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VW-Chefhistoriker: Mängel in Audis NS-Studie - Historikerstreit im VW-Konzern

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2014 veröffentlichte Audi eine Studie zu Zwangsarbeit bei Auto Union im Dritten Reich. Die erntet nun Kritik. Sie erinnere streckenweise an ein Gefälligkeitsgutachten.

Manfred Grieger, Haus-Historiker bei VW, ist unzufrieden mit einer Studie, die Audi über die eigene NS-Vergangenheit in Auftrag gab Manfred Grieger, Haus-Historiker bei VW, ist unzufrieden mit einer Studie, die Audi über die eigene NS-Vergangenheit in Auftrag gab Quelle: dpa/Picture Alliance

Wolfsburg/Ingolstadt - Volkswagens Chefhistoriker Manfred Grieger ist unzufrieden mit einer Studie, die die VW-Tochter Audi über ihre eigene NS-Vergangenheit in Auftrag gab. Grieger attestiert dem Werk handwerkliche Fehler, eine verengte Sichtweise, einen lückenhaften Umgang mit Quellen und sprachliche Unschärfe.

Grieger gilt als profilierter Forscher zur Zwangsarbeit unter den Nationalsozialisten. Er promovierte 1996 über „Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich“. Seit 1998 arbeitet er für den Volkswagen-Konzern. Seine Generalkritik an der Untersuchung erschien in der „Zeitschrift für Unternehmensgeschichte (ZUG)“ bereits Ende 2015. Die 518 Seiten starke Studie namens „Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union AG Chemnitz im Zweiten Weltkrieg“ stammt bereits aus 2014. Über Griegers Rezension berichtete zuerst die "Wirtschaftswoche".

Die Studie habe einen „empathischen Kern“, es mangele an einer unvoreingenommenen Betrachtungsweise. So sieht Grieger „argumentative Windungen“, die „eine abwehrende Haltung“ nahelegten. Geschrieben haben die Studie der Audi-Historiker Martin Kukowski und Rudolf Boch, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der TU Chemnitz. Ein Sprecher des Mutterkonzerns Volkswagen wollte sich am Montag nicht zu dem Thema äußern. Ein Audi-Sprecher wollte den konzerninternen Historikerstreit ebenfalls nicht kommentieren.

Die Auto Union war ein Vorgänger der Audi AG Die Auto Union war ein Vorgänger der Audi AG Quelle: Audi Die Auto Union ist ein Vorgänger der heutigen Audi AG. In Betrieben der Auto Union bestand der Studie zufolge zeitweise ein Sechstel der Belegschaft aus KZ-Häftlingen. Audi nahm die Analyse 2014 zum Anlass, Darstellungen zur NS-Verstrickung des Vorgängers Auto Union anzupassen. So seien Texte im Firmenmuseum und im Internet verändert worden, hatte ein Sprecher damals erklärt.

„Bedeutung heruntergespielt“

In der Rezension des VW-Chefhistorikers heißt es: Die Studie unterschlage zwar nicht „die Beziehungen zu den NS-Eliten durch die Vorstände Richard Bruhn, William Werner und Carl Hahn“, allerdings werde dieser Aspekt „in der Bedeutung heruntergespielt“. Audi schreibt auf seiner Homepage Richard Bruhn die „Verantwortung für den Einsatz von Zwangsarbeitern, KZ-Insassen und Kriegsgefangenen bei der Auto Union AG“ zu. Im Lebenslauf von Carl Hahn Senior fehlt der Hinweis.

Volkswagen hatte die eigene NS-Geschichte bereits in den 1990er-Jahren untersuchen lassen. Der Konzern beteiligte sich in der Folge für alle seine Marken an der 2000 gegründeten Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), die bis 2007 etwa 4,4 Milliarden Euro an fast 1,7 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter der NS-Diktatur auszahlte. Wirtschaft und Bund speisten den Etat.

Die Wurzeln des VW-Konzerns liegen im Nationalsozialismus. Hitler legte den Grundstein für das Stammwerk Wolfsburg. Audi gehört seit 1965 zum VW-Konzern. Für seine Beziehungen zu Geschäftspartnern regelt der VW-Konzern heute in einem Vorgabenkatalog: „Volkswagen lehnt jegliche wissentliche Nutzung von Zwangs- und Pflichtarbeit einschließlich Schuldknechtschaft oder unfreiwilliger Häftlingsarbeit ab.“

 

Quelle: dpa

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