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Was passiert im VW-Präsidium? - Schicksalsstunden für Winterkorn

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Heute tagt das Aufsichtsrats-Präsidium von VW und entscheidet wohl über das Schicksal von Konzern-Chef Martin Winterkorn. Wir erklären Euch die Hintergründe und mögliche Ausgänge.

Für Martin Winterkorns Karriere im VW-Konzern haben die entscheidenden Schicksalsstunden begonnen Für Martin Winterkorns Karriere im VW-Konzern haben die entscheidenden Schicksalsstunden begonnen Quelle: dpa/Picture Alliance

Wolfsburg - In der Führungskrise bei Europas größtem Autobauer Volkswagen haben die möglicherweise entscheidenden Schicksalsstunden begonnen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur tagt noch am (heutigen) Donnerstag das Aufsichtsrats-Präsidium, das als Kern der Konzernkontrolleure über die Weichenstellungen wacht und Entscheidungen vorbereitet. Auf der Tagesordnung des Präsidiums steht eine Debatte über mögliche Auswege aus dem lähmenden Machtkampf, der seit Freitag bei Volkswagen tobt. Fragen und Antworten zu den Geschehnissen bei Deutschlands größtem Konzern und privatem Arbeitgeber:

Warum herrscht derzeit so viel Trubel?

VW-Aufsichtsratschef und Konzernpatriarch Ferdinand Piëch war am vergangenen Freitag mit einer Aussage im "Spiegel" ("Ich bin auf Distanz zu Winterkorn") von Deutschlands bestverdienendem Dax-Manager abgerückt und hatte damit einen Wirbel im Unternehmen selbst und bei den Eigentümern ausgelöst.

Winterkorn war bis zu der Aussage im "Spiegel" als Nachfolger Piëchs an der Aufsichtsratsspitze gehandelt worden. Neben der Distanz-Ansage zitierte das Nachrichtenmagazin Piëch auch mit den Worten: "Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen." Damit steht nun nicht nur Winterkorns möglicher Wechsel in das Kontrollgremium infrage, sondern womöglich auch sein weiterer Verbleib im Vorstand.

Was ist das "Präsidium"?

Bis vor Kurzem wurde Martin Winterkorn als Nachfolger von Ferdinand Piëch gehandelt Bis vor Kurzem wurde Martin Winterkorn als Nachfolger von Ferdinand Piëch gehandelt Quelle: dpa/Picture Alliance Ein Ausschuss des Aufsichtsrats, der sich mit Vertragsangelegenheiten des Vorstands befasst. In seinen Sitzungen bereitet der Ausschuss die Beschlüsse des Aufsichtsrats vor. Das VW-Präsidium kann keine Beschlüsse des Aufsichtsrats ersetzen. Bei VW sitzen in dem Gremium Ferdinand Piëch (Vorsitz), Berthold Huber von der IG Metall (Vize-Vorsitz), VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh, der Sprecher des Porsche-Familienzweigs Wolfgang Porsche, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sowie der Osterloh-Vize Stephan Wolf.

Welche Weichenstellung wird das Präsidium treffen?

Das ist alles Spekulation. Im Hintergrund glühten nach dpa-Informationen bereits seit Tagen die Drähte aller Beteiligten, das Treffen deutet also schon einmal darauf hin, dass die Runde nicht bei Null beginnt. Mehr ist aber schlicht unklar. Nur das Sextett weiß es.

Aber welche Wege sind wahrscheinlich?

Viel dürfte davon abhängen, wie Piëch seine Kritik an Winterkorn begründet und ob er mögliche Nachfolger für die Spitzen an Vorstand und Aufsichtsrat präsentiert. Nach dem öffentlichen Vertrauensentzug ist Winterkorn angezählt. Der kleine Zirkel könnte sich darauf einigen, dem Konzernchef einen ehrenhaften Rücktritt nahezulegen. Denn weitere eineinhalb Jahre im Amt bis zu Winterkorns auslaufendem Vertrag Ende 2016 dürften ohne Rückendeckung des VW-Patriarchen Piëch kaum eine reelle Option für Winterkorn sein. Als Nachfolger wird Porsche-Chef Matthias Müller gehandelt. Es gibt aber auch andere Kandidaten.

Welcher Ausgang ist noch denkbar?

Niemand kann ausschließen, dass sich die Winterkorn-Unterstützer nicht doch durchsetzten und die Eigentümer ihm das Vertrauen aussprechen. Die öffentliche Rückendeckung für den bestbezahlten Dax-Manager war nach der Piëch-Kritik zunächst überwältigend.

Winterkorn hätte bis zum Ablauf seiner Amtszeit Ende 2016 ohnehin "nur" noch den Konzernvorsitz inne; die Kernmarke VW-Pkw mit Modellen wie Golf und Passat gibt er bereits im Juli an den früheren BMW-Manager Herbert Diess ab. Ein solches Szenario, bei dem alles bleibt, wie es ist, würde als krachende Niederlage für Piëch gewertet werden. Und der VW-Patriarch, der diesen Freitag 78 Jahre alt wird, hat bislang noch jeden seiner Machtkämpfe gewonnen.

Gibt es auch einen Weg in der Mitte?

Das für Volkswagen wohl schlechteste Szenario wäre ein Patt zwischen den Familien Piëch und Porsche, die als VW-Großaktionär zusammen die Macht im Konzern besitzen. Ihr Machtpoker könnte den Konzern lähmen - und die Zeit drängt auch aus anderen Gründen: Am 5. Mai steigt in Hannover die Hauptversammlung. Kaum denkbar, dass sich Piëch und Winterkorn ohne geklärte Fronten dort nebeneinander auf das Podium setzen. Und schon an diesem Sonntag wird Winterkorn auf einer großen VW-Veranstaltung vor dem Beginn der Automesse in Shanghai erwartet. Als Konzernchef auf Abruf ein zumindest delikater Auftritt.

Update: Das Präsidium hat entschieden: Winterkorn bleibt VW-Chef.

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