80 Prozent der in der EU neu zugelassenen Wagen Diesel. Audi und Mercedes rangierten dicht dahinter mit gut 70 Prozent. Auch die Marken der Franzosen - Citroën, Peugeot und Renault - hängen mit mehr als 60 Prozent stark am Diesel.

VW-Pkw, deren Volumen-Palette von den Kleinwagen Up und Polo bis zum Oberklasse-Konkurrenten Passat reicht, bewegt sich mit gut 50 Prozent Diesel-Anteil im Branchenschnitt. Mit einem runden Drittel bilden die Italiener von Fiat als benzinlastiger Hersteller den Gegenpol zu BMW.

Am besten ist ein kleines Auto

"Ohne den Diesel wären die Spritverbräuche einiger großer Modelle auch bei den Kunden überhaupt nicht darstellbar", sagt Experte Mönch. Er rät deshalb: Wer umweltbewusst - nicht nur klimaschonend - fahren wolle, müsse sich zunächst für ein möglichst kleines und leichtes Auto entscheiden. "Benzinmotor, kein Direkteinspritzer und möglichst geringe Motorisierung." Für die Hersteller wäre das natürlich ein Problem: Mit großen, teuren Autos verdienen sie wesentlich mehr Geld.

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