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Autobosse liefern in der Kartellfrage weitere Puzzleteile - Neue Fragen im Kartellverdachtsfall

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Verdacht auf illegale Preisabsprachen, eine Unter- und zwei Durchsuchungen und plötzlich ein Antrag auf Kronzeugenregelung. Es könnten die ersten Seiten eines Wirtschafts-Krimis sein.

Was dran an den Kartell-Vorwürfen um deutsche Automobilhersteller? Jüngst beim getätigte Aussagen der Führungsspitzen werfen neue Fragen auf Was dran an den Kartell-Vorwürfen um deutsche Automobilhersteller? Jüngst beim getätigte Aussagen der Führungsspitzen werfen neue Fragen auf Quelle: Picture Alliance

Stuttgart/Sindelfingen - Eine Aussage von Daimler-Boss Dieter Zetsche liefert ein neues Teil im Autokartell-Puzzle. Ein beabsichtigtes Statement oder ein Versehen? Man weiß es nicht genau - wie so oft in den vergangenen Tagen, in denen beiläufig fallengelassene Bemerkungen weit mehr Licht in den Verdachtsfall brachten als die vielen dürren Stellungnahmen der vergangenen Monate. Auch wenn die entscheidende Frage nach wie vor offen ist: Was ist dran an den Vorwürfen um unzulässige Absprachen zwischen deutschen Automobilherstellern?

Seit wann wussten die Hersteller vom Verdacht?

Daimler-Boss Dieter Zetsche meinte dazu beim "Auto-Gipfel" des "Handelsblatts" in Stuttgart: "Wenn (...) auf der einen Seite der größte Skandal seit dem Zweiten Weltkrieg ausgerufen wird und auf der anderen Seite zwei Jahre, seit dieses Thema auf dem Tisch liegt, Die EU hat eine Voruntersuchung wegen des Verdachts auf illegale Preisabsprachen eingeleitet Die EU hat eine Voruntersuchung wegen des Verdachts auf illegale Preisabsprachen eingeleitet Quelle: Picture Alliance noch keine Meinungsbildung entstehen konnte, ob es sich lohnt, ein Verfahren zu diesem Thema zu eröffnen, dann ist ja eine gewisse Diskrepanz vorhanden."

Das lässt einerseits den Schluss zu, dass Daimler die Vorwürfe als nicht so gravierend einschätzt. Die EU-Behörden haben Voruntersuchungen eingeleitet, jedoch noch kein offizielles Verfahren. Es heißt andererseits aber auch: Seit zwei Jahren wissen die Beteiligten davon. So zugeknöpft sich die Stuttgarter in den vergangenen Monaten auch gegeben haben, so zahlreich bringen sie nun Stück um Stück weitere Details ans Licht. Er wisse, sagt Zetsche bei dem Branchentreff, dass sich die unter Verdacht geratenen Gespräche unter den Herstellern in erster Linie um Absprachen zu Standards und ähnlichem gedreht hätten.

Keine Absprache - nur "sehr kooperativ" zusammengearbeitet

Volkswagen, bislang auch eher schweigsam, legt am Tag darauf nach: "Von Preisabsprachen (...) die ein Kartellvergehen darstellen würden, ist mir nichts bekannt", sagt Vorstandschef Matthias Müller. Und: Natürlich habe man unter dem Dach des Branchenverbandes VDA in Fragen der Standardisierung "sehr kooperativ" zusammengearbeitet.

Das wäre nicht unüblich und auch nicht grundsätzlich illegal, die Frage ist aber nach wie vor, ob in bestimmten Fällen Grenzen überschritten worden sind - zum Nachteil der Kunden. Das wollen weder Zetsche noch Müller beurteilen. "Ob es dort irgendwelche Bereiche gab, in denen die Situation nicht so glasklar ist, wird zurzeit überprüft", erklärt der Daimler-Vorstandschef. "Was jetzt hier im Kartellverfahren recherchiert wird, das entzieht sich meiner Kenntnis", zieht der VW-Boss nach.

Daimler tritt die Flucht nach vorn an

Daimlers Antrag auf Kronzeugenregelung kam für alle Beteiligten überraschend Daimlers Antrag auf Kronzeugenregelung kam für alle Beteiligten überraschend Quelle: Picture Alliance Daimler hatte vergangene Woche überraschend bekannt gemacht, dass der Konzern einen Antrag auf Kronzeugenregelung bei den EU-Behörden eingereicht hat. Als Schuldeingeständnis will Zetsche das freilich nicht verstanden wissen. Man habe den gesamten Konzern in Folge der mittlerweile abgeschlossenen Kartelluntersuchungen im Lkw-Bereich auf ähnliche Risiken durchleuchtet. "Die Tatsache, dass wir hier gemeldet haben, hat überhaupt nichts damit zu tun, wie wir den Fall einschätzen", betont er.

Immerhin scheint Daimler aber zuversichtlich zu sein, mit dem Antrag Erfolg zu haben und als Kronzeuge etwaigen Strafen zu entgehen. Laut Finanzchef Bodo Uebber hat der Konzern keine Rückstellungen für mögliche Bußgelder gebildet und hält das auch nicht für notwendig.

Gute Miene zum (noch) neutralen Spiel

Die Kartell-Vorwürfe haben den Vorstandschefs die Laune zwischenzeitlich garantiert verhagelt. Beim "Auto-Gipfel" ist ihnen hiervon aber nichts anzumerken. Zetsche scherzt bei seinem Auftritt über ein Job-Angebot als Motorradverkäufer bei BMW, das er im Online-Karrierenetzwerk Linkedin bekommen habe. Müller bedankt sich für die Möglichkeit "Mercedes-Luft" zu schnuppern - fühle sich sauber an. Daimler ist dieses Jahr Gastgeber des Treffens in Stuttgart und dem nahen Sindelfingen.

BMW fand dagegen wenig unterhaltsames an Daimlers Kronzeugen-Vorstoß der vergangenen Woche. Das ist bekannt, obwohl Vorstandschef Harald Krüger asu gesundheitlichen Gründen nicht beim Autogipfel auftrat. Man sei "irritiert" gewesen, hatte es Einkaufsvorstand Markus Duesmann am Wochenende in einem Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" formuliert. Es sei rückblickend ein komisches Gefühl, dass man mit Wettbewerbern über Zusammenarbeit rede, während deren Juristen die Zusammenkünfte schon angezeigt hätten.

Quelle: dpa

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