Die Richtgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen wird weitgehend ignoriert. Dieses Verhalten ist jedoch gefährlich und kann unter Umständen teuer werden.
Köln - Sobald auf deutschen Autobahnen keine Höchstgeschwindigkeit gilt, geben manche Autofahrer ungehemmt Gas - und ignorieren dabei den eigentlich verbindlichen Charakter, der mit der Richtgeschwindigkeit verbunden ist. Das ist nicht nur gefährlich, sondern kann auch teuer werden. Offiziell eingeführt wurde die Richtgeschwindigkeit in Deutschland im Jahr 1978. Ihr Geltungsbereich wurde in der Vergangenheit durch blau unterlegte Schilder mit weißer Zahl gekennzeichnet. Auf deutschen Autobahnen gilt sie allerdings auch ohne entsprechende Beschilderung, sofern kein Tempolimit angezeigt wird. Der Gesetzgeber sagt, dass ein Überschreiten dieser Geschwindigkeit - auf Autobahnen gelten generell 130 km/h - nicht empfohlen wird. So weit die Theorie. In der Praxis wird diese Empfehlung in der Regel ignoriert, da höhere Geschwindigkeiten nicht als Straftat oder Ordnungswidrigkeit gewertet werden. Eine Messung zum Lärmaktionsplan 2008 der Stadt Gera an der A9 zeigte, dass weit mehr als 60 Prozent der Autos mit weit über 130 km/h unterwegs waren. Eine Mithaftung jenseits von 130 km/h ist fast obligatorischGanz unproblematisch ist das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit allerdings nicht. Denn bei einem Unfall muss der schneller Fahrende sehr wahrscheinlich mithaften. Hierzu hat der BGH schon 1992 festgestellt, dass man jenseits der 130 km/h in haftungsrelevanter Weise die Gefahr vergrößert. Eine Quelle: Picture Alliance Mithaftung jenseits von Tempo 130 ist also fast obligatorisch. Deutsche Autoversicherer kennen das Problem. So warnt der Kfz-Versicherungsexperte der CosmosDirekt, Frank Bärnhof: "Ist ein Fahrer schneller als 130 Stundenkilometer auf der Autobahn unterwegs und wird er unverschuldet in einen Unfall verwickelt, kann ihn dennoch eine Mithaftung treffen. Die Gerichte gehen in diesen Fällen davon aus, dass der Fahrer sich nicht wie ein "Idealfahrer" verhalten hat, da dieser nicht schneller als die Richtgeschwindigkeit fährt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Fahrer nachweisen kann, dass der Unfall auch bei einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern oder weniger passiert wäre". Diese Mithaftung – in der Regel werden mindestens 20 Prozent angerechnet – muss aber nicht immer eintreten. Wird der Unfall zum Beispiel durch einen besonders rücksichtslosen Spurwechsel provoziert, kann der Anteil der Mithaftung trotz einer zu hohen Geschwindigkeit gegen null tendieren. Schlechte Karten hat man bei einem eigentlich unverschuldeten Unfall allerdings, wenn man mit über 200 km/h unterwegs ist und die Richtgeschwindigkeit damit um mehr als 50 Prozent überschritten wird. In einem verhandelten Fall aus dem Jahr 2013 hat das Oberlandesgericht in Koblenz entschieden, dass ein besonders schnelles Tempo jenseits der 200 eigentlich keinen Unfallvermeidungsspielraum mehr lässt und trotz eines schwerwiegenden Verstoßes des Unfallgegners auch der Raser mithaften muss. Auf 40 Prozent wurde die Mithaftung festgelegt. Quelle: SP-X |